Verlust der Lehrerlaubnis: Der schwule Reli­gi­ons­lehrer und das Veto­recht des Kar­di­nals

Thomas Traub

17.05.2011

Ein Theologe hatte den Umgang der katholischen Kirche mit Homosexuellen in mehreren  Veröffentlichungen kritisiert und sich selbst zu seiner Homosexualität bekannt. Kardinal Meisner, Erzbischof von Köln, entzog ihm nun die Lehrerlaubnis für den Religionsunterricht. Thomas Traub über eine staatliche Schule und eine kirchliche Entscheidung, die unanfechtbar bleiben wird.

Dr. David Berger ist habilitierter Theologe. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer an einer öffentlichen Schule in Erftstadt war er als Publizist tätig.  Nach seinem Outing hatte Berger in seinem Buch "Der heilige Schein" eine wachsende Homophobie in der katholischen Kirche kritisiert und von einem "katholischen Dschihad" gesprochen.

Am 2. Mai hat der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner ihm die Kirchliche Lehrerlaubnis für das Fach Katholische Religionslehre entzogen. Meisner begründet seine Entscheidung damit, dass Berger durch seine Veröffentlichungen und Äußerungen in den Medien selbst den unwidersprochenen Anschein gesetzt habe, in Lehre und Lebensführung mit den moralischen und gesetzlichen Normen der Kirche nicht übereinzustimmen. Dadurch habe er das für den Verkündigungsauftrag unverzichtbare Vertrauen des Bischofs zerstört und könne nicht mehr glaubwürdig im Auftrag der Kirche katholischen Religionsunterricht erteilen.

Berger darf Lehrer bleiben, nur nicht für Religion. Die Chancen des Theologen, die Lehrerlaubnis für dieses Fach zurück zu bekommen, sind  wohl eher gering.

Ordentliches Lehrfach, aber keine bloße Religionskunde

Nach Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz (GG) ist Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen ordentliches Lehrfach. Er wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Seine Einrichtung und Durchführung setzen also eine Kooperation des Staates mit den Religionsgemeinschaften voraus.

Diese notwendige Zusammenarbeit ist Ausdruck der Trennung von Staat und Kirche: Der säkulare, zu religiöser Neutralität verpflichtete Staat ist theologisch inkompetent. Er kann nicht die Glaubenssätze aufstellen, an denen sich der konfessionell gebundene Religionsunterricht orientiert.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) macht dieses Übereinstimmungsgebot des Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG die Sonderstellung des Religionsunterrichts gegenüber den anderen Fächern aus. Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG ist keine bloße Religionskunde oder historisierende Bibelgeschichte.

Bekenntnisunterricht: Wer nicht will, muss nicht lehren

Gegenstand des Religionsunterrichts ist, so die Verfassungsrichter, "vielmehr der Bekenntnisinhalt, nämlich die Glaubenssätze der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Diese als bestehende Wahrheiten zu vermitteln, ist seine Aufgabe" (BVerfG, Beschl. v. 25.02.1987, Az. 1 BvR 47/84).

Der Staat ist zwar "Veranstalter", er trägt die personellen Kosten des Religionsunterrichts und übt sein staatliches Aufsichtsrecht aus. Die inhaltliche Verantwortung aber tragen die Religionsgemeinschaften.

Das hat auch Auswirkungen auf die Lehrkräfte, die im Religionsunterricht eingesetzt werden können: Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen (Art. 7 Abs. 3 S. 3 GG). Die Regelung sichert die negative Religionsfreiheit der Lehrer.

Wer unterrichten will, muss bevollmächtigt sein

Umgekehrt dürfen nur die Lehrer Religionsunterricht erteilen, die von der jeweiligen Religionsgemeinschaft dazu ermächtigt worden sind. In Nordrhein-Westfalen ist das ebenso wie in vielen anderen Bundesländern ausdrücklich in der Landesverfassung (LV NRW) vorgeschrieben: Nach Art. 14 Abs. 1 bedarf der Lehrer der Bevollmächtigung durch die Kirche oder die Religionsgemeinschaft.

