Nach Klage gegen Euro-Rettungsschirm: Anwaltskosten aus 48 Milliarden Euro?

von Dr. Christian Rath

27.03.2012

Peter Gauweiler hat gegen den Euro-Rettungsschirm geklagt und verloren. Dennoch bekommt er ein Drittel seiner Auslagen ersetzt. Immerhin. Wie viel er konkret erhält, hängt aber noch vom Streitwert ab. Gauweiler und sein Prozessvertreter Dietrich Murswiek taxieren ihn keck auf 48 Milliarden Euro. Ob die beiden nun reich werden, erklärt Christian Rath.

Anfang 2010 erhob der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler als Bürger eine Verfassungsbeschwerde gegen den vorläufigen Euro-Rettungsschirm EFSF (Europäische Finanzstabilisierungs-Fazilität). Der Hilfsfonds verändere nachhaltig die Konzeption der EU als Stabilitätsunion. Die Überforderung des Bundeshaushalts durch Bürgschaften und Garantien entleere Gauweilers Wahlrecht, weil der Bundestag jeden Gestaltungsspielraum verliere.

Das Bundesverfassungsgericht lehnte Gauweilers Klage im September 2011 ab. Eine eventuelle Verletzung der EU-Verträge könne mit der Verfassungsbeschwerde nicht gerügt werden. Und das Wahlrecht der Bundesbürger sei im Ergebnis noch nicht verletzt. Das Gericht nutzte sein Urteil aber dazu, der Politik rechtliche Vorgaben zu machen. So müsse die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben des Staates auch weiterhin in der Hand des Bundestags bleiben. Das Parlament dürfe deshalb keine unüberschaubaren Risiken eingehen, vielmehr müsse es vor jeder Ausweitung der Risiken ausdrücklich zustimmen, so die Richter des Zweiten Senats.

Wie die Kosten des Karlsruher Verfahrens verteilt werden, ließ das Gericht zunächst offen. Erst drei Monate später entschied der Senat in einem kurzen Beschluss, dass Gauweiler vom Staat ein Drittel seiner Auslagen ersetzt bekommt. Seine Klage habe "zur Klärung von Fragen grundsätzlicher Bedeutung beigetragen"(Beschl. v. 14.12.2011, Az. 2 BvR 1099/10).

Murswiek: "50 Millionen Euro schwerlich angemessen"

Doch welche Kosten kann Gauweiler nun als "Auslagen" geltend machen? Natürlich gehören dazu die Fahrtkosten nach Karlsruhe, das Porto für den Schriftverkehr, vor allem aber das Honorar für Professor Dietrich Murswiek, der ihn im Verfahren vertrat. Der Freiburger Hochschullehrer verfasste die Schriftsätze, diskutierte mit den Richtern in der mündlichen Verhandlung und unterstützte Gauweiler bei der Pressearbeit nach der Urteilsverkündung.

Zugrundegelegt wird bei der Abrechnung der Auslagen bekanntlich nicht das Honorar, das Murswiek konkret mit Gauweiler vereinbart hatte, sondern die ihm gesetzlich zustehenden Gebühren. Normalerweise ist die gesetzliche  Anwaltsvergütung deutlich niedriger als die vertraglich vereinbarte - es sei denn, es wird um besonders wertvolle Dinge gestritten, der Streitwert ist also außergewöhnlich hoch.

Gauweiler und Murswiek behaupten, dass hier um ungeheuer große Werte prozessiert wurde. In einem Schreiben an das Gericht argumentierte Murswiek, dass Deutschland im Rahmen des vorläufigen Rettungsschirms EFSF für 240,5 Milliarden Euro hafte. "Sehr optimistisch" nimmt Murswiek weiter an, dass Deutschland mit einem "Ausfallrisiko" von 20 Prozent rechnen müsse. Daraus ergebe sich "ein ökonomischer Wert des Streitgegenstandes von 48 Milliarden Euro", folgert der Freiburger Professor. Er stellt zwar keinen konkreten Antrag, hält aber fest, dass ein Streitwert von 50 Millionen Euro "schwerlich angemessen" wäre. Die Festsetzung des Streitwert solle sich "nicht allzu weit vom tatsächlichen ökonomischen Wert" entfernen.

Streitwert bei 30 Millionen Euro gedeckelt

Die endgültige Streitwertfestsetzung wird durch den Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts erfolgen. Üblicherweise macht der Berichterstatter, hier Peter Michael Huber, einen Vorschlag, dem die anderen Richter dann folgen.

