Winterwetter: Politiker wollen Brummis an die Kette legen

Starke Schneefälle strapazieren derzeit die Nerven der Autofahrer. Dazu sorgt die von Verkehrsminister Ramsauer erlassene Neuverordnung zu Winterreifen für Verunsicherung. Nun ist auch noch ein Streit darüber entbrannt, ob für Lkw bei derartigen Witterungsverhältnissen eine Schneekettenpflicht bestehen sollte – oder es besser wäre, sie gleich ganz aus dem Verkehr zu ziehen.

Der erneute Wintereinbruch hat in den letzten Tagen zu massiven Verkehrsstörungen geführt. In mehreren Bundesländern kam es in der Nacht zum Freitag zu Behinderungen und Sperrungen auf den Autobahnen. Betroffen war vor allem Nordrhein-Westfalen. Dort mussten nach Polizeiangaben streckenweise unter anderem die A1, die A2 und die A4 gesperrt werden, weil Lastwagen liegen blieben.

Nun haben Politiker von SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Einführung einer Schneekettenpflicht für Lkw gefordert. Radikalere Stimmen fordern sogar ein bundesweites Fahrverbot für Lkw bei winterlichen Straßenverhältnissen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer konterte dagegen mit dem Argument, dass die Winterreifenvorschriften für Lkw gerade erst verschärft wurden. Er hielt den Politikern, die nun weitere Regeln fordern, einen Positionswechsel vor: "Ausgerechnet diejenigen, die erst einmal gegen eine Winterreifenpflicht waren, fordern jetzt eine Verschärfung."

Schneeglätte bereitet Lkw schon bei geringen Steigungen Probleme

Lkw sind effektiv konstruiert. Das bedeutet aber auch, dass ihr Einsatz auf normale Straßenverhältnissen zugeschnitten ist. Jedes zusätzliche Kilo kostet Sprit. Viele Lastwagen haben daher nur eine Antriebsachse.

Ist die Last weit weg von der Hinterachse und damit ungünstig verteilt, liegt die Traktion, das heißt die für den Antrieb notwendige Reibung, schon bei nasser Fahrbahn oft an der unteren Grenze. Bei (schnee-)glatter Fahrbahn drehen die Antriebsräder schon bei geringen Steigungen von weniger als acht Prozent durch, der Lkw bleibt liegen oder stellt sich quer.

Versucht ein anderer Lkw, daran vorbeizuziehen und bleibt dann ebenfalls hängen, ist die Autobahn blockiert. Nachfolgende Fahrzeuge schließen auf, müssen bremsen, verlieren  den Schwung und stecken ebenfalls fest. Bis schwere Räumfahrzeuge kommen, vergehen oft Stunden.

Eingeschränktes Fahrverbot besteht seit 2009

Bislang müssen Lkw nur an den Antriebsachsen M(atsch) + S(chnee)-Reifen tragen, ansonsten genügen Sommerreifen. Grund dafür ist, dass Nutzfahrzeugreifen - im Gegensatz zu Pkw-Sommerreifen - aufgrund von erhöhten Naturkautschukanteilen von vornherein für den Ganzjahreseinsatz an den übrigen Achsen geeignet sind.

Erst im Jahr 2009 wurde mit § 18 Abs. 11 Straßenverkehrsordnung eine Art eingeschränktes Fahrverbot auf Autobahnen erlassen. Demnach dürfen Lkw mit einem Gesamtgewicht über 7,5 Tonnen einschließlich Anhänger den äußersten linken Fahrstreifen bei Schnee- und Eisglätte nicht benutzen, außerdem "wenn die Sichtweite durch erheblichen Schneefall oder Regen auf 50 m oder weniger eingeschränkt ist."

Die Vorschrift soll verhindern, dass Lkw bei glatter Fahrbahn liegenbleiben und dadurch den übrigen Verkehr blockieren. Vor allem auf zweistreifigen Richtungsfahrbahnen kann so künftig verhindert werden, dass der nachfolgende Lkw-Verkehr an dem liegengebliebenen Lkw vorbeifährt und dann auf dem linken Fahrstreifen selbst liegen bleibt, die ganze Fahrbahn verstopft und kilometerlange Staus verursacht.

Das Problem sind vor allem fehlende Parkplätze

Als dem Bundesrat im November die Nachbesserung der "Winterreifenpflicht" zur Entscheidung vorlag, hatte man auch überlegt, die Autofahrer zu verpflichten, die gesamte Ausrüstung von Kraftfahrzeugen an die Wetterverhältnisse anzupassen. Dieses Ziel wurde aber nicht weiterverfolgt.

Eine solche Ausrüstungsvorschrift müsste nämlich in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung geregelt werden. Die Straßenverkehrsordnung beinhaltet lediglich die Verhaltensvorschriften im Straßenverkehr. In diesem Sinne wurde die Vorschrift im Hinblick auf die Benutzung von Winterreifen (M+S-Reifen) in eine Verhaltensvorschrift umformuliert.

Beim Thema Schneekettenpflicht sind uns jedenfalls unsere alpenländischen Nachbarn wieder voraus: In Österreich gilt eine Mitführungspflicht für Schneeketten für alle Lkw und Sattelzugmaschinen über 3,5 Tonnen und Busse zwischen dem 15. November und dem 15. März. Die Schneeketten müssen dabei der so genannten Ö-Norm entsprechen. Die Schweiz verpflichtet durch spezielle Schilder zum Fahren mit Schneeketten, auch für Allradfahrzeuge. Im Kanton Graubünden können Allradfahrzeuge wiederum mit einem anderen Schild von der Schneekettenpflicht ausgenommen sein.

In Deutschland dürfte eine weitergehende Regelung, die Lkw bei (plötzlich) eintretendem Schneefall oder Eisregen aus "dem Verkehr zu ziehen" erlaubt, schon daran scheitern, dass sich in solchen Fällen in der Regel kaum mehr genügende Parkplätze finden lassen. Dabei hat sich der Bund vom Thema Stellplätze an bundesdeutschen Autorbahnen in den letzten Jahren mehr und mehr zurückgezogen. Dazu kommt, dass schon die Verschärfung der Lenk- und Ruhezeiten für einen gravierenden Mangel an Lkw-Parkplätzen gesorgt hat.

Für Lkw, die (kurzzeitig) überwintern sollen oder die auch nur anhalten müssen, um Ketten aufzuziehen, gibt es gar keinen Platz. Man kann nur auf die Vernunft der Spediteure hoffen, ihre Lkw bei schlechten Wetterprognosen erst gar nicht vom Hof zu lassen. Im Moment ist das allerdings keine besonders populäre Forderung -  wollen die Verbraucher doch, dass alle Sendungen noch pünktlich vor dem Heiligen Abend ihr Ziel erreichen.

Der Autor Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat in Regensburg und Autor zahlreicher Publikationen zum Straßenverkehrsrecht.

Zitiervorschlag

Adolf Rebler, Winterwetter: Politiker wollen Brummis an die Kette legen . In: Legal Tribune Online, 20.12.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2191/ (abgerufen am: 22.04.2024 )

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