Weil die FDP-Geschäftsstelle Listenplätze vertauschte: Muss NRW neu wählen?

von Marcel Schneider

03.06.2017

2/2: Ein neues Szenario

Genau das ist Küttners Argument. Er zieht mangels gleichgelagerter Fälle einen zumindest ähnlichen Sachverhalt heran, den das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW im vergangenen Jahr entschieden hat. Die Münsteraner Richter hatten dabei eine Liste einer zur Kommunalwahl angetretenen Partei für ungültig erklärt, weil ihre Mitglieder nicht ordnungsgemäß zur parteiinternen Nominierungswahl eingeladen worden waren.

Das führte dazu, dass die Reserveliste der Partei nicht zur Wahl zugelassen und daher auch nicht gewählt werden konnte. Die Parallelen liegen für den Kölner Anwalt auf der Hand: Nach Küttners Auffassung ist die Reserveliste vergleichbar mit der Zweitstimme bei der Landtagswahl. Und auch beim jetzigen Fehler der FDP gehe "es um eine unkorrekt gebildete Liste. Denn Irrtum der Geschäftsstelle hin oder her: Die eingereichte Liste ist nicht die, welche nach der parteiinternen Wahl hätte eingereicht werden müssen."

Es sei bereits "nicht in Ordnung", wenn es zu solchen Vorfällen wie dem Plätzetausch komme. "Noch weniger in Ordnung ist es aber, wenn dies den staatlichen Kontrollorganen nicht auffällt und Wähler dann darauf vertrauen müssten, dass dennoch wohl alles mit rechten Dingen zugegangen sein wird", so Küttner. "Daher hege ich Zweifel an der Gültigkeit der Wahl."

Einfallstor für Wahlmanipulation?

Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht ist sich darüber im Klaren, dass er auf viel Kritik treffen wird. Er rechnet vor allem mit den naheliegenden Gegenargumenten. Etwa, dass es sich bei dem Fehler um ein Versehen handele, dass bei jeder Wahl Fehler passierten und dass niemandem ein Schaden entstanden sei, weil Hannen zumindest vorerst angekündigt hatte, auf ihr Mandat verzichten zu wollen, während Sauter sich offenbar in sein Schicksal gefügt hatte.

Dem hält Küttner aber zweierlei entgegen: "Erstens hätte Herr Sauter ein Mandat im Landtag errungen, der Landtag wäre daher personell anders besetzt gewesen. Das Bundesverfassungsgericht hat auch bereits 1993 ausgeführt, dass es einen Wahlfehler darstellt, wenn ein Parteimitglied um die Chance auf einen bestimmten Listenplatz gebracht wird."

Zweitens fürchtet er bei einer "Nichtkorrektur des vorliegenden Fehlers", dass die Geschäftsstellen der Parteien zukünftig freie Hand bei der Einreichung der Listen hätten und nicht befürchten müssten, dass der Wahlleiter genau hinsieht: "Jetzt mag es sich um ein Versehen der Geschäftsstelle der FDP handeln. Aber was ist, wenn zur nächsten Wahl die Geschäftsstellen die aus ihrer Sicht geeigneteren Mitglieder in den Wahllisten höher platzieren? Wollen wir dann tatsächlich jedes Mal prüfen, ob das Versehen gewesen sind, mit denen alle einverstanden waren, oder gezielte Manipulationen?"

Erreicht der Fall den VerfGH, wird sich dieser mit einer Entscheidung nicht leicht tun, glaubt Hotstegs: "Das Landeswahlgesetz kennt in diesem Fall nur die Option 'gültig' oder 'ungültig' für die vergangene Landtagswahl. Einen solchen Fall wie den aktuellen hat der Gesetzgeber vermutlich nicht vor Augen gehabt. Es wird spannend, ob und gegebenenfalls wie der Gerichtshof es schafft, einen Mittelweg zu nehmen - und zu begründen."

Zitiervorschlag

Marcel Schneider, Weil die FDP-Geschäftsstelle Listenplätze vertauschte: Muss NRW neu wählen? . In: Legal Tribune Online, 03.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23103/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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