Spionage in den USA und Deutschland: The road to PRISM

von Prof. Andrew Hammel, LL.M. (Harvard)

25.06.2013

Staatsgeheimnis-Doktrin sperrt den Weg zu den Gerichten

Die Enthüllungen über das wahre Ausmaß der Überwachung haben verschiedene Menschenrechtsgruppen veranlasst, Klage gegen die Obama-Regierung zu erheben. In der Regel berufen sich diese Klagen auf das 4. Amendment. Bisher aber konnte die Obama-Regierung erfolgreich mit dem Privileg des Staatsgeheimnisses (state secrets privilege) kontern, einer Doktrin, die 1953 von dem US Supreme Court entwickelt wurde. Danach müssen Gerichte laufende Prozesse beenden, wenn der Staat glaubhaft macht, dass von diesen eine ernste Gefahr für die nationale Sicherheit ausgeht – etwa, weil nötige Beweisstücke Informationen über Operationen und Personal der US-Geheimdienste enthalten.

Deshalb ist es in den USA noch nicht zu einer endgültigen juristischen Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser neuartigen Überwachungsprogramme gekommen. Die herrschende Meinung unter amerikanischen Verfassungsrechtlern ist aber eindeutig: PRISM und ähnliche Programme verstoßen in krasser Weise gegen die Rechte von US-Bürgern.

Neulich schrieb etwa Professor Laura K. Donohue, Leiterin des Zentrums für Nationale Sicherheit und Recht an der Georgetown University, in der Washington Post: "Die Regierung verteidigt die Rechtmäßigkeit der Überwachungsprogramme, weil diese die Vorgaben von FISA erfüllten. Das mag zwar zutreffen – aber nur, weil FISA selbst kaum noch wirksame Kontrollen vorsieht."

Auch deutsche Kontrollinstanzen tagen im Geheimen

Es fällt leicht, sich über die aktuellen Enthüllungen bezüglich Spionageaktionen aus Übersee zu empören. Man sollte aber nicht den Blick dafür verlieren, dass die in Deutschland gültige Rechtslage der amerikanischen gar nicht so unähnlich ist.

Hierzulande ist das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständig. Es hat die generelle Aufsicht über den Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Prüfung einzelner Überwachungsvorhaben wird jedoch von der sogenannten G-10 Kommission durchgeführt.

Der Name "G-10" stammt von dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, welches Eingriffe in das nach Artikel 10 der deutschen Verfassung gewährleistete Grundrecht ermöglicht. Die G 10-Kommission besteht aus einem Vorsitzenden, der als einziger die Befähigung zum Richteramt besitzen muss, drei Beisitzern sowie vier stellvertretenden Mitgliedern. Die Kommission kann bei besonders schweren Katalogstraftaten (zum Beispiel Menschenhandel oder Terrorismus) Überwachungsmaßnahmen anordnen. Und: Sowohl das PKGr als auch die G-10 Kommission tagen im Geheimen.

Wartet Deutschland noch auf seinen Snowden?

Am 1. Juli 2013 soll in Deutschland das neue Telekommunikationsgesetz in Kraft treten. Wie seine Vorgänger gewährt es den Sicherheitsbehörden weitreichende Handlungsspielräume, unter anderem betreffend die Zuordnung von dynamischen IP-Adressen und den Zugang zu Daten, die bei Cloud-Diensten gespeichert sind.

In den USA und in Deutschland verfügen Geheimdienste also über Technologien und Befugnisse, die das massenweise Ausspionieren von E-Mails und Telefonaten ermöglichen. Die einzigen Kontrollinstanzen tagen im Geheimen und veröffentlichen lediglich grobe Übersichten ihrer Tätigkeit. In Deutschland besteht jedoch bisher eine striktere (verfassungs-)gerichtliche Kontrolle, insbesondere durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches 1983 erstmals vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) formuliert wurde, und in der amerikanischen Verfassungsjudikatur keine genaue Entsprechung findet.

Der andere Unterschied fällt aber ungünstig für Deutschland aus. Rechtsanwalt Niko Härting hat neulich über die Situation in der BRD geurteilt: "In welcher Weise die deutschen Geheimdienste von ihren beträchtlichen gesetzlichen Befugnissen Gebrauch machen, ist nicht bekannt. Es lässt sich daher auch nicht mit Sicherheit sagen, ob es hierzulande keine Maßnahmen gibt, deren Ausmaß mit 'Prism' vergleichbar ist. Geheimdienste agieren im Verborgenen, die Kontrolle wird im Wesentlichen durch Gremien ausgeübt, deren Sitzungen geheim sind. 'Whistleblower' wie Edward Snowden und Bradley Manning hat es in Deutschland in den letzten Jahren nicht gegeben."

Viele Deutschen feiern die Zivilcourage des Edward Snowden – aber was würde einem Deutschen, der Ähnliches tut, passieren?

Prof. Andrew Hammel, LL.M. (Harvard) ist Juniorprofessor für Amerikanisches Recht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Zitiervorschlag

Prof. Andrew Hammel, LL.M. (Harvard), Spionage in den USA und Deutschland: The road to PRISM . In: Legal Tribune Online, 25.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9004/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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