Reform des Bauvertragsrechts: Es bleibt kein Stein auf dem anderen

von Dr. Paul Popescu

14.03.2017

2/2: Abschlagszahlungen, Kündigung, fiktive Abnahme und Schlussrechnung

Abschlagszahlungen richten sich nicht mehr nach einem erlangten Wertzuwachs des Bestellers, sondern nach dem Wert der Vertragsleistungen, abzüglich eines angemessenen Betrags bei Mängeln. Das Kündigungsrecht "aus wichtigem Grund" wurde gesetzlich kodifiziert. Inhaltlich neu ist die Beschränkungsmöglichkeit der Kündigung auf einzelne abgrenzbare Teile des Werks. Die fiktive Abnahmewirkung kann mit der schlichten Behauptung eines einzigen Mangels verhindert werden. Verlangt der Unternehmer eine gemeinsame Zustandsfeststellung und bleibt der Besteller dem Termin unentschuldigt fern, wird vermutet, dass der behauptete Mangel erst nach der Zustandsfeststellung aufgetreten ist.

Insgesamt kann der Besteller die Abnahme auf Basis der Neuregelungen unberechtigt weit nach hinten hinauszögern. Vergleichbar mit der VOB/B wird die Vergütung neben der Abnahme erst nach Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung fällig. Die Rechnung gilt als prüfbar, wenn nicht innerhalb von 30 Tagen nach Zugang hiergegen begründete Einwendungen erhoben werden.

Weitere Änderungen, Inkrafttreten

Die kaufrechtlichen Regressansprüche zwischen Unternehmern bei Aus- und Einbaukosten wurden erweitert. Mit dem gänzlich neu geregelten Verbraucherbauvertrag genießt der Verbraucher gewisse Formerfordernisse, ein Widerrufsrecht sowie Ansprüche auf eine Baubeschreibung und Aushändigung bestimmter Unterlagen. Hinsichtlich des kodifizierten Bauträgervertrags beendet der Gesetzeswortlaut nur scheinbar die praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten   des typengemischten Vertragstyps. Indem das Gesetz eine Aufspaltung der Vertragspflichten in einen werkvertraglichen und einen kaufrechtlichen Teil vornimmt, entstehen erst Recht Unklarheiten hinsichtlich der sonst nicht eindeutig zuordenbaren Obligationen des Bauträgers. Neu im Architekten- sowie Ingenieursvertrag ist der – im Fachjargon als "Leistungsphase 0" bezeichnete – Projektfindungsabschnitt. Stehen die Eckpunkte des durchzuführenden Bauvorhabens anfänglich nicht komplett fest und sind diese vom Architekten/Ingenieur noch auszuarbeiten, steht dem Besteller ein Sonderkündigungsrecht nach Erfüllung dieser Planungsaufgabe zu.

Das Gesetz tritt in der gegebenen Form zum 1. Januar 2018 in Kraft. Der Bundesrat kann noch binnen drei Wochen den Vermittlungsausschuss anrufen, allerdings nur hinsichtlich der prozessrechtlichen Vorschriften des Gesetzes. Sollte der Bundesrat von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, würden die streitigen Punkte vermutlich vom übrigen Reformpaket abgetrennt und erst in der nächsten Legislaturperiode behandelt.

Reform lässt viele Fragen unbeantwortet

Grundsätzlich ist gegen die gesetzliche Kodifizierung eines eigenständigen Bauvertragsrechts nichts einzuwenden. Allerdings ziehen neu erlassene Gesetze nicht selten viele ungeklärte Fragen sowie unangemessene Regelungen nach sich.

Von dieser Regel bildet leider auch die aktuelle Bauvertragsreform keine Ausnahme. Die angesprochenen Punkte (Fehlende Anordnung erfolgsnotwendiger Änderung, geteilte Planungsverantwortung, Baustellenstillstand während der Güteverhandlungen, Insolvenzausfallrisiko bei Abschlagzahlung) sind nur einige Beispiele für die in Zukunft zu erwartenden Rechtsunsicherheiten. Die Möglichkeit zur Abrechnung auf Ist-Kosten-Basis sowie die 80 prozentige Abschlagszahlungsregelung stellen zudem ein scharfes Schwert zugunsten des Unternehmers dar.

Damit scheinen die Verhandlungspositionen des Bestellers innerhalb der 30 Tage-Frist eindeutig geschmälert zu sein. Die Klärung all dieser Fragen dürfte die Gerichte auf Jahre hinaus beschäftigen – ebenso wie die Bearbeitung der einstweiligen Verfügungsanträge, die wohl gerade in der Anfangszeit in großer Zahl eingehen dürften.

Dr. Paul Popescu ist Rechtsanwalt bei CMS in Deutschland und dort schwerpunktmäßig im Baurecht tätig.

Zitiervorschlag

Dr. Paul Popescu, Reform des Bauvertragsrechts: Es bleibt kein Stein auf dem anderen . In: Legal Tribune Online, 14.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22366/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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