17,98 Euro im Monat pro Wohnung und Betriebsstätte – damit finanzieren sich ARD, ZDF und das Deutschlandradio. Im Internet abrufbar sind viele Sendungen für die Beitragszahler in der Regel aber nur sieben Tage. Das wollen die Grünen irgendwie ändern. Die FDP will eine personenbezogene Abgabe, einzuziehen durch die Finanzämter. Die Piraten fürchten beim Meldedatenabgleich um ihre Daten.
Kein Jahr ist der neue Rundfunkbeitrag alt, da möchten die Liberalen ihn am liebsten schon wieder abschaffen. Seit Januar 2013 müssen pro Wohnung und Betriebsstätte 17,98 Euro im Monat gezahlt werden. Vorher war eine Rundfunkgebühr pro Gerät fällig. Eingeführt haben den neuen Beitrag die Länder durch den neuen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – beteiligt daran war also auch die FDP. Nun wollen die Liberalen den wohnungsbezogenen Beitrag durch eine personenbezogene Abgabe ersetzen, die zusammen mit der Einkommensteuer das Finanzamt einziehen soll.
Rundfunkabgabe sui generis
Am aktuellen Modell wie auch dem Vorschlag der FDP wird kritisiert, dass beides eigentlich eine gegenleistungsfreie Abgabe sei. Für die Einführung einer solchen Steuer aber sind die Länder nicht zuständig. Dem Bund fehlt es dagegen an der Rundfunkkompetenz. Den Rostocker Medienrechtler Hubertus Gersdorf überzeugt das Modell der Liberalen dennoch: "Ich denke, darauf bewegen wir uns zu. Es wäre der letzte Schritt weg von der ursprünglich gerätebezogenen Gebühr."
Die FDP hat den Juraprofessor als Sachverständigen für die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" benannt. Parteimitglied ist der Jurist aber nicht. Er räumt ein, dass erst einmal verfassungsrechtlich geklärt werden müsse, ob es so etwas wie eine Rundfunkabgabe sui generis gibt. Sie sieht aus wie eine Steuer, weil sie voraussetzungslos erhoben wird, ist aber keine Steuer, weil sie nicht in den allgemeinen Staatshaushalt fließt, sondern nur zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verwendet werden darf.
Die Abgabe mit der Einkommensteuer von den Finanzämtern einziehen zu lassen, hält Gersdorf für unproblematisch. "Die Staatsferne des Rundfunks würde das nicht beeinträchtigen. Das ist ja eine rein technische Aufgabe." Wie bei der Kirchensteuer müsse das Geld gesondert überwiesen und direkt an die Rundfunkanstalten weitergegeben werden.
2/2: Weitergabe der Meldedaten
Die Aufgaben der ehemaligen Gebühreneinzugszentrale (GEZ) übernimmt nun der ARD-ZDF-Deutschlandradio-Beitragsservice. Über einen Meldedatenabgleich erhält dieser von den Einwohnermeldeämtern Informationen über die Beitragspflichtigen. Übermittelt werden dabei etwa Name, Geburtsdatum und Adresse, aber auch frühere Nachnamen und Familienstand. Dem Passauer Juristen Ermano Geuer, der eine Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen den neuen Rundfunkbeitrag angestrengt hat , ist das zu viel. "Diese Fakten sind nicht notwendig, um den Rundfunkbeitrag zu erheben. Mit Vor- und Nachname sowie Geburtstag und -ort kann eine Person bereits eindeutig identifiziert werden."
Dem würden die Piraten wohl zustimmen. Sie wenden sich in ihrem Wahlprogramm gegen die Weitergabe der Meldedaten an den Beitragsservice.
Geuer hält es auch nicht für notwendig, dass der Beitragsservice Daten bei anderen Behörden als den Meldeämtern erheben kann. "Es geht ja nur um den Rundfunkbeitrag, nicht etwa darum, Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren."