Die evangelische Kirche nennt die Bevollmächtigung "Vokation", auf katholischer Seite spricht man von der "Missio canonica".

Das Verfahren und die inhaltlichen Voraussetzungen für die Erteilung und den Widerruf dieser Bevollmächtigung sind nicht durch staatliches Recht normiert, sondern werden durch inner-kirchliches Recht geregelt. Das ist Ausdruck des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, das in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV garantiert ist: Die Religionsgemeinschaften ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig.

"In Übereinstimmung mit der katholischen Lehre"

Das katholische Kirchenrecht ist im Codex Iuris Canonici (CIC) umfassend kodifiziert. Nach Can. 804 CIC muss der Ortsbischof sich darum bemühen, dass die Religionslehrer sich durch Rechtgläubigkeit, durch das Zeugnis christlichen Lebens und durch pädagogisches Geschick auszeichnen. Can. 805 CIC ermächtigt den Ortsbischof, die Religionslehrer zu ernennen und sie abzuberufen, wenn es aus religiösen oder sittlichen Gründen erforderlich ist.

Diese allgemeinen Bestimmungen hat die Deutsche Bischofskonferenz durch einheitliche Rahmenrichtlinien für die Erteilung der Missio canonica für das Fach "Katholische Religionslehre" konkretisiert.

Kriterium für die Verleihung der Befugnis ist neben den fachlichen Voraussetzungen die Bereitschaft des Religionslehrers, den Religionsunterricht in Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche zu erteilen. Außerdem muss der Religionslehrer in seiner persönlichen Lebensführung die Grundsätze der katholischen Kirche beachten.

Zuständig für die Verleihung und den Entzug ist der Diözesanbischof, der dabei von einer "Missio-Kommission" unterstützt wird. Entzieht er dem Religionslehrer die Missio canonica, darf dieser nicht mehr im Namen der Kirche die katholische Lehre verkünden und keinen Religionsunterricht mehr erteilen.

Was die Kirche entscheidet, darf die Schulbehörde nicht ändern

Die kirchliche Entscheidung, die Lehrbevollmächtigung zu widerrufen, ist für den Staat verbindlich. Er darf den Betroffenen nicht mehr als Lehrer im Religionsunterricht an öffentlichen Schulen einsetzen.

Eine Klage des betroffenen Lehrers vor staatlichen Gerichten hätte kaum Aussicht auf Erfolg. In vergleichbaren Fällen haben es die Verwaltungsgerichte abgelehnt, den Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis zu überprüfen, weil sie auf einer innerkirchlichen Entscheidung beruht. Auch nach der Rechtsprechung des BVerfGs sind die innerkirchlichen Angelegenheiten der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen. Sie sind nicht am Maßstab staatlichen Rechts auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (BVerfG, Beschl. v. 09.12.2008, Az. 2 BvR 717/08).

Stattdessen kann der Lehrer die Möglichkeiten des Rechtsschutzes vor den innerkirchlichen Behörden und Gerichten in Anspruch nehmen. In letzter Instanz könnte der Oberste Gerichtshof der Apostolischen Signatur in Rom darüber entscheiden, ob kirchliches Recht verletzt wurde. In einem solchen Verfahren müsste das Erzbistum Köln dann auch seine bislang recht vage gehaltene Begründung im Fall Berger näher konkretisieren. Es wäre interessant, ob die Entziehung der Lehrbefugnis mit Bergers offen ausgelebter Homosexualität, seiner harschen öffentlichen Kritik an der Kirche oder einer Kombination aus beidem begründet würde.

Disziplinarische Konsequenzen hat der Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis allerdings für den Religionslehrer als Beamten oder Angestellten des Landes nicht. Er behält seine dienstliche Stellung, erhält weiterhin seine Besoldung und kann als Lehrer seinen Qualifikationen entsprechend eingesetzt werden - in anderen Fächern.

Thomas Traub ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Kirchenrecht der Universität zu Köln.

 

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Zitiervorschlag

Thomas Traub, Verlust der Lehrerlaubnis: Der schwule Religionslehrer und das Vetorecht des Kardinals . In: Legal Tribune Online, 17.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3292/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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