Pappnasen am Steuer: Mehr erlaubt als man glaubt

Marie-Theres Sack

16.02.2012

Die fünfte Jahreszeit ist auf dem Höhepunkt, überall ziehen bunt bis gruselig verkleidete Gestalten zu Fuß von Kneipe zu Kneipe oder mit der Bahn zur nächsten Kostümparty. Aber was, wenn Piraten und Hexen sich maskiert ans Steuer setzen? Der ADAC warnt. Dabei ist das eigentlich kein Problem – es sei denn, es passiert ein Unfall, weiß Marie-Theres Sack.

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) enthält keine speziellen Regelungen darüber, wie Autofahrer sich kleiden müssen, wenn sie am Steuer sitzen. Die Gerüchte über unzulässige Maskierungen im Straßenverkehr halten sich trotzdem hartnäckig. Selbst der ADAC warnt seine Auto fahrenden Mitglieder vor anfallenden Bußgeldern bei Maskierung und Kostümierung. Dabei kann das Fahren mit Maske grundsätzlich ebenso wenig verboten werden, wie eine Fahrt ohne Schuhe oder mit Flip Flops. Wenn allerdings etwas schief geht, kann die Kostümierung den Fahrer teuer zu stehen kommen.

Geht es um die Zulässigkeit von Kostümen und vor allem Masken, greift § 23 StVO als Auffangtatbestand. Nach Abs. 1 S. 1 der Vorschrift ist der Fahrzeugführer dafür verantwortlich, dass seine Sicht und sein Gehör nicht durch die Besetzung, Tiere, die Ladung, Geräte oder den Zustand des Fahrzeugs beeinträchtigt werden. Auch muss er, so schreibt Satz 2 es vor, dafür sorgen, dass Fahrzeug, Zug, Gespann sowie Ladung und Besetzung vorschriftsmäßig sind und die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder Besetzung nicht leidet.

Häufig wird aus dieser Vorschrift für Autofahrer das Verbot von Masken, Augenklappen oder anderen Kostümbestandteilen hergeleitet. Diese könnten möglicherweise Sicht, Gehör oder Bewegungsfreiheit in verkehrsgefährdender Weise einschränken, so die Befürchtung. Zwar falle die in Frage stehende Kostümierung  nicht direkt unter die genannten Tatbestandsmerkmale. Die Funktion des § 23 Abs. 1 StVO als Auffangtatbestand bedeute aber, dass diese Aufzählung nicht abschließend sei und daher ausgedehnt angewendet werden könne. Auch könne der Begriff der "Besetzung" in Satz 2 so weit verstanden werden, dass der Fahrer des Autos ebenfalls erfasst sei.

Karnevalsmasken stellen vielleicht welche dar, sind aber keine Tiere
Dabei verbietet die Vorschrift es nicht, kostümiert am Steuer zu sitzen. Bei einem ähnlichen Problem, der Frage nach geeignetem Schuhwerk für Autofahrer, haben Entscheidungen des Oberlandesgericht (OLG) Bamberg bereits für Klarheit gesorgt (Beschl. v. 15.11. 2006, Az. 2 Ss OWi 577/06, Beschl. v. 11.01.2007, Az. 3 Ss OWi 1796/06 und Beschl. v. 04.04.2007, Az. 3 Ss OWi 338/07). Das Gericht kam zu dem Schluss, dass das Fahren ohne oder mit ungeeigneten Schuhen gegen keine gesetzliche Regelung verstößt und daher –zumindest bei privaten Fahrten – nicht verboten werden kann. Im Ergebnis gilt für Schuhe und Kostüme das Gleiche: Eben sowenig wie High Heels oder Flip Flops sind auch Masken nicht per se verboten.