Missbrauchsrisiko bei großen Datensammlungen
Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Hans Peter Bull ist dagegen 2010 in einem Gutachten, das er im Auftrag von ARD und ZDF erstellt hat, zu dem Ergebnis gekommen, dass der Meldedatenabgleich nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstößt. Der Schluss von der Größe der Datensammlung auf ihre Gefährlichkeit sei unbegründet.
Bull befürchtet auch nicht, dass die Daten missbraucht werden könnten, da diese einer strengen Zweckbindung unterliegen, die durch Löschungspflichten abgesichert ist. Die Möglichkeit, dass diese Regeln eventuell nicht eingehalten werden, sei reine Spekulation. In der jahrzehntelangen Geschichte der GEZ sei kein einziger Fall eines solchen Pflichtverstoßes vorgekommen. Es sei außerdem widersprüchlich, in der Diskussion um die beste Gestaltung von Rechtsvorschriften davon auszugehen, dass diese missachtet werden.
Dass die Mitarbeiter des Beitragsservice die Daten missbrauchen werden, will auch Geuer nicht unterstellen. Dennoch: "Die Häufung von Daten erhöht das Missbrauchsrisiko immer. Deshalb sollte man möglichst sensibel mit solchen Datensammlungen umgehen." Auch die Möglichkeit, nach dem Meldedatenabgleich auf Daten von Adresshändlern zurückzugreifen, gefällt Geuer nicht: "Der Beitragsservice begibt sich damit auf ein kommerzielles Level."
7-Tage-Löschpflicht
Ein weiteres Ärgernis für die Beitragszahler ist die Löschpflicht der öffentlich-rechtlichen Sender, die ihre Beiträge in der Regel nach sieben Tagen aus dem Netz nehmen müssen. Damit entsprechen sie der sogenannten Depublikationspflicht, die 2009 in den Rundfunkstaatsvertrag aufgenommen wurde. Sie sollte sicherstellen, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit dem Beihilferecht der EU vereinbar ist.
Die Grünen wollen diesem Löschen ein Ende setzen. Rechtsprofessor Gersdorf hält das im Prinzip für eine sinnvolle Überlegung. Für den Beitragszahler sei natürlich nicht nachzuvollziehen, dass Beiträge der Rundfunkanstalten, die er mitfinanziert hat, nur wenige Tage im Internet verfügbar sind. "Das ist auch nicht im Interesse der Informationsfreiheit."
Nach Ansicht des Medienrechtlers könnte man das Problem aber ganz einfach lösen: "Der öffentliche Rundfunk sollte nur noch das anbieten, was es so in dieser Qualität bei den Privaten nicht zu hören und sehen gibt." Solche Beiträge müssten dann selbstverständlich auch nicht depubliziert werden. Die Öffentlich-Rechtlichen sollten sich auf einen Mehrwert zu den privaten Anbietern reduzieren.
Das Leitbild des Vollversorgers auch online zu verfolgen, sei im Übrigen nicht nur ein Wettbewerbsproblem gegenüber den großen privaten Sendern und Verlagen. Bedroht sei vielmehr auch das Engagement von kleinen zivilgesellschaftlichen Anbietern, so Gersdorf. "Ohne pathetisch klingen zu wollen, aber es ist das erste Mal in der Menschheitsgeschichte, dass kleine Unternehmen so an der Massenkommunikation teilnehmen können. Dieses Potential darf nicht gefährdet werden."
Er schlägt ein Modell vergleichbar mit der Filmförderung vor. Die Landesmedienanstalten könnten Themen ausschreiben, für deren Umsetzung sich dann jeder bewerben könnte. "Warum sollte immer automatisch der öffentliche Rundfunk den Zuschlag bekommen?"
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Claudia Kornmeier, Wahlprogramme – Teil 5: Eine Rundfunkabgabe wie die Kirchensteuer . In: Legal Tribune Online, 21.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9400/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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