Abmahnwelle gegen Redtube-Nutzer: Vom Leerlaufen des Richtervorbehalts

3/3: Das Landgericht mauert

Mindestens genauso interessant ist derzeit allerdings die Frage, wie die abmahnende Rechteinhaberin an die den Auskunftsanträgen zugrunde liegenden IP-Adressen gekommen ist. Die bisher öffentlich gemachten Antragsschriften bleiben hierzu im Vagen. Dort wird eine Überwachungssoftware (GLADII 1.1.3.) genannt, mit der angeblich die Teilnahme von Nutzern sogenannter Download-Portale für Filme im Internet überwacht werden kann. Wie diese Software genau funktioniert, steht jedoch nicht im Antrag. Dies soll sich aus einem der Antragsschrift beigefügten Gutachten der Patentanwaltskanzlei Diehl & Partner ergeben. Die Herausgabe des Gutachtens verweigert das Landgericht Köln jedoch. Eine Einsicht in das Gutachten könne von Seiten der Pressestelle nicht gewährt werden. Über die Akteneinsicht Dritter – auch der Medien – entscheide allein der Kammervorsitzende, so die Begründung des Pressesprechers auf Anfrage.

Allerdings gab er erste Auskünfte zu dem Inhalt des Gutachtens. Mit diesem habe festgestellt werden sollen, ob mit der im Auftrag der Rechteinhaberin eingesetzten Überwachungssoftware Download-Aktionen von im Internet betriebenen Medien-Hostern korrekt erfasst werden können. Hierbei sollen insbesondere die Identität der heruntergeladenen Datei, die Uhrzeit des Beginns des Downloads sowie die IP-Adresse des herunterladenden Computers Gegenstand der Überprüfung gewesen sein. Die Überprüfung soll anhand dreier Testdateien auf drei verschiedenen Webseiten (drtuber, tnaflix und xvideos) erfolgt sein, bei denen die Darstellung  der Videos im Webbrowser erfolgte.

Laut Gutachten sollen die hinterlegten Testdateien sodann von dem Gutachter mit verschiedenen Browsern abgerufen und die Uhrzeit protokolliert worden sein. Im Anschluss hieran habe der Gutachter über die Software GLADII 1.1.3 eine Übersicht der überwachten Medien-Hoster aufgerufen. Die Software habe eine Reihe von Informationen, unter anderem die IP-Adressen der Besucher der jeweiligen Seite, angeboten. Dabei seien auch die testweise erfolgten Abrufe der oben genannten Dateien angezeigt worden. Die protokollierten Zeiten und Aktionen sollen nach dem Inhalt des Gutachtens exakt mit den testweise durchgeführten Abrufen übereingestimmt haben. Nach der vom LG Köln gegebenen Zusammenfassung des Inhalts des Gutachtens beruhten die bei den Tests durchgeführten Aktionen "technisch auf üblichen Internet-Technologien, welche beim Einsatz in dem verwendeten Test-Szenario keine Bedenken hinsichtlich etwaigen Gesetzesverstößen erkennen ließen".

Gutachten könnte Klärung technischer Fragen bringen

Wie genau GLADII 1.1.3 an die IP-Adressen der Nutzer gelangt ist, bleibt trotz dieser Ausführungen im Dunkeln. Anders als beim Filesharing besteht beim Streaming in der Regel nur eine Verbindung zwischen dem Rechner des Nutzers und dem Server des Videoportals. Dritte – etwa die Rechteinhaber bzw. ihre Anwälte – können im Normalfall keine Daten über diese Verbindung abrufen. Klärung würde womöglich eine Freigabe des Gutachtens durch das LG Köln bringen. Die Weigerung des Gerichts in diesem Punkt ist schwer nachvollziehbar, zumal ein erhebliches öffentliches Interesse besteht und Gutachten dieser Art in der Regel keine der Veröffentlichung entgegenstehenden Daten Dritter beinhalten.

Denkbar ist allerdings auch, dass sich zu der Frage der IP-Ermittlung aus dem Gutachten gar nichts entnehmen lässt. Dann hätten die für die Gestattungsanordnungen zuständigen Kammern sich mit dem Problem auseinandersetzen müssen. In den bisher bekannten Beschlüssen ist dies gerade nicht erfolgt. Es wird interessant sein, zu erfahren, ob dies bei denjenigen Kammern, die im Gestattungsverfahren bei der antragstellenden Rechteinhaberin Rückfragen gestellt haben, geschehen ist. Jedenfalls aber wird an der aktuellen Abmahnwelle eines offenbar: In Massenverfahren mit komplexen technischen Fragestellungen droht der Richtervorbehalt seinen Zweck zu verfehlen, wenn die Justiz – vielleicht auch in Folge fehlenden Personals – auf die Bewältigung der Verfahren nicht hinreichend eingerichtet ist.

Der Autor Carl Christian Müller, LL.M. ist Rechtsanwalt und Mitgründer der Kanzlei MMR Müller Müller Rößner, Berlin, die unter anderem auf das Medienrecht, das Presse- und Äußerungsrecht, das Breitbandkabelrecht und das Urheberrecht spezialisiert ist. Er fungiert zudem als Justiziar des Deutschen Medienverbandes (DMV) und Betreiber des Themenblogs SOS-Abmahnung.de.

Zitiervorschlag

Carl Christian Müller, Abmahnwelle gegen Redtube-Nutzer: Vom Leerlaufen des Richtervorbehalts . In: Legal Tribune Online, 12.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10344/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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