Tagesmutter in einer Eigentumswohnung: Der BGH ist nicht kinderfeindlich

von Dominik Schüller

16.07.2012

Mit einem Aufschrei über das "kinderfeindliche Deutschland" kommentieren die Medien das jüngste Urteil des BGH. Dabei ging es doch nur um das Wohnungseigentumsrecht. Von einem pauschalen Verbot, als Tagesmutter in einer Wohnung tätig zu sein, kann gar nicht die Rede sein - im Gegenteil, meint Dominik Schüller.

Der Fall spielt in einer Wohnungseigentumsanlage in Köln. Eigentümer der einzelnen Wohnungen einer solchen Anlage ist regelmäßig nicht eine einzige Person. Im Extremfall ist jede Wohnung einem anderen Eigentümer zugeordnet. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) wird nach dem Wohnungseigentumsgesetz durch eine Teilungserklärung begründet. In dieser Erklärung können die Eigentümer festlegen, ob eine Wohnung zu Wohn- oder zu gewerblichen Zwecken genutzt werden darf.

In der Kölner Wohnanlage hatten sie entschieden, dass die Mieträume nur zum Wohnen genutzt werden sollten. Die Tagesmutter betreute in den von ihr gemieteten Räumen dennoch gewerblich bis zu fünf Kleinkinder. Dies mag mietrechtlich zulässig gewesen sein – worüber die Karlsruher Richter nicht zu entscheiden hatten –, wohnungseigentumsrechtlich war es nach Auffassung des BGH allerdings nicht gestattet (Urt. v. 13.07.2012, Az.: V ZR 204/11).

Besonderheiten des Wohnungseigentumsrechts

Der BGH entschied, dass die Tätigkeit als Tagesmutter die Ausübung eines Gewerbes oder eines Berufes in der Wohnung sei. Damit widersprach sie der Teilungserklärung der WEG. Denn ein Mieter darf die Wohnung natürlich nicht in einem weiteren Umfang nutzen, als dies der jeweilige selbstnutzende Eigentümer dürfte.  Entscheidend war jedoch, dass die WEG bereits 2009 mehrheitlich beschlossen hatte, die Betreuung von Kindern in ihren Wohnungen zu untersagen. Diesen Beschluss hatte die Tagesmutter nicht angegriffen, so dass er unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit bestandskräftig geworden war.

Das ist eine Besonderheit des Wohnungseigentumsgesetzes. Beschlüsse, die die WEG fasst, sind grundsätzlich wirksam, wenn sie nicht innerhalb eines Monats gerichtlich angefochten werden. Nur ein Urteil kann einen Beschluss für unwirksam erklären.

Eine solche Anfechtungsklage hatte der Eigentümer der an die Tagesmutter vermieteten Wohnung nicht eingelegt. Ist die Frist aber erst einmal verstrichen, kann der Beschluss nicht mehr angegriffen werden. Zudem hatte er die Betreuungstätigkeit der Tagesmutter nicht von den übrigen Miteigentümern genehmigen lassen. Daher war es wohnungseigentumsrechtlich zutreffend, die Tätigkeit zu untersagen.

Kein grundsätzliches Verbot für Tagesmütter

Der BGH stellte in seiner Presseerklärung ausdrücklich klar, dass das Urteil keine Entscheidung darüber trifft, ob eine Tagesmutter grundsätzlich in einer Wohnung Kinder betreuen darf. Im Einzelfall könnte sogar ein Anspruch gegenüber der WEG bestehen, die Tätigkeit als Kinderbetreuer zu genehmigen. Darüber hatten die Bundesrichter aber nicht zu entscheiden.

Das Urteil ist daher kein Grundsatzurteil gegen die Tätigkeit einer Tagesmutter in einer Wohnung. Es hält sich lediglich an die Regeln des Wohnungseigentumsrechts. Ebenso trifft die Entscheidung keine Aussage darüber, ob Tagesbetreuung für Kleinkinder mietrechtlich zulässig ist. Die Tätigkeit eines Maklers zum Beispiel kann nach Ansicht des BGH eine gewerbliche Nutzung sein, die unter Umständen neben der Nutzung der Räume als Wohnung zulässig ist (Urt. v. 14.07.2009, Az.: VIII ZR 165/08).

Tagesmüttern ist zu raten, sich ihre Tätigkeit prophylaktisch im Mietvertrag genehmigen zu lassen. So lässt sich Streit mit dem Vermieter vermeiden. Wenn es sich um eine WEG handelt, sollte der Vermieter auch versichern, dass die übrigen Miteigentümer die geplante Nutzung akzeptieren. Im Zweifelsfall sollte sich die Tagesmutter sogar einen Genehmigungsbeschluss vorlegen oder verbindlich zusichern lassen. Sonst kann es ein böses Erwachen geben, wenn nämlich die Miteigentümer sich als kinderfeindlich erweisen sollten. Die Entscheidung des BGH ist es jedenfalls nicht.

Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Wohn- und Gewerbemietrecht, WEG sowie Immobilienrecht in der Kanzlei SAWAL Rechtsanwälte & Notar in Berlin.

Zitiervorschlag

Dominik Schüller, Tagesmutter in einer Eigentumswohnung: Der BGH ist nicht kinderfeindlich . In: Legal Tribune Online, 16.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6623/ (abgerufen am: 17.04.2024 )

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