Right to repair?: Apple, John Deere und die Angst vor der Repa­ratur

von Tim Jülicher

17.03.2017

Lobbyisten und Parlamentarier streiten in den USA über die Einführung eines Right to Repair. Warum deutsche Kunden von Apple & Co. nicht darauf hoffen können, kostengünstig selbst zu reparieren, erläutert Tim Jülicher.

Smartphone-Reparaturen können ziemlich ins Geld gehen. Das weiß jeder, der schon einmal ein beschädigtes iPhone hat reparieren lassen. So kostet ein Displaytausch bei Apple oder einem autorisierten Partner rund 150 Euro.

Günstiger wäre es wohl, das Gerät selbst zu reparieren. Legt der Kunde jedoch persönlich Hand an, verliert er sämtliche Garantieansprüche gegenüber Apple. Gleiches gilt für eine Reparatur im Laden nebenan oder im Onlineshop des Vertrauens, sofern es sich nicht um einen zertifizierten "Apple Service Provider" handelt.

Das stört Sie nicht? Dann haben Sie trotzdem ein Problem, denn Apple verkauft keine Originalersatzteile auf dem freien Markt. Weder an Endkunden noch an freie Werkstätten.

In den USA tobt deshalb gerade ein Streit um die Einführung eines Rechts auf Reparatur (Right to Repair). Acht Bundesstaaten wollen Hersteller gesetzlich verpflichten, Ersatzteile, Montageanleitungen und Diagnosetools an Privatleute und unabhängige Händler zu liefern.

Die Idee und die Argumente von Big Tech und Big Agri

Eigentlich ging es den Lobbyisten und Initiatoren der sogenannten Fair Repair Bills gar nicht um Tech-Giganten wie Apple, sondern um Unternehmen wie John Deere. Die Maschinen des Traktorherstellers können und dürfen selbst in einfachsten Fällen nur von offiziellen Mechanikern repariert werden, da weder Farmer noch Werkstätten Zugriff auf die nötige Software haben.

Im Reparaturfall tagelang auf einen Techniker zu warten, kostet jedoch nicht nur Zeit und Nerven, sondern vor allem Geld. Deshalb verlangen die Betroffenen Zugang zu den notwendigen Reparaturutensilien.

Dagegen argumentiert John Deere, dass Farmer zwar einen Traktor erwerben, für die betriebsnotwendige Software aber nur eine Lizenz eingeräumt wird. Wird der Softwareschutz zu Reparaturzwecken umgangen, verletzt dies nicht nur die Lizenzbedingungen. Auch eine Strafbarkeit nach dem Digital Millennium Copyright Act (DMCA) ist möglich.

Bei Apple heißt es, dass nur durch die herstellerseitige Kontrolle der Reparaturmöglichkeiten eine ordnungsgemäße Gerätewartung garantiert werden könne. Zur Sicherheit des Kunden, versteht sich. Denn unachtsame Schrauber könnten sich an den Scherben des Displays schneiden oder den Akku in Brand setzen.

Dass das Reparatur- und Wartungsmonopol freilich eine äußerst lukrative Einnahmequelle für die Hersteller bedeutet, liegt auf der Hand. So sichern sie sich beachtliche Umsätze über den eigentlichen Verkauf hinaus.

Warranties und Garantien

Während für Mängel der Kaufsache hierzulande zwischen Gewährleistung und Garantie unterschieden wird, ist in den USA nur eine konkludente Warranty gesetzlich geregelt. Sie erstreckt sich vor allem auf die übliche Zweckeignung (Merchantability) und variiert je nach Bundesstaat in ihrer Geltungsdauer.

Zusätzlich bieten viele Unternehmen freiwillige Garantien (Express Warranties) an. So gewährt Apple seinen Kunden sowohl in Deutschland als auch in den USA eine einjährige Herstellergarantie ab Kaufdatum. Sie kann gegen Aufpreis um ein Jahr verlängert werden (AppleCare+).

