Splittingtarif auch für Lebenspartner: In guten wie in schlechten Zeiten

von Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M.

15.08.2012

Selbst Stimmen aus der CDU wollen nach den jüngsten Entscheidungen des BVerfG zur steuerlichen Diskriminierung Homosexueller die eingetragene Lebenspartnerschaft auch im Einkommensteuerrecht der Ehe gleichstellen. Verfassungsrechtlich die einzige Option, meint Nina Dethloff. In der Umsetzung könne das nur den Abschied vom Ehegattensplitting bedeuten - wenn nicht weiterhin Frauen diskriminiert werden sollen.

Es geht Schlag auf Schlag: Erst vor kurzem hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Ungleichbehandlung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe beim beamtenrechtlichen Familienzuschlag für verfassungswidrig erklärt. Jetzt erfasst das Verdikt der Verfassungswidrigkeit auch die Ungleichbehandlung im Grunderwerbsteuerrecht.

Beide Entscheidungen stellten mit Rückwirkung fest, dass die Privilegierungen der Ehe mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar seien. Die Vorschriften waren bereits geändert worden. Schrittweise verlieh der Gesetzgeber Lebenspartnern zuerst in der Grundsicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung, dann in der Hinterbliebenenversorgung des öffentlichen Dienstes sowie der Erbschaft- und Schenkungsteuer die gleichen Rechte wie Ehegatten.

Kein Wunder also, dass ein zentraler Bereich aktuell in den Blickpunkt rückt, in dem Lebenspartner nach wie vor diskriminiert sind: Im Einkommensteuerrecht werden Lebenspartner wie Ledige behandelt, eine Zusammenveranlagung ist anders als bei Ehegatten ausgeschlossen.

Einander wie Ehegatten zum Unterhalt verpflichtet

Selbst in den Reihen der CDU wird nun gefordert, das Ehegattensplitting auf eingetragene Lebenspartner zu erstrecken. Nach geltendem Recht wird bei Ehepaaren das gemeinsame Einkommen beiden Partnern je zur Hälfte zugerechnet und entsprechend mit einem niedrigeren Steuersatz besteuert. 

In der Tat ist eine Schlechterstellung der Lebenspartnerschaft im Einkommensteuerrecht mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar und eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts daher zu erwarten.

Wiederholt hat der Erste Senat – und jüngst auch der Zweite – festgestellt, dass der Grad der rechtlichen Bindung und die gegenseitigen Einstandspflichten von Lebenspartnern denen von Ehegatten gleichen. Lebenspartner sind einander wie Ehegatten zum Unterhalt verpflichtet. Anders als bei jenen werden ihre Unterhaltsaufwendungen aber nicht durch mögliche Progressionsvorteile abgegolten.

Freie Aufgabenteilung in der Beziehung – auch für Lebenspartner

Klar ist, dass der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG es nicht rechtfertigen kann, die eingetragene Lebensgemeinschaft schlechter zu stellen. Ein besonderer, über die abstrakte Förderung der Ehe hinausgehender sachlicher Rechtfertigungsgrund fehlt - auch im Einkommensteuerrecht.

Das Ehegattensplitting knüpft nämlich nicht etwa an die abstrakte Eignung der Ehe an, Grundlage der Generationenfolge zu sein. Insbesondere macht das geltende Recht die Zusammenveranlagung von Ehegatten nicht davon abhängig, ob aus der Ehe gemeinsame Kinder hervorgegangen sind.

Vielmehr sollte die gleiche Besteuerung von Ehepaaren mit gleichem Gesamteinkommen den Ehegatten ermöglichen, frei über die Aufgabenteilung in der Beziehung zu entscheiden. In diesem Entschluss aber sind auch Lebenspartner frei. Auch im Einkommensteuerrecht haben sie also einen Anspruch auf Gleichbehandlung gegenüber Ehegatten.

Gleiche Rechte, aber kein Ehegattensplitting

Das heißt aber keineswegs, dass das Ehegattensplitting notwendig auf sie zu erstrecken wäre. Weder ist zwingend, dass das BVerfG, dies dem Gesetzgeber aufgibt, noch empfiehlt sich das.

Das Ehegattensplitting setzt einen Anreiz für den Erwerbsverzicht des einen Ehepartners, und zwar in der Regel der Frau. Nach wie vor existieren erhebliche Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen. Ihre steuerpflichtige Erwerbstätigkeit kompensiert zunächst nur die ansonsten bestehenden Splittingvorteile. Es liegt auf der Hand, dass der Verzicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit für die Frau mit vielfältigen Nachteilen verbunden. Das Ehegattensplitting bewirkt also eine faktische Diskriminierung von Frauen.

Es ist schon lange an der Zeit, das überkommene Institut durch eine familiengerechte Form der Besteuerung zu ersetzen, die alle Familien erfasst. Und zwar solche, die auf einer Ehe beruhen, ebenso wie die auf einer Lebenspartnerschaft gegründeten. Zugute käme eine solche Besteuerung dann gerade der wachsenden Zahl von Lebenspartnerschaften, in denen Kinder aufwachsen.

Ehe, nur nicht dem Namen nach

Würden die letzten Unterschiede zwischen eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe wie verfassungsrechtlich geboten beseitigt, bliebe nur die unterschiedliche Bezeichnung.

Juristen wissen: falsa demonstratio non nocet. Rechtsklarheit wäre aber wünschenswert, zumal auch eine unterschiedliche Bezeichnung für ein identisch ausgestaltetes Rechtsinstitut eine Diskriminierung darstellen kann. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche rechtliche Bezeichnung besteht nicht. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich längst der Begriff der Homo-Ehe etabliert.

Sozialer Wandel kann auch zu einem Verfassungswandel führen. Die im Grundgesetz geschützte Ehe muss daher nicht auf Dauer die zwischen Mann und Frau sein. Acht europäische Staaten haben inzwischen eine geschlechtsneutrale Ehe geschaffen, in mindestens weiteren fünf wird derzeit darüber diskutiert. Noch bildet Deutschland nicht das Schlusslicht.

Die Autorin Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M. ist Direktorin des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht der Universität Bonn. Sie ist Verfasserin zahlreicher Veröffentlichungen zum Familienrecht.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M., Splittingtarif auch für Lebenspartner: In guten wie in schlechten Zeiten . In: Legal Tribune Online, 15.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6833/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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