Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen: Keine Angst vor TiSA

von Alina Nowosjolowa und Dr. Christian Hamann

15.03.2016

Im Schatten von TTIP findet ein weiteres Wirtschaftsabkommen mit großer Tragweite vergleichsweise wenig Beachtung. Worum es bei TiSA geht, und welche Sorgen man sich (nicht) zu machen braucht, erklären Christian Hamann und Alina Nowosjolowa.

Seit 2012 verhandelt ein Kreis von 23 Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) ein Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (Trade in Services Agreement, TiSA). Mit dabei sind u.a. die USA und die EU. Die beteiligten Regierungen betrachten sich selbst als eine Art "Vorhut" und streben an, TiSA langfristig in den WTO-Rahmen zu überführen.

Ziel von TiSA ist es, den Dienstleistungsverkehr zu liberalisieren und Handelshemmnisse abzubauen. In einem Vertragsstaat ansässige Anbieter sollen ihre Dienstleistungen in den anderen Vertragsstaaten zu denselben Bedingungen anbieten dürfen wie die dort heimischen Dienstleister. Der Kreis der von TiSA erfassten Dienstleistungen ist denkbar weit. Betroffen sind so unterschiedliche Bereiche wie Rechts- und Steuerberatung, Architektenleistungen und Finanz- und Telekommunikationsdienste. Die Verhandlungen über TiSA gestalten sich offenbar schwierig. Auch nach inzwischen 16 Verhandlungsrunden ist ein Ergebnis nicht in Sicht. Gleichwohl regt sich Widerstand gegen das Vorhaben. Seit der Veröffentlichung eines Vereinbarungsentwurfs durch WikiLeaks im Jahr 2014 rufen insbesondere Globalisierungsgegner zum Protest auf. Ihre Kritik entzündet sich vor allem an drei Punkten:

  • Das Verfahren. Die Regierungen betreiben nach Ansicht der Kritiker Geheimdiplomatie und versuchen bewusst, die Öffentlichkeit über Inhalte und Auswirkungen von TiSA im Ungewissen zu lassen.
  • Deregulierung und Privatisierung im Bereich der Daseinsvorsorge: Wasser- und Gesundheitsversorgung, Bildungswesen, Sozialversicherung sowie andere soziale Dienstleistungen könnten in die Hände profitorientierter privater Dienstleister gelegt und von diesen mangels staatlicher Überwachung zu überteuerten Preisen und in minderwertiger Qualität angeboten werden.
  • Aufgabe der europäischen Datenschutzstandards: EU-Bürger wären Datenzugriffen von Unternehmen aus den USA und anderen Staaten schutzlos ausgeliefert, da Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten als Hindernisse für den freien Dienstleistungsverkehr außer Kraft gesetzt werden könnten.

Geheimverhandlungen seit jeher üblich

Der Unmut über die fehlende Transparenz der TiSA-Verhandlungen ist auf den ersten Blick leicht nachzuvollziehen. Die Verhandlungen finden grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt; Protokolle und "offizielle" Entwürfe des Abkommens werden unter Verschluss gehalten. In Zeiten, in denen in Deutschland und Europa Transparenz und (weitgehend) ungehinderter Zugang zu staatlichen Informationen fest in der Rechtsordnung verankert sind, scheint dies wie ein Rückfall in vordemokratische Zeiten und bietet einen idealen Nährboden für Verschwörungstheorien.

Das Bild relativiert sich allerdings, wenn man bedenkt, dass die Regeln der internationalen Diplomatie schon immer andere waren als die der innerstaatlichen Willensbildung in demokratischen Staaten. Verhandlungen über Handelsverträge und andere bedeutende internationale Abkommen finden seit jeher "geheim" statt. Das macht auch durchaus Sinn, denn permanenter öffentlicher Druck würde den Handlungsspielraum der Regierungen einschränken und die ohnehin oft schwierigen Verhandlungen zusätzlich erschweren.

Die Demokratie in Europa ist durch diese diplomatische Praxis bislang nicht ernsthaft gefährdet worden und es steht nicht zu erwarten, dass TiSA daran etwas ändern wird. Sollte es zu einem Verhandlungsergebnis kommen, bedarf dieses vor seinem Inkraftreten der Zustimmung der europäischen Institutionen und ggf. auch der Mitgliedstaaten. Spätestens dann besteht auch hinreichend Gelegenheit zu öffentlicher Diskussion. Im Übrigen hat die Europäische Kommission auf die Kritik an der mangelnden Transparenz des bisherigen Verfahrens reagiert und veröffentlicht bereits jetzt regelmäßig eigene Positionspapiere und weitere Informationen zum Stand der TiSA-Verhandlungen auf ihrer Webseite.

Zitiervorschlag

Alina Nowosjolowa und Dr. Christian Hamann , Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen: Keine Angst vor TiSA . In: Legal Tribune Online, 15.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18787/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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