Wahlprogramme – Teil 8: Zwi­schen Goethe-Gro­schen und Kul­tur­fla­t­rate

von Claudia Kornmeier

17.09.2013

Es ist eines der zentralen Themen der Piraten: die Anpassung des Urheberrechts an die Möglichkeiten des Internets. Aber auch die anderen Parteien geben sich Mühe, illegale Downloads, öffentliche WLAN-Zugänge und eine Vergütung der Verlage anzugehen. Ihre Vorschläge: eine Kulturflatrate, eine Beschränkung der Haftung von WLAN-Betreibern und eine Verkürzung der Schutzfristen für Urheberrechte.

Die Zahl illegaler Downloads geht seit ein paar Jahren stetig zurück, das Unrechtsbewusstsein in der Bevölkerung steigt. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine jährliche Studie von Musikindustrie, Filmbranche und Buchhandel. So richtig gelöst ist das Problem dennoch nicht und auch die Parteien haben kein Patentrezept parat.

Relativ eindeutig zeichnet sich die Ablehnung der sogenannten Three-Strikes-Lösung ab, nach der illegale Filesharer zweimal verwarnt werden sollen, bevor bei einer dritten Urheberrechtsverletzung eine Sperrung des Internetzugangs folgt. CDU-Mann Siegfried Kauder hatte im Herbst 2011 eine solche Lösung auch für Deutschland ins Gespräch gebracht. Zwischenzeitlich sprach sich die Bundesregierung jedoch gegen Internetsperren aus.

Warnhinweise ohne Internetsperre

Der Kölner Juraprofessor Rolf Schwartmann untersuchte im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums in einer im Januar 2012 vorgelegten Studie die Internetpiraterieproblematik. Er schlug ein alternatives Modell vor. Danach sollte es zu Warnungen kommen, aber nicht zu einer Internetsperre. Für ein solches Warnhinweismodell spricht sich indes keine Partei in ihrem Wahlprogramm aus. Die Grünen und die Piraten lehnen es sogar ausdrücklich ab. Letztere befürchten, dass dafür eine Überwachung der Internetnutzung nötig wäre.

Schwartmann teilt das nicht und hält es für einen praktikablen Ansatz. "Damit würde man auf Kooperation zwischen Rechteinhabern und Providern setzen. Sie läge in der gemeinsamen Aufklärung der Nutzer durch sanktionslose Warnungen im Innenverhältnis zwischen Provider und dessen Kunde. Eine  Identifikation des Nutzers stünde wie derzeit unter Richtervorbehalt." Leider sei die Idee am Widerstand der Provider gescheitert, die nicht nur den organisatorischen Mehraufwand gefürchtet hätten, sondern auch negative Auswirkungen auf ihre Beziehung zu den Kunden.

Datenschutzrechtliche Probleme hält der Medienrechtler im Gegensatz zu den Piraten für lösbar. "Die  Provider hätten keinerlei Daten an die Rechteinhaber weitergegeben." Der Gesetzgeber hätte die Internetdiensteanbieter aber zu einer anlassbezogenen, kurz befristeten Speicherung der IP-Adresse mit begrenzter urheberrechtlicher Zweckbestimmung ermächtigen müssen.

Eine Deckelung der Abmahnkosten in Verfahren gegen Private, wie sie der Bundestag im Juni beschlossen hat, hält der Kölner Juraprofessor für eine Bagatellisierung. "Das ist mit Blick auf die Aufklärung der Nutzer über den Urheberrechtsverstoß so kontraproduktiv wie die Reduzierung des Bußgeldrahmens für Verkehrsverstöße." Sein Münsteraner Kollege Thomas Hoeren hält den Weg hingegen für richtig, wäre der Gesetzgeber ihn denn konsequent zu Ende gegangen: "Die Ausnahme, die das Gesetz jetzt enthält, wonach die Deckelung des Streitwertes nicht gilt, wenn sie im Einzelfall unbillig wäre, macht ja alles wieder rückgängig. Auf diese Ausnahme werden sich die Richter stürzen."

Kulturflatrate zu welchem Preis?

Die SPD schlägt vor, stattdessen gegen die illegalen Plattformen vorzugehen, auf denen 90 Prozent aller Rechtsverletzungen stattfinden. Diese sollen sich nicht mehr auf allgemeine Haftungsprivilegien berufen können. Die Finanzierung der Plattformen soll unterbunden werden, indem Kooperationen mit Werbetreibenden und Zahlungsdienstleistern sanktioniert werden.

Ähnlich liest sich auch das Programm der FDP: Illegale Angebote sollen gezielt bekämpft werden und dürfen für die Betreiber nicht mehr lukrativ sein.

Die Grünen machen sich für eine Kulturflatrate stark. Die nichtkommerzielle Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken soll legalisiert werden. Im Gegenzug soll für Breitbandanschlüsse eine pauschale Gebühr gezahlt werden, die an die Rechteinhaber weitergegeben werden soll.

Schwartmann bezweifelt nicht nur, dass dieser Vorschlag praktikabel umgesetzt werden kann, sondern auch seine verfassungsrechtliche  Zulässigkeit. "Wenn der Staat Preise festsetzt, dann ist das ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit. Die Urheber würden ihre Selbstbestimmungsfreiheit über den Preis für ihre Werke verlieren."

Außerdem stelle sich die Frage: Eine Flatrate für welche Inhalte zu welchem Preis? 20, 50 oder 100 Euro? "Ich zahle schon die Rundfunkgebühr, außerdem für Simfy und Audible. Das ist ja quasi schon eine Flatrate für bestimmte Inhalte." Schon die Rundfunkgebühr betrage knapp 20 Euro. "Eine Flatrate für 100 Euro für alle Inhalte wäre fast ein Schnäppchen."

Für einen kleinen Bereich kann sich Hoeren eine solche Flatrate vorstellen, und zwar für die Wissenschaft. "Studenten könnten mit dem Semesterbeitrag eine solche Pauschale zahlen und dann Zugriff auf bestimmte wissenschaftliche Literatur haben." Das sei eine überschaubare Gruppe, die in ihren Bedürfnissen so homogen sei, dass eine Flatrate umsetzbar sein sollte.

Zitiervorschlag

Claudia Kornmeier, Wahlprogramme – Teil 8: Zwischen Goethe-Groschen und Kulturflatrate . In: Legal Tribune Online, 17.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9571/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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