Mehr Geld für Minijobber: Von wegen Prekariat

Zum Jahreswechsel steht für Minijobber eine spürbare finanzielle Verbesserung vor der Tür: Die Entgeltgrenze der geringfügig Beschäftigten steigt ab 1. Januar auf 450 Euro, für Beschäftigte in Midijobs auf 850 Euro. Daneben wird ein Mehr an sozialer Absicherung gewährt. Und so bleiben die Working Poor in Deutschland eine sozialromantische Legende, meint Jan Tibor Lelley.

Sabrina M. kann sich freuen. Nach fast zehn Jahren nimmt die Düsseldorferin endlich auch einen Schluck aus der Pulle. Und zwar einen, der sich sehen lassen kann. Eine Entgeltsteigerung um 12,5 Prozent hat die Raumpflegekraft zum Januar 2013 mit ihrer Arbeitgeberin in einer Ergänzung zum Arbeitsvertrag vereinbart.

Es ist die erste Gehaltserhöhung für die Minijobberin seit 2003, also seit zehn Jahren. Und zwar von bisher 400 Euro im Monat auf dann monatlich 450 Euro. Ihre Arbeitgeberin, eine große Werbeagentur, war von allein auf Sabrina M. zugekommen. Hintergrund dieser Initiative ist das zum 1. Januar 2013 in Kraft tretende Gesetz zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung.

Anpassung an allgemeine Lohnentwicklung

Minijobber können ab Januar 2013 50 Euro mehr im Monat verdienen, ohne Sozialabgaben zahlen zu müssen. Vergleichbares gilt für die Midijobber, also die Beschäftigten, die in der sozialversicherungsrechtlichen Gleitzone bisher monatlich zwischen 400,01 und 800 Euro verdienen durften.

Daneben gibt es auch eine rentenversicherungsrechtliche Änderung. Die Mini- und Midijobber müssen künftig der vollen gesetzlichen Rentenversicherung ausdrücklich widersprechen (Opt-out statt bisher Opt-in).

Bestandsschutz- und Übergangsregelungen gibt es für Beschäftigte, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes schon geringfügig und damit ohne die Belastung der Sozialversicherung tätig waren.

Bundesrat befürchtete Verschlechterung für Minijobber

Nicht unerwartet war es im Gesetzgebungsverfahren zum Schlagabtausch zwischen den arbeitsmarktpolitischen Ideologen gekommen. Nach Überweisung des Gesetzentwurfs der Regierungsfraktionen an den Bundesrat nahm sich dort der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik mit einer Empfehlung der Sache an.

Seine Mitglieder hatten die Befürchtung, die Regierung wolle die Verdienstgrenze für sozialversicherungsfreie Arbeitnehmer anheben, um die Arbeitsstunden bei geringeren Stundenlöhnen auszuweiten – höherer Monatslohn durch noch mehr schlecht bezahlte Arbeitsstunden also.

Stattdessen wollte der Bundesrat Fehlanreize und Missbrauch von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen eindämmen oder, noch besser,  beseitigen. Reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze sollten nicht mehr von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zurückgedrängt, Minijobber nicht mehr wie Arbeitnehmer zweiter Klasse behandelt werden.

Experten: Minijobs Bestandteil des wirtschaftlichen Aufschwungs

Dieser Versuch eines sozialpolitischen Roll-Back stieß auf Widerstand. Schon in der Expertenanhörung des Bundestags im Oktober 2012 würdigte ein Sozialversicherungsträger die Minijobs als Bestandteil des wirtschaftlichen Aufschwungs.

In Privathaushalten sei die Anzahl der Minijobs von 2004 bis 2012 stark gestiegen. Die illegale Beschäftigung hätte so eingedämmt werden können. Die geplante Erhöhung der Verdienstgrenze könne den inflationsbedingten Kaufkraftverlust ausgleichen.

Andere Experten sehen die Minijobber durch das neue Gesetz sogar besser abgesichert, da eine grundsätzliche Rentenversicherungspflicht entstehe, von welcher sich die Beschäftigten nur auf Antrag befreien lassen könnten.

Sozialstaat lässt sich Minijobs einiges kosten

Tatsächlich hat sich die Entgeltgrenze der sozialversicherungsfreien Arbeitsverhältnisse unter wechselnden Bundesregierungen seit 1981 über 1999 und 2003 schrittweise immer weiter nach oben verschoben. Das wird wohl niemand ernsthaft als Nachteil für die Arbeitnehmer bezeichnen.

Seit 2005 liegt die Zahl sozialversicherungsfreier Arbeitsverhältnisse stabil bei ca. 4,9 Millionen (vgl. Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit von November 2012) - und weist damit die Behauptung von der wachsenden Zahl geringfügig Beschäftigter als prekäre Arbeitsverhältnisse in das Reich der sozialpolitischen Legenden.

Gleichzeitig lässt sich der Sozialstaat das neue Gesetz einiges kosten. Nach der Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales führen die Gesetzesänderungen für den Bund zu jährlich steigenden Mehrausgaben, die ab 2015 bis zu 70 Millionen Euro pro Jahr betragen könnten. Die Sozialversicherungen ohne die gesetzliche Rentenversicherung werden Mindereinnahmen verbuchen müssen in einer Größenordnung von jährlich bis zu 90 Millionen Euro, die Steuerausfälle werden mit jährlich 210 Millionen Euro verbucht.

Der Autor Dr. Jan Tibor Lelley, LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Buse Heberer Fromm Rechtsanwälte Steuerberater PartG sowie Lehrbeauftragter für Tarif- und Arbeitskampfrecht an der juristischen Fakultät der Ruhr Universität Bochum.

Zitiervorschlag

Jan Tibor Lelley, Mehr Geld für Minijobber: Von wegen Prekariat . In: Legal Tribune Online, 02.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7888/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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