Nun kann man sich über Murswieks Milliarden-Akrobatik etwas wundern. Denn in absolut unerhörte Höhen kann er die gesetzlichen Gebühren damit nicht treiben. Seit einer rot-grünen Reform im Jahr 2004 sind die gesetzlichen Anwaltsgebühren nämlich auf einen Streitwert von 30 Millionen Euro gedeckelt. Zwar haben Anwälte dagegen protestiert, doch das Bundesverfassungsgericht hat die Deckelung der gesetzlichen Gebühren 2007 gebilligt (Beschl. v. 13.02.2007, Az. 1 BvR 910/05 u.a.).

Doch auch beim maximalen Streitwert von 30 Millionen Euro kommen noch hübsche Summen zustande. Laut Gebührentabelle stünden Murswiek 283.637 Euro zu. (Dem liegen die beim Bundesverfassungsgericht geltende 1,6-Verfahrensgebühr plus eine 1,5-Terminsgebühr zugrunde, wobei letztere nur angesetzt wird, wenn ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung stattfand - wie hier.) Das Drittel, das Gauweiler als Erstattung zusteht, läge dann bei 94.544 Euro - das wäre vermutlich deutlich mehr als das, was Murswiek mit Gauweiler vertraglich vereinbart hat.

Als Murswieks Schreiben jüngst durch einen Bericht der Süddeutschen Zeitung bekannt wurde, begannen sofort die Spekulationen. "Reich werden mit euroskeptischen Verfassungsbeschwerden", titelte etwa der "Verfassungsblog" des Berliner Juristen Max Steinbeis. Er kritisierte zugleich auch das BVerfG. Indem es Gauweiler trotz abgelehnter Klage ein Drittel seiner Auslagen zubilligte, ermutige das Gericht geradezu zu weiteren Klagen gegen alle EU-Integrationsschritte.

Der 2. Senat hat ein Herz für Euroskeptiker

Auf Nachfrage hat Murswiek die Spekulationen des Verfassungsblogs nun aber als "abwegig" zurückgewiesen und klargestellt, dass Gauweiler keineswegs vorhabe, mehr abzurechnen als er tatsächlich bezahlt habe. Auch werde er, Murswiek, bei Gauweiler kein höheres Honorar abrechnen, falls das Verfassungsgericht tatsächlich den maximalen Streitwert festsetzt.

Noch ist die Entscheidung in Karlsruhe nicht gefallen. Es wäre jedoch eine Sensation, wenn die Richter den von Murswiek nahegelegten Maximal-Streitwert von 30 Millionen Euro festsetzen würden. Bisheriger Rekord ist ein Streitwert von einer Millionen Euro im Verfahren um den Lissabon-Vertrag (Urt. v. 30.06.2009, Az. Az. 2 BvR 1010/08). Auch damals war Peter Gauweiler der Kläger und Murswiek sein Prozessvertreter. Und bereits damals hatte Murswiek weitaus höhere Summen angeregt. Es spricht manches dafür, dass auch bei der EFSF-Klage am Ende ein Streitwert von einer Million Euro festgelegt wird.

Zwar klingt auch eine Million Euro nicht gerade ärmlich. Doch bei diesem Streitwert ergibt sich aus der Gebührentabelle nur ein Honorar von 13.937,60 Euro für eine Verfassungsklage mit Verhandlung. Erstattet wurde Gauweiler beim Lissabon-Verfahren die Hälfte, das heißt knapp 7.000 Euro. Also überhaupt kein gutes Geschäft für ihn und/oder Murswiek. Denn Branchenkenner rechnen damit, dass Murswiek für eine Prozessvertretung normalerweise mindestens 50.000 Euro verlangt.

Andererseits war das BVerfG aber durchaus kulant. Normalerweise gilt bei einer gewonnenen Verfassungsbeschwerde ein Gegenstandswert von 8.000 Euro (bei 1,6-Verfahrensgebühr bringt das lediglich 659,20 Euro Honorar, bei 3,1-Gebühren - mit Verhandlung - nur 1277,20 Euro). Wenn Karlsruhe für Klagen mit EU-Bezug gerne mal einen Streitwert von einer Million festlegt, ist das zumindest ein deutliches Signal: Gutachten von Murswiek und anderen EU-skeptischen Professoren scheinen am Zweiten Senat offensichtlich erwünscht zu sein.

Der Autor Dr. Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent, unter anderem der Tageszeitung (taz).

Zitiervorschlag

Christian Rath, Nach Klage gegen Euro-Rettungsschirm: Anwaltskosten aus 48 Milliarden Euro? . In: Legal Tribune Online, 27.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5869/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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