Ersatzpersonalausweis für potenzielle Islamisten: Terrorismusbekämpfung durch Stigmatisierung

Die Innenminister von Bund und Ländern wollen deutschen Staatsbürgern den Personalausweis entziehen, wenn der Verdacht besteht, sie wollten ausreisen, um den islamischen Terror zu unterstützen. Gerrit Hornung zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit dieses Vorschlags, denn ein Ersatzdokument würde Betroffene übermäßig stigmatisieren.

Stellen Sie sich vor, Sie eröffnen bei der Bank Ihres Vertrauens ein neues Konto. Neben dem Ausfüllen der üblichen Formulare sind Sie zu diesem Zweck gesetzlich verpflichtet, dem Bankmitarbeiter ein Dokument vorzulegen, in dem steht: "Meine zuständige Personalausweisbehörde ist der Auffassung, dass ich ein gewaltbereiter Islamist bin und die Absicht habe, in näherer Zukunft nach Syrien zu reisen, um dort mit der Waffe in der Hand den Terrorkampf des so genannten Islamischen Staats zu unterstützen."

Eine absurde Vorstellung? Nicht, wenn die aktuellen Pläne der Bundesregierung umgesetzt werden. Dann wäre bei einem entsprechenden Verdacht dem Inhaber eines Personalausweises derselbe wegzunehmen und stattdessen ein deutlich erkennbar anders gestaltetes Ersatzdokument auszuhändigen. Natürlich steht in diesem nicht der genannte Satz – der Sache nach ist die Vorlage des Dokuments aber mit seiner Aussage identisch, sofern dieses tatsächlich nur für diese Personengruppe ausgestellt wird (nur um diese Konstellation soll es Folgenden gehen, also nicht um eine etwaige neutrale Lösung).

Pass darf entzogen werden, Personalausweis nicht

Wie wir seit der berühmten Elfes-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts  (Urt. v. 16.01.1957, Az. 1 BvR 253/56) wissen, ist die Ausreisefreiheit zwar grundrechtlich geschützt, aber nicht schrankenlos. Wenn die in § 7 Abs. 1 Passgesetz (PassG) genannten Tatsachen vorliegen, akzeptiert das höchste deutsche Gericht die Möglichkeiten der Versagung oder Beschränkung des Passes. Ein bereits ausgestellter Pass kann unter denselben Voraussetzungen nach § 8 PassG entzogen werden. Wird der Pass versagt oder entzogen, so ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 PassG an der Grenze die Ausreise zu untersagen.

Angesichts der teilweise generalklauselartig formulierten Tatbestände und der erforderlichen Prognoseentscheidungen besteht die Herausforderung für die Behörden in der Praxis darin, bei der Auslegung und Anwendung rechtsstaatliche Maßstäbe einzuhalten. Eine Versagung oder Entziehung des Passes ist insbesondere möglich, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passbewerber "die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet". Seit dem Jahre 2009 existiert sogar ein Passversagungsgrund, der spezifisch auf Vorbereitungshandlungen im Terrorismusbereich zielt. Ausreichend ist seitdem die Annahme, dass der Betroffene "eine in § 89a des Strafgesetzbuchs beschriebene Handlung vornehmen wird".

Das Personalausweisgesetz (PAuswG) verweist in § 6 Abs. 7 auf die Versagungs- und Entziehungsgründe des PassG: Liegen diese vor, so kann angeordnet werden, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt. Anders als beim Pass ist es jedoch weder zulässig, den Ausweis zu entziehen, noch ihn sichtbar zu kennzeichnen. Allerdings werden die Maßnahmen ebenso wie die nach dem PassG im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gespeichert und sind deshalb den Grenzkontrollbehörden verfügbar.

In der Praxis werden die Maßnahmen vielfach gemeinsam angeordnet, weil sie auf dieselbe, mitunter schwierige Prognose zurückgehen. Nimmt man aber diese Hürde – wo liegt dann der Unterschied zwischen Pass und Personalausweis? Ist es nicht seltsam, dass der Pass eingezogen oder deutlich sichtbar beschränkt werden kann, der Personalausweis bisher jedoch nicht?

Zitiervorschlag

Gerrit Hornung, Ersatzpersonalausweis für potenzielle Islamisten: Terrorismusbekämpfung durch Stigmatisierung . In: Legal Tribune Online, 03.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13678/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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