Die erweiternde Auslegung gesetzlicher Vorschriften findet ihre Grenze nämlich immer in ihrem Wortsinn, der sich wiederum aus Wortlaut und Sinnzusammenhang ergibt. Dass es sich bei einer Kostümierung weder um die Besetzung, noch um ein Tier, die Ladung, ein Gerät oder um den Zustand eines Fahrzeugs handelt, ist klar. Schon aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt sich, dass § 23 Abs. 1 S. 1 StVO Karnevalsmasken nicht meinen kann. Wollte man die Vorschrift trotzdem derart erweitert anwenden, läge eine unzulässige Analogie zu Lasten des Betroffenen und damit ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG vor. Hier kann auch die Funktion des § 23 Abs. 1 StVO als Auffangtatbestand nicht weiterhelfen.
Gleiches gilt für den Begriff der "Besetzung" in Satz 2 der Vorschrift. Wie auch das OLG Bamberg in seinen Schuhwerk-Entscheidungen festgestellt hat, gehört der Fahrer nicht zur Besetzung des Fahrzeugs. Damit, so das Gericht, könnten nur Personen gemeint sein, die sich außer dem Fahrer noch im Fahrzeug befinden. Der Gesetzgeber selbst differenziert in § 31 Abs. 2 StVZO eindeutig zwischen Fahrzeugführer und Besetzung.

Auch wenn sicherlich nicht ganz Deutschland diese Auffassung teilen würde: Die kostümierten Jecken sind auch nicht per se fahruntauglich im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 75 Nr. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Diese Vorschrift verbietet die Teilnahme am Verkehr bei Vorliegen geistiger oder körperlicher Mängel – jeck reicht dafür nicht von vorneherein aus.

Maske am Steuer: Unfall wird teuer!

All das nutzt dem maskierten Fahrer allerdings nichts, wenn es zu einem Unfall kommt. Seine Kostümierung kann für ihn dann tatsächlich teuer werden.

In diesem Fall greift die Grundregel des § 1 Abs. 2 StVO. Danach hat sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nötig behindert oder belästigt wird. Es handelt sich dabei um eine erfolgsqualifizierte Vorschrift – sie greift erst ein, wenn tatsächlich etwas passiert. Bleibt die Fahrt folgenlos, hat der maskierte Fahrer also nichts zu befürchten. Kommt es aufgrund der Maskierung aber zu einem Unfall, droht – neben zivilrechtlicher Haftung für den verursachten Schaden und strafrechtlicher Verantwortung – auch ein saftiges Bußgeld.

Auch für den Versicherungsschutz kann die maskierte Fahrt Konsequenzen haben. Zwar kann der Haftpflichtversicherer auch in diesem Fall seine Leistung nicht einschränken - schließlich wäre dann ja der Geschädigte der Leidtragende. Hat der Fahrer grob fahrlässig gehandelt, droht jedoch der Verlust des Kaskoschutzes. Ob das Tragen einer Maske am Steuer ebenso wie eine betrunkene Fahrt als grob fahrlässig gewertet werden kann, ist einzelfallabhängig zu beurteilen. Bei einer das Sichtfeld extrem einschränkenden Kostümierung ist dies aber durchaus möglich. Auf eine allzu wilde Kostümierung sollte zumindest am Steuer also besser verzichtet werden.

Das Kostüm als Blitzer-Tarnung?

Das gilt übrigens auch außerhalb der fünften Jahreszeit. Zwar ist auch dann das Tragen einer Maske grundsätzlich erlaubt; um der Identifizierung auf einem Blitzerfoto und der anschließenden Strafe zu entgehen, taugt sie jedoch kaum.

Zeigt das Foto einen maskierten Fahrer und beruft der Fahrzeughalter sich darauf, diesen nicht erkennen zu können, so kann ihm die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegt werden. Ohne plausible Gründe für die Verkleidung, die es wiederum wohl nur unter Nennung des Fahrernamens geben dürfte, wird er wohl kaum auf das Wohlwollen des Richters hoffen können.

In jedem Fall gilt: Masken am Steuer sind erlaubt; mit der Kostümierung sollten Autofahrer es dennoch aufgrund der damit verbundenen, teils erheblichen Risiken nicht übertreiben.

Die Autorin Marie-Theres Sack ist Doktorandin bei Prof. Dr. Christian Waldhoff am kirchenrechtlichen Institut - Lehrstuhl für öffentliches Recht der Universität Bonn.

Zitiervorschlag

Marie-Theres Sack, Pappnasen am Steuer: Mehr erlaubt als man glaubt . In: Legal Tribune Online, 16.02.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5571/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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