Koalitionspläne zur Vorratsdatenspeicherung: K.o.-Sieg für Friedrich

von Sören Rößner, LL.M.

03.12.2013

Seit vergangenem Mittwoch ist es beschlossene Sache: Wenn die Große Koalition kommt, kommt auch die Vorratsdatenspeicherung. In ihren Plänen geht die Regierung in spe sogar über das europarechtlich erforderliche Maß hinaus – bleibt jedoch hinter den vom BVerfG gezogenen Grenzen zurück. Was im Einzelnen geplant ist und warum das Vorhaben womöglich doch noch scheitern könnte, erläutert Sören Rößner.

"Deutschlands Zukunft gestalten" – unter diesem vielsagenden Motto soll das Regierungshandeln in den nächsten vier Jahren stehen. Dabei ist das Thema Vorratsdatenspeicherung, die die werdende Große Koalition einführen will, eher ein Stück Vergangenheitsbewältigung. Mit Urteil vom 2. März 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der EU-Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung wegen ihrer konkreten Ausgestaltung für nichtig erklärt, gleichzeitig jedoch klargestellt, dass es eine sechsmonatige Vorratsdatenspeicherung im Grundsatz für verfassungsgemäß halte.

Seitdem hatte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die derzeit nur noch geschäftsführend als solche fungiert, bis zum Schluss erfolgreich alle Versuche der Union, zuletzt maßgeblich in Person von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), zur erneuten Umsetzung der EU-Richtlinie abgewehrt. Dies wurde sicher auch dadurch begünstigt, dass entsprechende Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP für die letzte Legislaturperiode fehlten.

Speicherung zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr

Dieser Kampf scheint mit dem Ausscheiden der FDP aus Parlament und Regierung nun jedoch verloren. Doch was sieht der Entwurf des Koalitionsvertrages konkret vor? Union und SPD wollen "die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten umsetzen", um die Verhängung von Zwangsgeldern durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu vermeiden.

Dabei soll ein Zugriff auf die gespeicherten Daten nur bei schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und Leben erfolgen. Die alte Regelung hatte demgegenüber eine sehr viel weitergehende Nutzung erlaubt – nämlich zur Strafverfolgung ohne jede Beschränkung, zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit sowie zur Erfüllung nachrichtendienstlicher Aufgaben.

Daneben ist vorgesehen, dass die Telekommunikationsunternehmen die Speicherung der deutschen Verbindungsdaten, die abgerufen und genutzt werden sollen, auf Servern in Deutschland vornehmen müssen, was offenbar den vom BVerfG geforderten, besonders hohen Standard hinsichtlich der Datensicherheit gewährleisten soll. Schließlich will man auf EU-Ebene auf eine Verkürzung der Speicherfrist auf drei Monate hinwirken.

Nachrichtendienstliche Verwendung der Daten?

Zwar gehen die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Pläne damit – wie schon die 2010 in Karlsruhe aufgehobenen Vorschriften – erneut über die Verpflichtungen der EU-Richtlinie hinaus, die eine Speicherung lediglich zur Verfolgung von schweren Straftaten verlangt. Gleichzeitig bleibt das Vorhaben jedoch deutlich hinter dem verfassungsrechtlich Möglichen zurück. Denn nach den Vorgaben des BVerfG zur verfassungskonformen Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung dürfen Abruf und Nutzung der Daten auch bei konkreten Gefahren für die Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für eine gemeine Gefahr zugelassen werden.

Bemerkenswert ist, dass eine Verwendung der Daten zur Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste im Entwurf des Koalitionsvertrages keine Erwähnung findet, obwohl das BVerfG in diesem Zusammenhang auch eine solche Nutzung für verfassungsgemäß gehalten hatte. Dies dürfte der aktuellen Diskussion um das Wirken insbesondere der amerikanischen und britischen Dienste geschuldet sein. Ob hieraus jedoch bereits der Verzicht auf einen entsprechenden Zugriff abzuleiten ist, erscheint mit Blick auf die Haltung gerade der Union äußerst fraglich. Unerwähnt bleibt schließlich auch die von den Karlsruher Richtern unter deutlich geringeren Voraussetzungen für zulässig erachtete mittelbare Nutzung der Daten zur Identifizierung der Inhaber von IP-Adressen.

Zitiervorschlag

Sören Rößner, Koalitionspläne zur Vorratsdatenspeicherung: K.o.-Sieg für Friedrich . In: Legal Tribune Online, 03.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10237/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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