Ein muslimischer Polizist gab seiner Kollegin aus religiösen Gründen nicht die Hand, das rheinland-pfälzische Innenministerium hat ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Er könnte sogar aus dem Dienst entfernt werden, meint Sarah Nußbaum.
In dem beamtenrechtlichen Verfahren wird es vor allem um die Frage gehen, wie ein verweigerter Handschlag zu bewerten ist. Soll harte Kante gezeigt und ein Exempel statuiert werden? Oder handelt es sich um einen seltenen Einzelfall, der eine dezente Disziplinarmaßnahme ausreichen lässt?
Bereits jetzt werden Konsequenzen aus dem Fall für die Einstellung neuer Polizisten gefordert. Bevor Beamte offiziell ernannt werden, wird – schon immer - auch ihre charakterliche Eignung geprüft. Der Fall in Rheinlad-Pfalz könnte also den Anstoß geben, die bisher angesetzten Maßstäbe zu ändern.
Der mittlerweile in den Innendienst versetzte Beamte wurde zunächst für den Polizeidienst als charakterlich geeignet eingeschätzt, er gilt als unauffällig. Erst bei seiner Beförderung ist aufgefallen, dass er Frauen aus religiösen Gründen nicht berühren will. Es fragt sich also, ob er in den Jahren seiner Ausbildung bisher noch keiner einzigen Frau, keiner Kollegin oder weiblichen Vorgesetzten die Hand geben musste.
Der Handschlag als grundgesetzliche Pflicht?
Im Einsatz auf der Straße sind Polizisten nicht verpflichtet, einen angebotenen Handschlag zu ergreifen - weder den von Bürgerinnen noch den von Bürgern. Zu rechtfertigen ist dies leicht mit der Gefahreneinschätzung. Bei der Kollegin, die dem muslimischen Polizisten auf einer internen Feier zu seiner Beförderung gratulieren wollte, greift dieser Gedanke hingegen nicht.
Gerade für Beamte der Polizei gilt es, Neutralität zu wahren und das Grundgesetz zu achten. Jeder Beamte gelobt bei seiner Ernennung zum Beamten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Für Polizisten gilt dies im besonderen Maße. Sie verteidigen die Rechtsordnung nach Außen und müssen sich auf ihre Kameradinnen und Kameraden verlassen können.
Zu dieser umfassenden Treuepflicht des Beamten gehört als Kern jedenfalls die Verfassungstreuepflicht. Das Verhalten des muslimischen Polizisten weckt Zweifel daran, ob er die Gleichstellung von Mann und Frau sowie die staatliche Neutralität in Fragen der Religion beachtet. Schüttelt der Beamte seinen männlichen Kollegen die Hand und tut er dies bei seinen weiblichen Kolleginnen nicht, stellt dies eine Ungleichbehandlung dar. Er verstößt dann gegen Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz. Der Achtung und dem Vertrauen, die sein Beruf erfordert, würde der Polizist damit nicht gerecht.
Disziplinarrechtliche Konsequenzen
In der Öffentlichkeit werden bereits jetzt Konsequenzen gefordert. Das Landesdisziplinargesetz Rheinland-Pfalz eröffnet der entscheidenden Behörde viele Möglichkeiten: von einer bloß mündlichen Missbilligung, einem schriftlichen Verweis über eine Geldbuße bis hin zur Zurückstufung. Dem Beamten droht sogar die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, über die aber ein Gericht entscheiden müsste.
Bisher ist offen, welche Milderungsgründe der Beamte anführen wird. Eine Frage des Respekts wäre sicherlich eine Entschuldigung für sein Verhalten, das seine Kollegin herabgewürdigt hat. Bei der Entscheidung über die angemessene Disziplinarmaßnahme wird in der Waagschale aber auch die Religionsfreiheit des Beamten liegen. Dieses Grundrecht erlaubt unter Umständen auch religiös motivierte Verhaltensweisen während der Dienstausübung.
Schon die Einleitung eines Disziplinarverfahrens, also die Tatsache, dass die Behörde diesen Respekt offen einfordert, ist jedenfalls ein deutliches Signal.
