Wahlprogramme – Teil 4: Gleiches Geld für gleiche Arbeit

von Claudia Kornmeier

10.08.2013

Frauen verdienen weniger als Männer – über diese Ausgangslage sind sich die Parteien einig. Nicht jedoch darüber, was dagegen getan werden kann. Der konkreteste Vorschlag kommt von der SPD: Die Betriebe sollen die Gehälter regelmäßig selbst überprüfen. Zu viel Bürokratie, die am Ende nichts bringt, meint ein Arbeitsrechtler von der Uni München. Mehr Kitaplätze wären sinnvoller.

In Deutschland verdienen Frauen im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. Daran hat sich seit 1995 nichts geändert. Die Zahl liegt weit über der europäischen Durchschnittsdifferenz von 16 Prozent. Schlimmer ist es nur in Österreich, Tschechien und Estland. Allerdings gibt die 22 die unbereinigte Lohnlücke wieder, bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation liegt der Unterschied nur bei etwa sieben Prozent. Die Zahlen stammen vom Statistischen Bundesamt, politisch sind sie weitgehend unumstritten.

Die Parteien streiten sich eher darüber, was sie dagegen tun sollten. Die SPD will mit einem Entgeltgleichheitsgesetz die Betriebe verpflichten, Lohndiskriminierung von Frauen aufzudecken und zu beenden. Bei Untätigkeit sollen die Unternehmen sanktioniert werden. Auch die Grünen setzen sich für ein Entgeltgleichheitsgesetz ein.

Die Union unterstützt laut ihrem Wahlprogramm die Durchsetzung des Anspruchs von Frauen auf gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Sie will prüfen, ob gesetzliche Transparenzpflichten eingeführt werden sollten, um die Entgeltgleichheit mit Männern zu erreichen. Die Linke fordert ein Gleichstellungsgesetz, das Unternehmen verpflichtet, Gleichstellungsmaßnahmen einzuführen, wenn Frauen oder Männer in Bezahlung, Aufstieg und Verantwortung benachteiligt werden. Der FDP scheinen all diese Überlegungen so dubios zu sein, dass sie sich gar nicht erst zur Entgeltgleichheit äußert.

Arbeitnehmer tragen Beweislast für Diskriminierung

Rechtlich können sich Frauen schon heute wehren, wenn sie weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen und meinen, dass es dafür keine sachlichen Gründe gibt. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz (GG) sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Der Staat ist verpflichtet, diese Gleichberechtigung zu fördern.

Das gilt auch für das Arbeitsentgelt, wie § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Allgemeinen Gleichheitsgesetzes feststellt. Die EU sieht das genauso. Gemäß Art. 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU hat jeder Mitgliedstaat sicherzustellen, dass Männer und Frauen für eine gleichwertige Arbeit ein gleiches Entgelt bekommen.

Aber wer verklagt schon gerne seinen Arbeitgeber, solange das Arbeitsverhältnis noch andauert und möglichst fortgeführt werden soll? Außerdem trägt die Arbeitnehmerin die Darlegungs- und Beweislast für die Diskriminierung.

Experte: "Helfen würden eher mehr Kitaplätze"

Im Februar diskutierte der Familienausschuss des Bundestags mit Experten einen entsprechenden Gesetzentwurf der SPD für ein Entgeltgleichheitsgesetz. Es soll Arbeitgeber mit mehr als 15 Beschäftigten verpflichten, regelmäßig die Entgeltgleichheit in ihrem Betrieb nach einem zertifizierten Verfahren zu überprüfen und ungleiche Bezahlungen gegebenenfalls zu beseitigen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, kann ein Bußgeld verhängt werden – bis zu 500.000 Euro. Tarifverträge soll die Antidiskriminierungsstelle des Bundes auf Entgeltgleichheit überprüfen, wenn es dafür einen Anlass gibt.

Der Münchner Juraprofessor Martin Franzen war als Sachverständiger bei der Anhörung im Bundestag dabei. Er glaubt nicht, dass ein Entgeltgleichheitsgesetz etwas an der ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen ändern wird.

"Dass Frauen offen wegen ihres Geschlechts weniger Geld bekommen, das gibt es heute nicht mehr wirklich." Diskriminierungen seien eher mittelbar. "Wenn die Höhe des Lohns etwa an die Körperkraft anknüpft, dann wäre das ein neutrales Kriterium, das aber faktisch Frauen benachteiligt." Aber auch solche Kriterien seien in der heutigen Dienstleistungsgesellschaft eigentlich überwunden.

Die Ursachen für die Lohnlücke sieht der Arbeitsrechtler eher in anderen Bereichen. Frauen arbeiteten häufiger in Branchen, in denen weniger gezahlt wird. Außerdem belegten die Zahlen des Statistischen Bundesamts, dass die Lohnlücke erst bei Arbeitnehmern ab 30 Jahren auftauche. "Und was ist dafür wohl der Grund? Natürlich die Familiengründung." Solche Umstände hätten aber mit einer Ungleichbehandlung im Rechtssinn nichts zu tun. Deshalb könnten sie auch nicht mit rechtlichen Instrumenten beseitigt werden, meint Franzen. "Helfen würden da eher mehr Kitaplätze."

Zitiervorschlag

Claudia Kornmeier, Wahlprogramme – Teil 4: Gleiches Geld für gleiche Arbeit . In: Legal Tribune Online, 10.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9327/ (abgerufen am: 26.03.2024 )

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