Panama Papers und Datenhoheit der Medien: Die Staats­an­walt­schaft als Bitt­s­teller

von Fabian Meinecke

12.04.2016

2/2: Medien behalten die Datenhoheit

Im Einzelfall ist hier nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abzuwägen zwischen der Schwere des Tatvorwurfs und der Beeinträchtigung der Pressefreiheit. Die Verhältnismäßigkeitsanforderungen können der Beschlagnahme von Presseunterlagen nach dem strengen Maßstab sogar dann entgegenstehen, wenn kein Zeugnisverweigerungsrecht besteht (vgl. Nr. 73a Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren).

Im Übrigen ergeben sich Sonderfälle nur für speziell von Journalisten erarbeitetes Material und deren eigene Wahrnehmung. In der Praxis ist die Behauptung, durch die Preisgabe von Informationen würde mittelbar die Identität des Informanten offenbart, aber nicht überprüfbar. Anders sieht es nur aus, wenn ein Redaktionsmitglied selbst einer Straftat dringend verdächtig ist – wofür im Falle der Panama Papers nichts spricht. In diesem Bereich hat die Presse den absoluten Vorrang vor Belangen der Rechtspflege, der in Fachkreisen durchaus kritisch beurteilt wird.

Die Staatsanwaltschaften sind jetzt also darauf verwiesen, die Medienberichte zu verfolgen. Die Medien haben die Hoheit über die Daten. Das ist insofern bedenklich, als dass diese zugleich die Hoheit über die öffentliche Meinung haben und es schon oft zu Vorverurteilungen von in der Öffentlichkeit stehenden Personen gekommen ist. Nicht selten bleibt bei Personen und Unternehmen ein erheblicher Reputationsschaden – auch wenn kein rechtlicher Nachweis für ein Fehlverhalten erbracht werden konnte. Gleichzeitig kommen Hinweise auf durchaus legitime Gründe für die Bildung von Offshore-Gesellschaften ebenso wie das Beteuern der geltenden "Unschuldsvermutung" nur wie ein leises Echo daher.

"Entdeckung" noch nicht zu befürchten

Für diejenigen, die nicht nur aus Gründen der Anonymität Berechtigte einer Offshore-Gesellschaft sind, wird sich die Frage stellen, ob sie nun nach der Veröffentlichung des "Leaks" noch zurück in die Legalität kehren können, indem sie Selbstanzeigen abgeben. Hierfür ist – sofern es sich um Steuerhinterziehung handelt – zum einen maßgeblich, ob der Kontoinhaber objektiv entdeckt war und ob er subjektiv die Entdeckung erkennen musste.

In der Rechtsprechung wird das mit dem Entdecktsein "Rechnenmüssen" zunehmend restriktiv ausgelegt (zuletzt Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Beschl. v. 30.10.2015, Az 2 Ss 63/15). Schon wenn eine Steuer-CD mit Daten eines Beschuldigten durch den Staat angekauft wird und über den Kauf Medienberichte erscheinen, wird angenommen, der Beschuldigten habe mit der Entdeckung rechnen müssen – soweit der subjektive Aspekt.

Beim objektiven Entdecken muss die Person des Täters nicht namentlich bekannt sein. Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 20.05.2010, Az. 1 StR 577/09) ist die Tat vielmehr dann entdeckt, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist. Hieran fehlt es, solange die Daten den Medien vorliegen – und nicht den Staatsanwaltschaften. Zumindest noch bleibt also Zeit für eine Selbstanzeige.

Fabian Meinecke ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Oberwetter & Olfen in Berlin und auf Wirtschafts- und Steuerstrafrecht spezialisiert.

Zitiervorschlag

Fabian Meinecke , Panama Papers und Datenhoheit der Medien: Die Staatsanwaltschaft als Bittsteller . In: Legal Tribune Online, 12.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19047/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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