Benedikt versus Titanic: Vor Gericht im Auftrag des Heiligen Vaters

von David Ziegelmayer

11.07.2012

Die aktuelle Titanic macht mit Vatileaks auf. Das Titelbild ziert ein Bild des Papstes mit gelbem Fleck auf der Soutane. Die Headline: Halleluja im Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden. Der Heilige Vater reagiert mit einer einstweiligen Verfügung vor dem LG Hamburg. Ein kontraproduktiver Schritt, meint David Ziegelmayer.

Nicht jeder Anwalt wird von sich sagen können, dass er im Auftrag des Heiligen Vaters unterwegs ist. Einer schon. Vor etwa einer Woche überbrachte Erzbischof Angelo Becciu dem Bonner Rechtsanwalt Gernot Lehr die Botschaft: "Der Heilige Vater beauftragt Sie, gegen die Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte vorzugehen."

Das Titelbild der aktuellen Titanic ist samt Schlagzeile schon jetzt legendär und hat sich in den vergangenen Tagen zigfach verbreitet. Und damit nicht genug: Auf der Rückseite des Blatts ist der Papst von hinten zu sehen mit der Aufschrift "Noch eine undichte Stelle gefunden!" Die Bebilderung darf sich der Leser vorstellen.

Es kam, was kommen musste: Das Magazin verweigerte eine Unterlassungserklärung und ließ stattdessen verlautbaren, der Papst habe den Fanta-Fleck auf dem Bild wohl missverstanden. Der Anwalt des Papstes beantragte daraufhin eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht (LG) Hamburg, das nicht gerade in dem Ruf steht, bei Verletzungen von Persönlichkeitsrechten lange zu fackeln. Oft zu Unrecht als "Zensurkammer" geschmäht, hält man den Schutz der Persönlichkeit dort hoch.

Daher war damit zu rechnen, dass die Abwägung des Gerichts zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Papstes und zulasten der Kunst- und Satirefreiheit bzw. der Meinungs- und Pressefreiheit der Titanic-Herausgeber ausfallen würde.

Juristen streiten, Titanic feiert

Über die einstweilige Verfügung lässt sich juristisch trefflich streiten, denn es geht um Satire. Die darf – sofern es um ein zeitgeschichtliches Ereignis, hier die "Vatileaks-Affäre", geht – zwar nicht alles, aber nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sehr viel: Satire lebt nun einmal von Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen, so etwa der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 30. September 2003 (Az. VI ZR 89/02).

Allerdings kann Satire das allgemeine Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person selbst dann verletzen, wenn kein Zweifel an einer Fotomontage besteht. Das wissen natürlich auch die Titanic und ihre langjährige Justiziarin Gabriele Rittig: So entschied zum Beispiel das LG Berlin im Jahr 2002, dass die Titanic das Recht der Frau des damaligen Schweizer Botschafters in Berlin am eigenen Bild verletzte, als das Magazin ein Foto des Kopfes der Frau auf einen nackten Körper montiert und als satirische Fotomontage veröffentlicht  hatte.

Ungeachtet des juristischen Disputs: Was macht die Titanic? Sie feiert. Reißen sich doch die Leser um die letzten Exemplare, die die Titanic trotz Verbot nicht mehr zurückrufen muss. Sie bildet den Papst in ihrem Online-Auftritt mit zwei Fantaflaschen in der Hand in Jubelpose ab und freut sich auf die nächste Auflage im August 2012. Denn der Vorfall dürfte durchaus an das Format des Buntstifte-Skandals bei Wetten, dass…? heranreichen, der seinerzeit eine Verdoppelung der Auflage auslöste. Und die Medien stimmen mit der Netzgemeinde voller Schadenfreude ein.

Da ist er wieder: Der "Streisand-Effekt"

In Zeiten des Internets wird dieses Phänomen als "Streisand-Effekt" bezeichnet: Juristische Schritte gegen die Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch die Medien erreichen das Gegenteil des eigentlichen Ziels. Mit der einstweiligen Verfügung potenziert der Papst die Aufmerksamkeit für das Titelbild der Titanic und trägt so selbst dazu bei, dass sich die Öffentlichkeit über ihn lustig macht.

Die Angst vor diesem scheinbar zwangsläufigen Effekt führt zunehmend dazu, dass Personen oder Unternehmen, deren Rechte eindeutig verletzt werden, vor juristischen Maßnahmen zurückschrecken. In vielen Fällen erweist sich dies als die falsche Entscheidung. Zum einen wird nicht jedem dieselbe Aufmerksamkeit zuteil wie dem Heiligen Vater; zum anderen gilt, Wer untätig bleibt, wird Angriffe auf seine Persönlichkeit nicht immer "aussitzen" können, indem er hofft, die Wogen würden sich von alleine glätten und die Rufschädigung ausbleiben. Wer klagt, muss aber jedenfalls die medialen Folgen im Auge behalten und sollte der Öffentlichkeit mitunter auch erklären, warum er tätig wird. Auf eine persönliche Erklärung von Papst Benedikt wird man allerdings nicht hoffen können.

Dieser Fall scheint trotz juristischer Niederlage eher zugunsten der Satire auszugehen und ihrem Zentralorgan "Titanic" Glanz zu verleihen. Das Magazin musste nicht zum ersten Mal eine Ausgabe von den Kiosken zurückziehen, ohne dass es seinem Erfolg geschadet hat. Oder wer erinnert sich noch an Kurt Becks Ambitionen, dem Magazin den Garaus zu machen? Dessen seinerzeitiger Titel "Problembär außer Rand und Band: Knallt die Bestie ab" ist dagegen wohl schon fast Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses.

Der Autor David Ziegelmayer ist Rechtsanwalt bei CMS Hasche Sigle am Standort Köln. Er ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und berät Personen und Unternehmen in äußerungsrechtlichen Auseinandersetzungen.

Zitiervorschlag

David Ziegelmayer, Benedikt versus Titanic: Vor Gericht im Auftrag des Heiligen Vaters . In: Legal Tribune Online, 11.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6587/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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