Kritik an der Societas Unius Personae: Dra­ma­ti­sie­rung des Unspek­ta­ku­lären

von Prof. Dr. Michael Beurskens

23.05.2016

Seit den "Panama Papers" hat Kritik an der geplanten europäischen "Societas Unius Personae" Konjunktur. Dabei handelt es sich um ein wenig bemerkenswertes Projekt, das die Gründung von Briefkastenfirmen nicht leichter macht, als sie ohnehin ist.

Briefkastenfirmen mit Segen der EU – so oder ähnlich fallen viele Kommentare zu den europäischen Plänen für eine "Societas Unius Personae" (SUP) aus. Deutschland, seit jeher Gegner des Vorhabens, sieht sich in seiner Kritik seit Veröffentlichung der "Panama Papers" bestärkt. Die einfache und anonyme Gründung von im Ausland registrierten Gesellschaften, mit denen sich fragwürdige Geschäfte verschleiern lassen, müsse bekämpft und nicht gefördert werden. Diesem Ziel würde die SUP diametral entgegenstehen.

Die Motivation zu ihrer Schaffung war indes eine andere. Ursprünglich, das heißt im Juni 2008, sollte eine "Societas Privata Europaea" (SPE) die bis heute kaum genutzte "Societas Europaea" (SE) komplementieren. Der entsprechende Verordnungsentwurf wurde nach langer und letztlicher fruchtloser Diskussion in Rat und Parlament jedoch 2014 wieder zurückgezogen – besonders Deutschland hatte die Pläne und sämtliche Kompromissvorschläge der Kommission als unzureichend kritisiert.

Die SUP als Sonderform nationaler Einpersonengesellschaften

Nach diesem vorläufigen Scheitern entschloss man sich zu einem anderen Weg: Statt die SUP als neue Rechtsform per Verordnung zu schaffen, sollten nur die nationalen Einpersonengesellschaften (also die deutsche UG (haftungsbeschränkt), die britische Limited, etc.) unter erheblichem Ausbau einer EU-Richtlinie aus den 1980er-Jahren einer stärkeren Harmonisierung unterworfen werden. Wenn sich der einzige Gesellschafter für diese vereinheitlichten Regeln entscheidet, soll die Gesellschaft (egal ob GmbH oder Limited) als "Societas Unius Personae" firmieren dürfen. In der Praxis würden davon vor allem große Konzerne profitieren, die ihre Tochtergesellschaften in verschiedenen europäischen Staaten identisch strukturieren und somit Verwaltungsaufwand und Beratungskosten sparen könnten. Es wird jedoch niemand zur SUP gezwungen: Die streng harmonisierten Regeln sollen nach dem Konzept der EU-Kommission nur auf Wunsch des Gründers eingreifen, dieser darf auch andere (insb. die traditionellen) Regeln der Mitgliedstaaten wählen, dann aber nicht als "SUP" auftreten.

Das europäische Gesetzgebungsverfahren wurde von umfangreicher Kritik aus Deutschland und Österreich begleitet und das zunächst recht weitreichende Grundkonzept der Kommission bereits an vielen Stellen aufgeweicht. Als inakzeptabel gelten jedoch weiterhin zwei Punkte: Erstens die Möglichkeit, den Satzungssitz in einem anderen Staat als dem Verwaltungssitz zu wählen (d.h. als Gesellschaft britischen Rechts ausschließlich in Deutschland tätig zu werden) und zweitens die vorgesehene Registrierung auf elektronischem Weg ohne die Pflicht, vor einer nationalen Stelle zu erscheinen. Diese beiden Punkte würden die Gründung sogenannter Briefkastenfirmen erheblich erleichtern, fürchten die Gegner des Vorhabens.

Auseinanderfallen von Verwaltungs- und Satzungssitz schon heute zulässig

Tatsächlich würde sich dadurch jedoch wenig am Status quo ändern. Denn die Neugründung einer Gesellschaft, die in einem anderen Land registriert ist als in demjenigen, in dem sie ihre Geschäfte betreibt, ist auch heute schon möglich. Der EuGH hat das Recht hierzu in der Entscheidungstrias Centros – Überseering – Inspire Art unmittelbar aus der Niederlassungsfreiheit hergeleitet. Ein Deutscher darf also schon jetzt eine britische Limited gründen, um Geschäfte in Frankreich zu treiben – und umgekehrt. Dasselbe würde auch für die britische SUP gelten, die nach den aktuellen Plänen nur eine besondere Form der Limited wäre (genauso, wie die deutsche SUP nur eine besondere GmbH wäre). Der deutsche Gesetzgeber erlaubte vor diesem Hintergrund 2008 auch für "seine" GmbH die Trennung von Satzungs- und Verwaltungssitz durch Aufhebung des früheren § 4a Abs. 2 GmbHG.

Dennoch ist die deutsche Sorge in den EU-Gremien nicht unbeachtet geblieben – der Rat hat die ausdrückliche Zulassung der Trennung von Satzungs- und Verwaltungssitz aus dem Entwurf der Richtlinie gestrichen, ohne allerdings (wie bei der Societas Europaea) eine Pflicht zur Vereinheitlichung von Verwaltungs- und Satzungssitz anzuordnen. Damit würde es auch für die SUP bei den vom EuGH aufgestellten, ungeregelten Grundsätzen und der damit einhergehenden (erwünschten) Rechtsunsicherheit bleiben.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Michael Beurskens, Kritik an der Societas Unius Personae: Dramatisierung des Unspektakulären . In: Legal Tribune Online, 23.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19445/ (abgerufen am: 17.04.2024 )

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