Die Rechtslage in Deutschland

In Deutschland gilt unabhängig von solchen Herstellergarantien für Sachmängel  ein einheitliches Gewährleistungsrecht. Der Verkäufer ist demnach in den ersten zwei Jahren nach Übergabe der Sache zur Mängelbeseitigung verpflichtet. Insbesondere steht dem Käufer gem. § 439 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein Nacherfüllungsanspruch zu, der in Gestalt des Nachbesserungsrechts freilich auch ein Recht auf verkäuferseitige Reparatur umfasst.

Ein Right to Repair im Sinne eines Selbstvornahmerechts, wie es das Werkvertragsrecht nach § 637 BGB kennt, ist dem deutschen Kaufrecht jedoch fremd. Der Gesetzgeber hat sich im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung bewusst für  eine unterschiedliche Ausgestaltung der beiden Gewährleistungsregime entschieden. Eine analoge Anwendung von § 637 BGB scheidet deshalb aus, zumal es dafür ohnehin einer Fristsetzung bedürfte. Außerdem steht dem Endkunden mit der Schadensersatzhaftung des Verkäufers ein schlagkräftiger Rechtsbehelf zur Verfügung.

Will der Kunde – wie von den Lobbyisten der Repair Association gefordert – Diagnosetools einsetzen, um die Software zu reparieren, ist das Urheberrecht zu beachten. Nach § 69d Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) darf der Nutzer im Rahmen der bestimmungsgemäßen Benutzung zwar Fehler berichtigen. Ein weitergehendes Recht zur Wartung, Modifizierung oder Dekompilierung der Software (sogenanntes Reverse Engineering) steht ihm aber in der Regel nicht zu. Gerade vor solchen weitergehenden Eingriffen technischer Natur fürchten sich Tech-Giganten wie Apple und warnen die betreffenden US-Bundesstaaten, mit der Verankerung eines Right to Repair zu einem "Mekka für Hacker" zu werden.

Glücklich, wer den Reparaturmarkt kontrolliert

Sind Herstellergarantie und Gewährleistungsfrist erst einmal abgelaufen, sieht sich der Kunde freilich noch immer mit dem Bezugsproblem für Originalteile konfrontiert. Weil die Hersteller den Ersatzteilmarkt kontrollieren, müssen Bastler und unautorisierte Händler auf Nachbauten und Ausschussware zurückgreifen.

Vergleichbare Marktstrukturen kennt man vor allem aus dem Automobilsektor. Zudem gibt es ganze Branchen (Druckerpatronen, Kaffeekapseln etc.), die sich gezielt auf den attraktiven Sekundärmarkt konzentrieren. Ob und inwieweit dieser eingeschränkt werden darf, richtet sich nicht nur nach dem Patentrecht (grundsätzlich kein Reparaturmonopol) und dem Kartellrecht (keine vorschnelle Annahme eines Missbrauchs). Auch das Urheberrecht spielt eine wichtige Rolle. So kann der Hersteller den Einsatz von Software-Diagnosetools nur insoweit verbieten, als er selbst zur Fehlerbeseitigung willens und in der Lage ist.

Wie geht es weiter?

Hierzulande ist mit der Einführung eines kaufrechtlichen Selbstvornahmerechts nicht zu rechnen, da das Gewährleistungsrecht dem Käufer genügend Handhabe bietet. In den USA bleibt die Entwicklung dagegen spannend.

Bislang zahlt sich die Lobbyarbeit von Apple und Co. aus: Nachdem es ihnen im letzten Jahr gelang, einen Gesetzentwurf in New York aufzuhalten, entschieden in der vergangenen Woche auch die Abgeordneten in Nebraska, die Einführung eines Right to Repair vorerst zu vertagen.

Doch in den übrigen Bundesstaaten machen Repair-Lobbyisten und Abgeordnete weiterhin kräftig Druck. Ein spezielles – und durchaus erfolgreiches – Right to Repair für Eigentümer von Kraftfahrzeugen existiert jedenfalls schon.

Der Autor Tim Jülicher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (Zivilrechtliche Abteilung) der Universität Münster. 

Zitiervorschlag

Tim Jülicher, Right to repair?: Apple, John Deere und die Angst vor der Reparatur . In: Legal Tribune Online, 17.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22406/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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