Die FDP hat auf der Wahlliste zur Landtagswahl NRW die Plätze 24 und 48 vertauscht. Für eine Kölner Anwaltskanzlei muss das zur Ungültigkeit der Wahl führen. Sie kündigte an, den Plätzetausch notfalls vor den VerfGH NRW zu bringen.
Die FDP hat auf ihrer eingereichten Landesliste für die NRW-Landtagswahl vom 7. Mai dieses Jahres zwei Kandidaten vertauscht. Politiker Christian Sauter, ursprünglich vorgesehen für Platz 24, tauschte unfreiwillig mit der Kollegin auf Platz 48, Martina Hannen, die nun an seiner statt im Landtag sitzen wird. Wie es zur der Verwechslung kam, ist nicht bekannt.
Definitiv geklärt ist aber, dass dieser Fall vor dem Verfassungsgerichtshof (VerfGH) NRW landen wird, sollte das nötig werden. Details will Dr. Jürgen Küttner, Rechtsanwalt am Kölner Standort von Teipel & Partner Rechtsanwälte, zwar noch nicht nennen. Aber: "Es wird definitiv Einspruch gegen diese Wahl erhoben werden", bestätigte er gegenüber LTO.
Der frisch gewählte Landtag muss dann einen Ausschuss bilden und darüber entscheiden, ob er sich selbst für falsch besetzt hält. Für den Fall, dass der er das nicht tut und der Einspruch somit erfolglos bleibt, kündigt Küttner, unter anderem im Verfahrens- und Verfassungsrecht tätig, an: "Dann wird es definitiv eine Wahlprüfungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen geben."
Plätzetausch auf der Liste - nicht nur eine Lappalie
Weil zwei Politiker, die noch dazu für eine kleinere Partei antraten, die Plätze auf ihrer Parteiliste getauscht haben, soll die Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland der Republik angegriffen werden?
Warum die Sache so heikel ist, dass der VerfGH die gesamte Landtagswahl für ungültig erklären könnte, erläutert Robert Hotstegs, unter anderem Verfassungsrechtler bei der gleichnamigen Düsseldorfer Kanzlei: "Die Wähler haben zur Wahl eine Liste vor sich gehabt, die in dieser Form von niemandem so beschlossen worden ist. Genau genommen war die eingereichte Aufstellung und Reihenfolge der FDP-Kandidaten damit nicht demokratisch legitimiert."
Das müsse sie aber sein, so der Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Denn auch wenn Parteien sich in ihrer Innensphäre weitgehend selbstständig organisierten, müssten die von ihr eingereichten Listen demokratischen Grundsätzen entsprechen. Somit wirke sich dieser Fehler auch in der Außensphäre aus, nämlich auf das Interesse der Bürger an einer korrekt durchgeführten Wahl.
Der Knackpunkt: "Der unfreiwillige Plätzetausch lässt sich rückwirkend nicht beheben", so Hotstegs. Denn egal, ob man die Kandidaten noch einmal Plätze tauschen oder sie streichen und durch die Nachrückenden ersetzen lässt - "die Listenaufstellung, die der Wähler seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, entsprach nicht der ursprünglich von der Partei vorgesehenen."
2/2: Ein neues Szenario
Genau das ist Küttners Argument. Er zieht mangels gleichgelagerter Fälle einen zumindest ähnlichen Sachverhalt heran, den das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW im vergangenen Jahr entschieden hat. Die Münsteraner Richter hatten dabei eine Liste einer zur Kommunalwahl angetretenen Partei für ungültig erklärt, weil ihre Mitglieder nicht ordnungsgemäß zur parteiinternen Nominierungswahl eingeladen worden waren.
Das führte dazu, dass die Reserveliste der Partei nicht zur Wahl zugelassen und daher auch nicht gewählt werden konnte. Die Parallelen liegen für den Kölner Anwalt auf der Hand: Nach Küttners Auffassung ist die Reserveliste vergleichbar mit der Zweitstimme bei der Landtagswahl. Und auch beim jetzigen Fehler der FDP gehe "es um eine unkorrekt gebildete Liste. Denn Irrtum der Geschäftsstelle hin oder her: Die eingereichte Liste ist nicht die, welche nach der parteiinternen Wahl hätte eingereicht werden müssen."
Es sei bereits "nicht in Ordnung", wenn es zu solchen Vorfällen wie dem Plätzetausch komme. "Noch weniger in Ordnung ist es aber, wenn dies den staatlichen Kontrollorganen nicht auffällt und Wähler dann darauf vertrauen müssten, dass dennoch wohl alles mit rechten Dingen zugegangen sein wird", so Küttner. "Daher hege ich Zweifel an der Gültigkeit der Wahl."
Einfallstor für Wahlmanipulation?
Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht ist sich darüber im Klaren, dass er auf viel Kritik treffen wird. Er rechnet vor allem mit den naheliegenden Gegenargumenten. Etwa, dass es sich bei dem Fehler um ein Versehen handele, dass bei jeder Wahl Fehler passierten und dass niemandem ein Schaden entstanden sei, weil Hannen zumindest vorerst angekündigt hatte, auf ihr Mandat verzichten zu wollen, während Sauter sich offenbar in sein Schicksal gefügt hatte.
Dem hält Küttner aber zweierlei entgegen: "Erstens hätte Herr Sauter ein Mandat im Landtag errungen, der Landtag wäre daher personell anders besetzt gewesen. Das Bundesverfassungsgericht hat auch bereits 1993 ausgeführt, dass es einen Wahlfehler darstellt, wenn ein Parteimitglied um die Chance auf einen bestimmten Listenplatz gebracht wird."
Zweitens fürchtet er bei einer "Nichtkorrektur des vorliegenden Fehlers", dass die Geschäftsstellen der Parteien zukünftig freie Hand bei der Einreichung der Listen hätten und nicht befürchten müssten, dass der Wahlleiter genau hinsieht: "Jetzt mag es sich um ein Versehen der Geschäftsstelle der FDP handeln. Aber was ist, wenn zur nächsten Wahl die Geschäftsstellen die aus ihrer Sicht geeigneteren Mitglieder in den Wahllisten höher platzieren? Wollen wir dann tatsächlich jedes Mal prüfen, ob das Versehen gewesen sind, mit denen alle einverstanden waren, oder gezielte Manipulationen?"
Erreicht der Fall den VerfGH, wird sich dieser mit einer Entscheidung nicht leicht tun, glaubt Hotstegs: "Das Landeswahlgesetz kennt in diesem Fall nur die Option 'gültig' oder 'ungültig' für die vergangene Landtagswahl. Einen solchen Fall wie den aktuellen hat der Gesetzgeber vermutlich nicht vor Augen gehabt. Es wird spannend, ob und gegebenenfalls wie der Gerichtshof es schafft, einen Mittelweg zu nehmen - und zu begründen."
Marcel Schneider, Weil die FDP-Geschäftsstelle Listenplätze vertauschte: Muss NRW neu wählen? . In: Legal Tribune Online, 03.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23103/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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