Social Media und die Verbreitung von Beiträgen anderer: Teilen macht Freude – und manchmal auch Ärger

von Dr. Stephan Dittl

10.06.2017

2/2: Wie macht man sich den Beitrag eines Dritten zu eigen?

In den genannten Entscheidungen stellen die Gerichte zu Recht darauf ab, ob sich der Nutzer den Beitrag eines anderen zu eigen gemacht hat. Nur dann ist es möglich, den Verbreiter selbst als Täter anzusehen, der seinerseits die Rechte des Betroffenen selbst verletzt.

Aber macht man sich den Inhalt eines Beitrags schon alleine dadurch zu eigen, dass man den Like-Knopf bedient? Vergleicht man das Liken mit der analogen Welt, so verhält es sich nicht anders, als wenn ein Zuhörer einer Rede klatscht und anderen den Inhalt weitersagt. Täter einer Beleidigung kann aber nur sein, wer seine eigene Missachtung zum Ausdruck bringt  – und nicht bloß der Beleidigung eines Dritten zustimmt (BVerfG, Urt. v. 19. 4. 1990, Az. 1 BvR 40/86).

Die Tatsache, dass bei Verwendung der Like-Funktion auf Facebook immer noch sichtbar bleibt, wer den Beitrag verfasst hast, spricht damit klar gegen die Annahme des Zueigenmachens: Der Nutzer will nämlich in der Regel nicht, dass diese Aussage als seine eigene verstanden wird. Nichts anderes gilt für ein "Fav" auf Twitter – auch wenn es mittlerweile durch ein Herzchen statt wie früher durch ein Sternchen zum Ausdruck gebracht wird. Hier kommt hinzu, dass viele Nutzer die Funktion als Lesezeichen verwenden.

Durch das bloße Teilen oder "Retweeten" eines Beitrags bringt man noch viel weniger zum Ausdruck, dass man sich den Inhalt zu eigen macht. Häufig will man damit lediglich seine Freunde oder Follower über die Äußerung eines Dritten informieren. Manche Nutzer verdeutlichen dies dadurch, dass sie sich in ihrem Nutzerprofil ausdrücklich distanzieren: "RT ≠ Endorsement".

Anders kann der Fall dagegen liegen, wenn ein Nutzer den Beitrag eines Dritten kommentiert oder auf Twitter den Retweet mit einer eigenen Aussage versieht: Dann ist für eben diese eigene Äußerung zu prüfen, ob sie einen Straftatbestand verwirklicht oder die Rechte des Betroffenen verletzt. Die Bezugnahme auf den Beitrag eines Dritten mag dann bei der Auslegung eine Rolle spielen, besagt für sich gesehen jedoch nichts.

Haftung als Gehilfe oder Störer?

Die Weiterverbreitung des Ausgangsbeitrags beim Teilen, Liken oder Kommentieren betrifft dagegen einen ganz anderen Aspekt: Unabhängig davon, ob sich ein Nutzer den Inhalt zu eigen macht, sorgt er jedenfalls dafür, dass weitere Nutzer den Beitrag lesen werden. Insofern kommt eine Beihilfe zu einer Straftat in Betracht: Das Ausmaß der Rechtsverletzung wird durch die virale Verbreitung in einem solchen Maße gefördert, dass häufig erst hierdurch ein Problem für den Betroffenen entsteht. Allerdings sind die in Frage kommenden Straftatbestände wie etwa die Beleidigung im Zeitpunkt der Weiterverbreitung bereits vollendet. Eine strafrechtlich relevante Beihilfe scheidet daher ebenso aus wie eine zivilrechtliche Haftung hierfür. Außerdem müsste dem potentiellen Gehilfen stets nachgewiesen werden, dass er die Straftat des ursprünglichen Verfassers erkannte und fördern wollte – und nicht etwa aus anderen Motiven handelte.

Nicht ausgeschlossen ist es dagegen, dass der Verletzte den Weiterverbreiter im Wege der Störerhaftung in Anspruch nimmt und abmahnt. Als Störer haftet nämlich jedenfalls derjenige, der willentlich zu einer Rechtsverletzung beiträgt und etwaige Prüfpflichten verletzt. Gerade dann, wenn ein Nutzer  die Rechtswidrigkeit eines Beitrags erkennt und er diesen dennoch weiterverbreitet, kann der Betroffene demnach auch gegen den Verbreiter vorgehen.

Ob ein Geschädigter diesen Weg tatsächlich auf sich nimmt, steht auf einem anderen Blatt: Es liegt zweifellos näher, gegen die ursprüngliche Rechtsverletzung vorzugehen. Gerade in Anbetracht der noch schwankenden Rechtsprechung besteht aber keineswegs ein rechtlicher Freifahrtschein. Die Ausrede, der ursprüngliche Beitrag stamme doch von einem anderen, wird nicht immer ziehen.

Dr. Stephan Dittl ist Partner der Kanzlei SALGER Rechtsanwälte und als Lehrbeauftragter am EC Europa Campus, Frankfurt, tätig. Als Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht ist er häufiger in äußerungsrechtliche Auseinandersetzungen involviert.

Zitiervorschlag

Dr. Stephan Dittl, Social Media und die Verbreitung von Beiträgen anderer: Teilen macht Freude – und manchmal auch Ärger . In: Legal Tribune Online, 10.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23154/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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