Neue Tarife für Speichermedien: Extrempreise schaden den Urhebern nur

von Dr. Christian Frank

27.06.2012

Zum 1. Juli 2012 werden die Tarife für Urhebervergütungen auf USB-Sticks und Speicherkarten drastisch erhöht. Hintergrund ist, dass sich der Vergütungsanspruch von Urhebern seit dem 1. Januar 2008 am Umfang der tatsächlichen Nutzung orientiert und entsprechende Tarife zuletzt vor zwei Jahren festgesetzt wurden. Vermittelbar sind Preissteigerungen von bis zu zweitausend Prozent in einer aufgeheizten Diskussion um das Urheberrecht allerdings kaum, kommentiert Christian Frank.

Das Urheberrecht ist derzeit en vogue: Es gibt kein Rechtsgebiet, das so intensiv nicht nur Juristenkreisen, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft diskutiert wird. Ein Dauerbrenner sind dabei Fragen rund um die Vervielfältigungsfreiheit.

Hier haben die Verwertungsgesellschaften Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ), die Verwertungsgesellschaft Wort und die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst nun ein weiteres Kapitel aufgeschlagen: Ab 1. Juli 2012 gelten für USB-Sticks und Speicherkarten neue Tarife. So steigen die Vergütungssätze für USB-Sticks bei einer Speicherkapazität von weniger als vier Gigabyte auf 0,91 Euro, für solche mit einer höheren Speicherkapazität auf 1,56 Euro. Für Speicherkarten müssen künftig 0,91 beziehungsweise Euro 1,95 bezahlt werden, die Speicherkapazitätsgrenzen sind dabei identisch.

Die letzte Festsetzung liegt erst zwei Jahre zurück

Urheberrechtliche Vergütungen sind die Gegenleistung für die gesetzliche Lizenz nach § 53 Absätze 1 bis 3 Urheberrechtsgesetz (UrhG), in denen die Freiheit der privaten Vervielfältigung geregelt ist. Dabei ist das gesetzliche Grundkonzept per se stimmig: Die Vervielfältigungsfreiheit beschneidet das Eigentumsrecht der Urheber, hierfür sollen sie eine angemessene Vergütung erhalten. Diese wird auf Geräte und Speichermedien erhoben, die für die Erstellung der entsprechenden Kopien genutzt werden. Bezahlt werden soll die Vergütung zunächst von den Herstellern, Importeuren und Händlern, die die Belastung dann durch einen Preisaufschlag an den Endkäufer weitergeben. Der Gesetzgeber unterstellt dem Endkäufer dabei, dass er mithilfe der Geräte und Medien entsprechende Kopien herstellt.

Zuletzt im April 2010 hatten die Verwertungsgesellschaften einen Tarif für USB-Sticks und Speicherkarten veröffentlicht, der Vergütungssätze ab dem 1. Januar 2008 beinhaltet. Der dortige Vergütungssatz beträgt für alle USB-Sticks und Speicherkarten nur 0,1 Euro. Seit der Urheberrechtsreform 2008 orientierte sich die Höhe der Vergütungssätze daran, in welchem Umfang das betroffene Speichermedium tatsächlich für die Herstellung privater Vervielfältigungen genutzt wird.

Der jetzigen Erhöhungen der Vergütungssätze nun bewegen sich zwischen dem Faktor 9,1 und dem Faktor 19,5. Dass ihnen ein vergleichbarer Anstieg der tatsächlichen Nutzung von USB-Sticks und Speichermedien gegenübersteht, ist schwer vorstellbar; die Vertreter der Industrie halten eine derartige Erhöhung für maßlos überzogen und ungerechtfertigt, die Verwertungsgesellschaften schweigen sich indes hierzu aus. Die Positionen liegen derart weit auseinander, dass sich in Kürze die Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts und danach das Oberlandesgericht München mit dieser Frage beschäftigen wird.

Verwertungsgesellschaften müssen Vergütungsforderungen und Kommunikation überdenken

Vom Gesetz her können die Verwertungsgesellschaften Vergütungssätze einseitig festsetzen, und sie müssen ihre Festsetzungen auch nicht begründen. Wer allerdings Preissteigerungen in Höhe von 1.850 Prozent zu Gunsten seiner Mitglieder durchsetzen will, täte gut daran, zumindest den Versuch zu unternehmen, diese Forderung plausibel zu erklären – ist doch das Verständnis in der Bevölkerung für Forderungen von Urhebern erheblich gesunken, und hat die Rationalität der öffentlichen Diskussion stark abgenommen, wie zuletzt insbesondere die Auseinandersetzungen um ACTA gezeigt haben: Das Anti-Produktpiraterie-Abkommen droht politisch zu scheitern, obwohl das Recht in Deutschland inhaltlich gar nicht geändert werden müsste.

Weite Teile der Bevölkerung scheinen bereits die aktuelle Rechtslage nicht zu akzeptieren und als Bedrohung ihrer Freiheit zu empfinden. Auch wenn dieser Freiheitbegriff fragwürdig erscheint, ist die Diskrepanz zwischen Recht und erheblichen Teilen der Gesellschaft jedoch auch auf mangelhafter Vermittlung des Sinns der Regelungen zurückzuführen.

Dieser Sinn besteht vor allem darin, geistiges Schaffen zu schützen, auch um Urhebern eine angemessene Bezahlung für ihre Leistungen zu ermöglichen. Kommentarlose Extremforderungen steigern den Mangel an Akzeptanz für die Belange der Urheber. Die Interessenvertreter der Urheber täten daher gut daran, sowohl den Umfang als auch die Kommunikation entsprechender Steigerungen ihrer Vergütungsforderungen künftig zu überdenken.

Dr. Christian Frank ist Partner von Taylor Wessing in München.

Zitiervorschlag

Dr. Christian Frank, Neue Tarife für Speichermedien: Extrempreise schaden den Urhebern nur . In: Legal Tribune Online, 27.06.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6481/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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