Anwälte am BGH: Zwischen Filterfunktion und Tradition

von Claudia Kornmeier

04.09.2013

Das Institut der BGH-Anwälte ist schon lange umstritten. Ende Juli legte der BGH dem BMJ wieder einmal eine Liste mit Anwälten vor, von denen die Hälfte beim Karlsruher Gericht zugelassen werden könnte. Nun hat der erste Bewerber, der dabei nicht berücksichtigt worden ist, Klage eingereicht. Allerdings nicht beim Anwaltssenat, der bisher über solche Fälle urteilte, sondern beim VG Karlsruhe.

Nicht jeder Feld-, Wald- und Wiesenanwalt darf in Zivilverfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) auftreten, sondern nur, wer dazu vom Bundesjustizministerium (BMJ) auf Vorschlag eines Wahlausschusses zugelassen worden ist, § 78 Abs. 1 S. 3 Zivilprozessordnung.

Ende Juli war es wieder so weit. Der Wahlausschuss, der sich aus BGH-Richtern und Vertretern der Anwaltschaft zusammensetzt, präsentierte dem Bundesjustizministerium (BMJ) eine Liste mit 16 Anwälten, auf dass Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)  die Hälfte dieser Kollegen in den exklusiven Kreis der Anwälte beim BGH aufnehme. Nun hat ein übergangener Anwalt gegen die Entscheidung des Wahlausschusses geklagt.

Geheimes Wahlverfahren

Das Wahlverfahren regeln die §§ 164 ff. Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Danach ist der Wahlausschuss bei der Zusammenstellung der Liste nicht frei. Er darf nur Bewerber vorschlagen, die ihm zuvor von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK)  oder von der BGH-Rechtsanwaltskammer (BGH-RAK) genannt worden sind. Die BRAK wiederum darf nur Anwälte benennen, die ihr die örtlichen Rechtsanwaltskammern aus dem Pool der dort initiativ eingegangenen Bewerbungen vorgeschlagen haben.

Der Wahlausschuss tagt geheim. Für die Bewerber sei es essentiell, dass ihre Namen nicht öffentlich würden, so BGH-Anwalt Ekkehart Reinelt. Oft dauere das Verfahren nämlich mehrere Jahre. Wer BGH-Anwalt wird, verliert aber seine Postulationsfähigkeit vor den Instanzgerichten. Kommt es aber schon vor Abschluss des Verfahrens zu Spekulationen darüber, wer künftig nur noch beim BGH tätig sein wird, könnte dies das anwaltliche Geschäft der Bewerber vollständig zum Erliegen bringen.

Bedarf an BGH-Anwälten

In einem ersten Schritt legt der Wahlausschuss fest, wie viele Neuzulassungen er überhaupt für angemessen hält. Das richtet sich nach der Anzahl neuer Prozesse, die in Karlsruhe eingehen. Jeder BGH-Anwalt soll die Chance haben, wirtschaftlich Fuß zu fassen, da nur so seine Unabhängigkeit gewährleistet werden könne – ein essentielles Argument für die beschränkte Zulassung. Aktuell sind 37 Anwälte beim BGH zugelassen.

In einem zweiten Schritt schlägt der Wahlausschuss doppelt so viele Bewerber vor, wie er für nötig hält, damit das BMJ eine Auswahl hat. Der aktuell klagende Bewerber kritisiert nach Angaben der FAZ, dass der Wahlausschuss den Bedarf an neuen Anwälten zu gering eingeschätzt habe.

Die Frage ist tatsächlich schwierig. "Wie viele BGH-Anwälte in nächster Zeit ausscheiden werden, ist offen", so BGH-Anwalt Peter Baukelmann, der als Vorsitzender der BGH-RAK mit im Wahlausschuss sitzt. "Es gibt zwar ein Mindest-, aber kein Höchstalter." Wahrscheinlich gehe es um zwei bis drei Anwälte, die vielleicht im nächsten Jahr aufhören werden. Aber zwingen könne sie dazu niemand.

Transparenz der Auswahlkriterien

Um überhaupt auf die Liste zu kommen, muss man 35 Jahre alt und mindestens seit fünf Jahren ohne Unterbrechung als Rechtsanwalt tätig gewesen sein. Über weitere Auswahlkriterien schweigt sich die BRAO aus. In § 167 heißt es lediglich, dass der Wahlausschuss prüft, ob der Vorgeschlagene die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Tätigkeit als Rechtsanwalt beim BGH besitzt. Laut FAZ greift der übergangene Bewerber auch dies als zu intransparent an.

Baukelmann versteht die Kritik nicht. Die Auswahlkriterien seien klar. Wie bei jeder Bewerbung von Juristen sei auch bei der Bewerbung zum BGH-Anwalt die Note ein ausschlaggebendes Kriterium. Daneben zählten wissenschaftliche Veröffentlichungen. Außerdem müssen die Bewerber nicht nur Textproben einreichen aus Schriftsätzen, die sie verfasst haben, sondern auch zu drei persönlichen Gesprächen erscheinen.

Den Vorwurf, wissenschaftliche Mitarbeiter von BGH-Kanzleien würden bevorzugt berücksichtigt, bestätigen weder Baukelmann noch sein Kollege Ekkehart Reinelt. Beide halten eine ausgewogene Mischung aus ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeitern und Anwälten, die zuvor in der Instanz gearbeitet haben und von auswärts kommen, für wichtig.

Zitiervorschlag

Claudia Kornmeier, Anwälte am BGH: Zwischen Filterfunktion und Tradition . In: Legal Tribune Online, 04.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9491/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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