Mietrechtrechtliche Streitigkeiten um Balkonnutzung: Grillen, chillen und nackte Tat­sa­chen

von Dominik Schüller

15.08.2013

Sommerzeit ist Balkonzeit, gerade für Mieter. Ein Glas Bier oder Wein, ein paar Freunde, die zum Grillen vorbeikommen, ein laues Lüftchen, das in der Hitze kühlt: so einfach könnte die perfekte Freiluftidylle sein, wenn, ja, wenn da nicht das Mietrecht wäre, das einen Strich durch die Rechnung zu machen droht. Dominik Schüller zeigt auf, was beim Urlaub auf Balkonien erlaubt ist, und was nicht.

Eine positive Botschaft für Mieter vorab: Sind eine Terrasse oder ein Balkon von der Wohnung aus betretbar, sind die betreffenden Flächen grundsätzlich auch vom Mietvertrag umfasst und dürfen vom Mieter genutzt werden. Eine ausdrückliche Vereinbarung ist hier regelmäßig nicht nötig, wie etwa vom Amtsgericht (AG) Eschweiler entschieden (Urt. v. 19.05.1994, Az. 5 C 114/94).

Anders ist dies bei der Nutzung eines Gemeinschaftsgartens. Ist eine Gartennutzung nicht ausdrücklich erwähnt, steht dem Mieter zumindest kein alleiniges Nutzungsrecht zu. Ob der Mieter den Garten gemeinschaftlich mit allen anderen Mietern nutzen kann, wird von Gerichten unterschiedlich beurteilt. Zumindest das Berliner Kammergericht (KG) ist der Auffassung, dass bei fehlender vertraglicher Regelung der Gartennutzung eine Gestattung durch den Vermieter frei widerruflich ist. Das heißt, dass der Vermieter eine weitere Nutzung jederzeit untersagen kann (Urt. v. 14.12.2006, Az. 8 U 83/06).

Grillen: Im Grundsatz erlaubt, aber wie oft ist zu oft?

Grillen ist in Deutschland zum Volkssport geworden. Dies sehen offensichtlich auch die meisten Gerichte so und gestatten Mietern in normalem Umfang gelegentlich auf dem Balkon zu grillen (AG Berlin-Mitte, Urt. v. 07.01.2010, Az. 25 C 159/09). An eine mietvertragliche Klausel, die das Grillen auf Balkon oder Terrasse ausdrücklich verbietet, muss sich der Mieter nach Meinung des Landgerichts (LG) Essen allerdings halten (Urt. v. 07.02.2002, Az.: 10 S 438/01).

Bei Missachtung des Grillverbots riskiert er sogar eine Kündigung (LG Essen, Urt. v. 07.02.2002, Az. 10 S 438/01). Zudem muss auch auf die Belange der Mitmieter Rücksicht genommen werden. Werden diese durch Qualm, Rauch oder Gestank belästigt, darf ebenfalls nicht gegrillt werden.

Unklar ist, wie oft und lange der Mieter grillen darf. Die Meinungen gehen von einmal monatlich in der Zeit von April bis September (AG Bonn, Urt. v. 29.04.1997, Az. 6 C 545/96) bis zu zehn Mal im Jahr (AG Westerstede, Urt. v. 30.06.2009, Az. 22 C 614/09). Hier wird jeder Richter anders entscheiden, klare Richtlinien dürften kaum möglich sein. Als Mieter sollte man es daher nicht mit dem Grillen übertreiben, insbesondere wenn Nachbarn sich belästigt fühlen. Dann ist Streit vorprogrammiert und man trifft sich nicht bei Bier und Steak, sondern vor Gericht.