2/2: Der Handschlag in NRW
In Nordrhein-Westfalen hatte man sich bereits im vergangenen Jahr in einem ähnlichen, aber doch grundverschiedenen Fall für die Entlassung eines Beamten aus dem Polizeidienst entschieden. Dieser Mann befand sich noch im Beamtenverhältnis auf Probe und wurde von der Behörde als charakterlich ungeeignet befunden. Er hatte nicht nur seiner weiblichen Ausbilderin den Handschlag verweigert: Indem er ihr einen Koran schenkte, der in ein Kopftuch eingewickelt war, habe er auch den Hintergedanken der Missionierung verfolgt, entschied das Verwaltungsgericht (VG) Köln (Beschl. v. 21.09.2016, Az. 15 L 1965/16). Nach dessen Auffassung sollte das Kopftuch nicht nur das Geschenkpapier ersetzen, wie der Beamte zu überzeugen versuchte. Als befremdlich befand das Gericht auch, dass er seine Ausbilderin in einem Begleitschreiben mit "Sehr verehrte Schwester" ansprach.
Im Dezember 2016 bestätigte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und wies die Beschwerde des Beamten zurück (Beschl. 02.12.2016, Az. 1 B 1194/16). Nach einem Personalgespräch habe er zwar grundsätzlich jedem die Hand gereicht. Dennoch konnte der Beamte die Zweifel, dass er das Gebot der Gleichstellung von Mann und Frau von sich aus jederzeit beachten würde, nicht zerstreuen. Außerdem konnte er nicht damit überzeugen, dass er dieses Gebot jederzeit aktiv verteidigen würde. In diesem Fall war es nach Ansicht der Münsteraner Richter deshalb vertretbar, in dem Verhalten des Beamten einen Verstoß gegen die beamtenrechtliche Pflicht zur Neutralität und Mäßigung zu sehen.
Sicherlich ist die Stellung eines Beamten auf Probe eine andere, denn ein solcher kann bereits bei Zweifeln an der charakterlichen Eignung abgelehnt werden. Die Richter bestätigten in diesem Fall die Prognose, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Beamte sich zukünftig vorbehaltlos gegenüber seinen Kolleginnen verhalten werde, selbst wenn er nun auch Frauen die Hand geben werde.
Dabei ist der unterlassene Handschlag sicher nur ein Aspekt in dieser Entscheidung gewesen. Gerade das fragwürdige Geschenk wurde im NRW-Fall als grenzüberschreitend, rätselhaft und verstörend empfunden, denn neben dem Koran, dem Kopftuch und dem Begleitschreiben schenkte er seiner Ausbilderin auch Pralinen und einen Toilettendeckel, auf dem ein Löwenkopf abgedruckt war. Für das Oberverwaltungsgericht war nicht das religiöse Bekenntnis des Beamten zum Islam entscheidend, sondern das konkrete Verhalten gegenüber seiner weiblichen Vorgesetzten.
Erfolgreiche Integration
Gerade mit dem Blick auf den Erfolg von Integration ist es wünschenswert, wenn sich die Vielfalt der Bevölkerung auch in den Behörden der Polizei spiegelt. Dies gilt für Frauen wie für muslimische Polizisten.
Die Polizei repräsentiert den Staat aber auch nach außen und setzt die Gesetze durch, zu deren Einhaltung sich jeder Beamte verpflichtet hat. In Gefahrenlagen müssen sich die Beamten dabei aufeinander verlassen können. Das Team muss funktionieren - und dafür ist Respekt entscheidend.
Die Autorin Sarah Nußbaum ist Rechtsanwältin in der Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft, Düsseldorf. Die Kanzlei ist auf das öffentliche Dienstrecht, insbesondere Beamten- und Disziplinarrecht spezialisiert.
Disziplinarverfahren nach verweigertem Handschlag: Eine Frage des Respekts . In: Legal Tribune Online, 08.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23845/ (abgerufen am: 23.04.2024 )
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