Regierung plant Pflicht zur Anzeige von Steuersparmodellen: Neue Regeln im Spiel "Hase gegen Igel"?

von Dr. Arne von Freeden, LL.M. (NYU)

25.10.2016

Steuerberater verdienen ihr Geld nicht zuletzt durch das Entwickeln immer neuer Steuersparmodelle. Bald könnten sie verpflichtet werden, diese den Finanzämtern anzuzeigen. Eine Verletzung der Berufsfreiheit sieht die Regierung darin wohl nicht.

Nach höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung ist es das Recht jedes Bürgers, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten im Rahmen der bestehenden Gesetze so einzurichten, dass möglichst wenig Steuern zu zahlen sind. Eine Steuerminimierung kann in Abhängigkeit vom Einzelfall ggf. durch den Einsatz von (legalen) "Steuersparmodellen" erreicht werden (z.B. Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft, die ein Seeschiff betreibt oder Geldanlage unter Einschaltung einer komplexen Struktur von ausländischen Kapitalgesellschaften und Investmentfonds zwecks Minimierung der Besteuerung der Zinserträge). Ein solches Steuersparmodell kann auf Lücken in den Steuergesetzen basieren, die der Entwickler des Modells (nicht aber der Steuergesetzgeber) erkannt hat. Der Steuergesetzgeber erkennt die Lücken in der Regel erst Jahre nach Nutzung des Modells, wenn sich die Verwaltung im Rahmen der Steuererklärung oder einer Außenprüfung mit der Steuergestaltung auseinandersetzen muss. Eine Schließung der Lücken durch eine Gesetzesänderung lässt den Spareffekt für die Vergangenheit unberührt, der Wettlauf zwischen (gut beratenen) Steuerpflichtigen und dem Gesetzgeber gleicht dem von Igel und Hase.

Wäre der Steuerpflichtige oder dessen Berater bereits im Zeitpunkt des Einsatzes eines Steuersparmodells zur einer Anzeige an die Verwaltung (nebst Erläuterung der Funktionsweise des Modells) verpflichtet, könnte das Rennen anders ausgehen. Gesetzeslücken könnten sehr viel schneller geschlossen, dem Sparmodell relativ kurz nach seiner ersten Verwendung die Grundlage entzogen werden. Es verwundert deshalb nicht, dass die Bundesregierung ausweislich jüngster Pressemeldungen beabsichtigt, eine solche Anzeigepflicht zeitnah einzuführen.

Anzeigepflicht seit Langem diskutiert, nie umgesetzt

Die Idee einer Anzeigepflicht für Steuergestaltungen ist nicht neu. Bereits im Jahr 2006 forderten Vertreter der Koalitionspartner unter Berufung auf den Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD, der u.a. einen verstärkten Kampf gegen Steuermissbrauch und Ausschöpfung der vorhandenen Steuerquellen durch effektiven und effizienten Steuervollzug vorsieht, die Einführung einer Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen zu prüfen (z.B. Bericht des Bundestags-Finanzausschusses zum JStG 2007 v. 06.11.2006, BT-Drs. 16/3368, S. 27 ff.). Die Bundesregierung erweiterte diesen Prüfauftrag auf inländische Steuergestaltungsmodelle (BT-Drs. 16/3368, S. 28).

Im Jahr 2007 empfahl der Finanzausschuss des Bundesrates im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Jahressteuergesetz 2008 die Einführung einer Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen (BR-Drs. 544/1/07 v. 11.9.2007). Durch die Anzeigepflicht sollte die Finanzverwaltung die Möglichkeit bekommen, legale, aber unerwünschte Gestaltungen früher als bisher zu erkennen, um zeitnah Maßnahmen auf Verwaltungsebene (z.B. Veröffentlichung der eigenen Rechtsauffassung zur steuerlichen Behandlung der Gestaltung) ergreifen oder Gesetzesänderungen anregen zu können.