Partys, Zigaretten und nackte Tatsachen

Auch bei einer Party darf der Balkon grundsätzlich mit genutzt werden. Hierbei müssen jedoch die gesetzlichen Lärmgrenzwerte eingehalten werden, sonst steht schnell die Polizei vor der Tür und beendet die Feier. Wer es hierbei übertreibt, kann mit Abmahnungen seines Vermieters bis hin zu Kündigungen rechnen (z.B. AG Brühl, Urt. v. 12.05.1995, Az. 23 C 469/94). Auch das Rauchen auf dem Balkon ist grundsätzlich erlaubt, solange sich Mitmieter nicht belästigt fühlen. Diese können jedoch unter Umständen die Miete mindern (etwa um 5 Prozent, nach einem Urteil des LG Hamburg v. 15.06.2012, Az. 311 S 92/10).

Ebenso problematisch ist die Nutzung der Freiluftflächen als ausgelagertes Schlafzimmer. Dies musste ein Pärchen vor dem AG Bonn am eigenen Leibe erfahren (Urt. v. 17.05.2006, Az. 8 C 209/05). Offensichtlich hatten die beiden es sich auf der Terrasse mehr als gemütlich gemacht und nicht darauf geachtet, dass ihr Liebesspiel von Mitmietern beobachtet worden war, die hiervon zu Beweiszwecken sogar Fotos anfertigten.

Der Vermieter nahm dies zum Anlass, eine Abmahnung auszusprechen. Hiergegen wehrte sich das Pärchen vergeblich vor Gericht. Zwar mussten die Fotos herausgegeben werden, das allgemeine Persönlichkeitsrecht sei jedoch nicht verletzt worden, da sich die sexuellen Handlungen in einem für die Nachbarn frei einsehbaren Bereich abgespielt hätten. Das Gericht war der Meinung, dass durch diese ein öffentliches Ärgernis erregt werden könne, zumal sich in unmittelbarer Nähe zwei Kinderspielplätze befanden.

Fazit: Sex auf dem Balkon kann Ärger mit dem Vermieter nach sich ziehen. Besser hat man es da in Merzig im beschaulichen Saarland. Das dortige Amtsgericht hat zumindest das Nacktsonnen nicht als Störung des Hausfriedens angesehen (Urt. v. 05.08.2005, Az. 23 C 1282/04).

Katzennetze und Cannabisanbau

Angesichts solcher Fälle könnte man als Mieter auf den Gedanken kommen, seinen Balkon durch einen Sichtschutz zu verhüllen oder sonst in einen privaten Raum zu verwandeln. Hier ist die Rechtsprechung jedoch relativ strikt. Bis zur Höhe des Handlaufs dürfen Mieter an ihrem Balkongeländer nach Meinung des Amtsgerichts Köln einen Sichtschutz anbringen (Urt. v. 15.09.1998, Az. 212 C 124/98). Ein sehr auffälliger Sichtschutz, Katzennetze (AG Berlin-Neukölln, Urt. v. 12.04.2012, Az. 10 C 456/11)  oder vollflächige Verglasungen (AG München, Urt. v. 11.07.2012, Az. 472 C 7527/12) sind hingegen nicht gestattet.

Das Anbringen von Rankgitter an der Balkonseitenwand erlaubt das Amtsgericht Berlin-Schöneberg (Urt. v. 19.08.1985, Az. 6 C 360/85), nicht jedoch, wenn dieses für den Cannabisanbau genutzt werden soll (Urt. v. 06.09.2001, Az. 4 S 127/01).

Doch trotz der einen oder anderen Einschränkung gibt es auch gute Nachrichten für alle Griller, Raucher und Nacktsonner: Eine von der Landeshauptstadt München erhobene Sondernutzungsgebühr für Balkone, die in den öffentlichen Straßenraum ragen, hielt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für rechtswidrig (Urt. v. 22.11.2006, 8 BV 05.1918).

Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Immobilienrechtskanzlei SAWAL Rechtsanwälte & Notar in Berlin.

Zitiervorschlag

Dominik Schüller, Mietrechtrechtliche Streitigkeiten um Balkonnutzung: Grillen, chillen und nackte Tatsachen . In: Legal Tribune Online, 15.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9362/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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