Referentenentwurf zum Urhebervertragsrecht: Ver­wer­tungs­feind­lich­keit ohne Gewinner

von Dr. Martin Soppe

16.10.2015

2/2: Nachteile für Verwerter groß, Vorteile für Urheber eher nicht

Ob der Referentenentwurf in der jetzigen Form Gesetz wird, ist zweifelhaft. Empirische Belege für das vom BMJV befürchtete Blacklisting fehlen ebenso wie für die anderen Prämissen der angestrebten Neuregelung. Klar ist aber: Die vertragsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Verwertung urheberrechtlicher Werke werden reformiert. Für die Verwerter bedeuten einige Regelungen gravierende Erschwernisse. Ob dem tatsächlich Vorteile für die Urheber gegenüberstehen, darf indes bezweifelt werden.

Ein Beispiel: Das geplante Rückrufrecht nach Ablauf von fünf Jahren trifft diejenigen Verwerter hart, die auf längerfristige Verwertungen angewiesen sind. Im Buchbereich gilt dies etwa für Verlage, die junge Autoren langfristig aufbauen, dann aber befürchten müssen, dass nach Ablauf der Fünfjahresfrist der mittlerweile bekannte Autor nicht nur für seine zukünftigen Werke zu einem anderen Verlag wechselt, sondern mittels des Rückrufrechts zugleich noch seine bisherigen Titel beim Erstverlag abzieht und damit dessen Backlist-Geschäft trifft.

In anderen Medienbereichen wird das digitale Archiv betroffen sein, wenn einzelne Urheber von ihrem Rückrufrecht Gebrauch machen. Ob mit einer solchen Regelung auf der anderen Seite den Urhebern gedient ist, erscheint hingegen fraglich: Manche Verwerter werden für ein mit einer solchen – unabdingbaren – Rückrufmöglichkeit belastetes Recht weniger zahlen als für das unbefristete Recht, wie es derzeit oftmals eingeräumt wird.

Ein anderes Beispiel sind Medien, bei denen viele Urheber mit ihren Werken zusammenwirken, um ein Gesamtwerk zu schaffen, zum Beispiel Filme mit ihrer Vielzahl an Urhebern und sonstigen Berechtigten vor und hinter der Kamera. Im Printbereich wird dies für Tageszeitungen und Zeitschriften problematisch, von denen jede einzelne Ausgabe Dutzende, wenn nicht gar hunderte von Einzelwerken (Texte, Fotos, Illustrationen) enthält.

Bei solchen Werken trennscharf – und notfalls gerichtsfest – jährlich Rechnung über damit generierte Erlöse zu legen, könnte erfordern, dass die Verwerter Spezialabteilungen in der Buchhaltung aufbauen - ohne dass dem nennenswerte Gewinne auf der Urheberseite gegenüberstehen.

Übersetzung in die Praxis mit lähmender Wirkung

Viele Medienprodukte erreichen ihre Zuschauer und Leser nicht mehr nur auf einem einzigen Vertriebskanal. Filme werden im Kino gezeigt, auf Internetplattformen (legal) gestreamt, im Fernsehen ausgestrahlt, per DVD vertrieben und so weiter. Zeitungen und Zeitschriften sind auch zugänglich über Internetseiten oder als e-Paper. Bücher erscheinen heute häufig auch als digitales e-Book.

Die Reichweite aller dieser Vertriebskanäle ist zusammengenommen oft nicht größer als beim früheren Einheitsvertrieb über Kinos, Kioske und Buchläden. Aber urheberrechtlich sind es verschiedene Nutzungsarten, für die eine Einmalvergütung an die Urheber nicht mehr zulässig sein soll. Hier wären nach dem Referentenentwurf stets gesonderte Vergütungen zu leisten. Aber in welcher Höhe? Was ist mit veränderlichen Verwertungserfolgen – der eine Film läuft in den Kinos besser, der andere auf DVD? Wie stellt man das dar, wenn es um eine Vielzahl von Miturhebern eines einzigen Werkes geht und Einmalzahlungen zukünftig verboten sind?

Gelegentlich ist gut gemeint das Gegenteil von gut gemacht. Ein verwertungsfeindliches Urhebervertragsrecht mit überspannten Anforderungen an die Verwerterseite bewirkt allenfalls kurzfristig erhöhte Vergütungen für die Urheber. Perspektivisch wird es dazu führen, dass weniger Werke produziert werden können, weil es sich schlicht nicht mehr lohnt. Und daran können weder die Urheber noch die Verwerter ein Interesse haben.

Dr. Martin Soppe ist Experte für Urheber- und Lizenzvertragsrecht der Kanzlei Osborne Clarke. Er berät Unternehmen der Medien- und anderer Branchen insbesondere bei Fragen rund um ihr operatives Geschäft und bei der fortschreitenden Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle. Er ist Vorsitzender des Rechtsausschusses des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger, Vizepräsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer und Vorsitzender des Fachausschusses für Urheber- und Medienrecht.

Zitiervorschlag

Dr. Martin Soppe, Referentenentwurf zum Urhebervertragsrecht: Verwertungsfeindlichkeit ohne Gewinner . In: Legal Tribune Online, 16.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17230/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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