Durch Einführung eines neuen § 138a Abgabenordnung (AO) sollten Vermarkter von Steuer(spar)gestaltungen verpflichtet werden, dem Bundeszentralamt für Steuern die Gestaltungen anzuzeigen. Eine Steuergestaltung sollte danach z.B. vorliegen, wenn dieselben Aufwendungen eines Steuerpflichtigen nach deutschem Steuerrecht und (zusätzlich) nach dem Steuerecht eines anderen Staates berücksichtigt werden können (§ 138a Abs. 1 Nr. 7 AO-Entwurf 2007). Dabei sollten nicht die Steuerpflichtigen anzeigepflichtig sein, sondern die "Vermarkter" der Gestaltung. Hierzu sollten z.B. die steuerlichen Berater, Banken oder Investmentgesellschaften gehören, die zur Entwicklung oder zum Vertrieb der Gestaltung beitragen. Eine Verletzung der Anzeigepflicht sollte mit einer Geldbuße von bis zu fünf Millionen Euro geahndet werden (§ 379a AO-Entwurf 2007).

Der Bundesrat übernahm den Vorschlag seines Finanzausschusses nicht (BR-Drs. 544/07 v. 21.9.2007), eine Anzeigepflicht für Steuergestaltungen wurde vom Gesetzgeber bislang nicht umgesetzt. Ursächlich hierfür dürfte auch die Kritik von Wirtschaftsverbänden und Kammern gewesen sein, die u.a. mit verfassungsrechtlichen Bedenken begründet wurde (betroffen sein könnten u.a. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die Berufsfreiheit und die Garantie des Eigentums).

Bedenken der Regierung scheinen ausgeräumt

Die Bundesregierung hat nach einem Bericht der SZ die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kritiker einer Anzeigepflicht durch das renommierte Max-Planck-Institut für Steuerrecht prüfen lassen. Die Gutachter sollen zu dem Ergebnis gekommen sein, dass die Verfassung einer steuerrechtlichen Anzeigepflicht für Steuersparmodelle nicht entgegensteht. Sie sollen sich auf das verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerungsgleichheit berufen, die nicht mehr gegeben sei, wenn es einzelnen Steuerpflichtigen gelänge, Gesetzeslücken zu ihren Gunsten auszunutzen. Insoweit dürften die verfassungsrechtlichen Bedenken aus Sicht der Regierung aus dem Weg geräumt sein.

Nach meiner Einschätzung wird der Gesetzgeber eine Anzeigepflicht für Steuergestaltungen einführen. Unter Berücksichtigung der in jüngster Vergangenheit in das Licht der Öffentlichkeit gelangten Steuersachverhalte (z.B. Liechtenstein-Stiftungen; Cum/Ex-Transaktionen; Luxemburg-Leaks; Panama-Papers) werden es die Kritiker schwer haben, mit ihren Argumenten durchzudringen. Eine solche Anzeigepflicht wäre auch keine typisch deutsche Regelung, andere Steuerrechtsordnungen kennen ähnliche Verpflichtungen bereits seit Jahren (z.B. US-amerikanische tax shelter disclosure regulations).

Zu hoffen bleibt, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen einer Anzeigepflicht hinreichend bestimmt formulieren wird. Im Hinblick auf das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit bei einer Pflichtverletzung wäre eine mangelnde Bestimmtheit m.E. verfassungsrechtlich äußerst bedenklich. Möglicherweise wird das Bundesverfassungsgericht in einigen Jahren entscheiden müssen, ob – wie von den Kritikern m.E. mit guten Argumenten vorgetragen – eine Anzeigepflicht für Steuergestaltungen mit der Verfassung kollidiert. Überlegenswert erscheint, die Anzeigepflicht (zumindest in einem ersten Schritt) ausschließlich an grenzüberschreitende Gestaltungen zu knüpfen, die erfahrungsgemäß äußerst komplexer sind als nationale Strukturen.

Der Autor RA / StB Dr. Arne von Freeden, LL.M. (NYU) ist Partner bei Flick Gocke Schaumburg, Bonn/Hamburg.

Zitiervorschlag

Dr. Arne von Freeden, LL.M. (NYU), Regierung plant Pflicht zur Anzeige von Steuersparmodellen: Neue Regeln im Spiel "Hase gegen Igel"? . In: Legal Tribune Online, 25.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20964/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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