Elektronische Signatur von Mietverträgen: Elek­tro­ni­sches Doku­ment als ein­heit­li­ches Papier

von Cornelia Thaler und Heinz Benesch

11.09.2018

Wie einfach wäre es, seitenlange Mietverträge nicht mehr um die Welt schicken zu müssen. Die digitale Signatur sollte die Lösung sein. Doch bisher bringt die Rechtsprechung des BGH unnötige Hürden, sagen Cornelia Thaler und Heinz Benesch.

Wie jeder andere Wirtschaftszweig wird auch die Immobilienbranche mit den Herausforderungen der Digitalisierung und der Industrialisierung 4.0. konfrontiert. Ein relativ einfaches Instrument des Legal Tech stellt dem Grunde nach die elektronische Signatur dar. Sie dient der Erleichterung des Rechtsverkehrs und der Erhöhung der Rechtssicherheit.

Bei Mietverträgen sieht sich die elektronische Signatur jedoch in Deutschland mit den Herausforderungen des Schriftformerfordernisses gemäß §§ 550, 126 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) konfrontiert. Danach ist ein auf länger als ein Jahr befristeter Mietvertrag, wenn er nicht in der vorgesehenen Schriftform abgeschlossen wurde, zwar nicht unwirksam, kann aber von jeder Partei kurzfristig und jederzeit nach einem Jahr gekündigt werden, unabhängig von der im Vertrag vereinbarten Laufzeit. Die frühzeitige Kündigung ist bei langlaufenden Mietverträgen eben gerade unerwünscht, ein Kündigungsrecht (je nach Marktlage für Mieter oder Vermieter, aber auch für den beratenden Rechtsanwalt) ggf. wirtschaftlich problematisch.

Gerade für global agierende Unternehmen ist es also essentiell, dass das Schriftformerfordernis auch bei digitalen Signatur erfüllt ist. Doch die Rechtslage ist unklar und führt bei Vertragsparteien, ihren Rechtsabteilungen sowie Beratern derzeit zu Verunsicherung. Und das ohne Not.

Schlüssel zu den Dokumenten

Die Einsatzmöglichkeiten der elektronischen Signatur sind in der europäischen Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (eIDAS-VO) geregelt. Die Verordnung löste 2014 das Signaturgesetz ab und stellt in Verbindung mit § 126a BGB klar, dass solche digitalen Namenszüge das in § 126 BGB statuierte Gebot der Handschriftlichkeit erfüllen. Zu beachten sind lediglich bestimmte technische Mindeststandards sowie die verpflichtende Administration des Signaturprozesses über eine zertifizierte Stelle, die sogenannten Vertrauensdienste. Solche Vertrauensdienste liegen bei privaten Technologie-Unternehmen.

Die Verordnung sieht verschiedene Signaturen für unterschiedliche Rechtsgeschäfte vor, an die dementsprechend auch verschiedene formale Anforderungen gestellt werden. Zum rechtswirksamen Unterzeichnen digitaler Dokumente – wie elektronisch vorliegender Mietverträge – bedarf es etwa einer so genannten qualifizierten elektronischen Signatur (e-Signatur).

Für eine solche Signatur verwenden die Vertrauensdienste asymmetrische Verschlüsselungsverfahren. Anders als bei symmetrischen Verfahren, bei denen sich die Parteien einen Schlüssel zu Kodierungszwecken teilen, erstellt hier die Verschlüsselungssoftware – technisch gesprochen die Kryptosoftware - für jede Partei einen eigenen privaten und einen öffentlichen Schlüssel, sie sind also asymmetrisch. In einem ersten Schritt erstellt der Unterzeichnende mithilfe der Software des Vertrauensdiensts aus dem zu signierenden Dokument eine einzigartige Zahlenabfolge, den Hash-Wert. Diesen verarbeitet der Anwender sodann mit seinem Privatschlüssel zu einem verschlüsselten Hash-Wert. Dieser wird mit dem zu signierenden Dokument mitgeliefert und stellt die e-Signatur dar.

Will der Empfänger überprüfen, ob die Datei tatsächlich so vom Unterzeichner stammt und signiert wurde, verwendet er dessen in einer Liste einsehbaren öffentlichen Schlüssel auf den verschlüsselten Hash-Wert. Dabei errechnet das Programm den ursprünglichen unverschlüsselten Hash-Wert und zeigt diesen an. Stimmt er mit dem mitgelieferten Hash-Wert, der als Vergleichsvorlage dient, überein, so weiß der Empfänger, dass das Dokument tatsächlich vom Unterzeichner stammt und seit der digitalen Unterzeichnung unverändert geblieben ist.

Hacking nicht auszuschließen

Nach der bestehenden Rechtslage sollten also der Einsatz der elektronischen Signatur und damit zusammenhängend der Vertrauensdienste verlässlich sein; schließlich legt die eIDAS-Verordnung in Art. 25 Abs. 2 die rechtliche Egalität von handschriftlicher Unterschrift und e-Signatur fest. Maßgeblich für die gerichtliche Beweisführung der elektronischen Unterschrift ist § 371 a Zivilprozessordnung (ZPO). Für die qualifizierte elektronische Signatur nach Art. 32 eIDAS-VO gilt danach: Der Anschein der Echtheit einer in elektronischer Form vorliegenden Erklärung nur durch Tatsachen erschüttert werden kann, die ernstliche Zweifel daran begründen, dass die Erklärung von der verantwortenden Person abgegeben worden ist.

Gleichwohl kann dieser Anscheinsbeweis widerlegt werden. Und selbst im Tech-affinen Kalifornien haben Gerichte offensichtlich Zweifel daran, die Identität des Unterzeichners bei der Anwendung der qualifizierten elektronischen Signatur eindeutig nachzuweisen. So argumentierte bereits ein kalifornisches Gericht, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass Daten zu Signaturanwendungen gehackt und von Dritten genutzt würde und sprach in einem insolvenzrechtlichen Spezialfall einer e-Signatur des Betreibers DocuSign jedenfalls die Gültigkeit ab. In Deutschland haben sich die Gerichte bislang ersichtlich nicht mit dem Thema befasst.

BGH will bisher ein einheitliches Papier

Während also die technische Umsetzung und der europarechtliche Hintergrund eindeutig zu sein scheinen und die qualifizierte elektronische Signatur insbesondere bei digitalen Unternehmen nach und nach zum Standard wird, gibt es bei der Anwendung auf langfristige Mietverträge und die Regelung des § 550 BGB rechtliche Zweifel.

Denn der Bundesgerichtshof (BGH) fordert für die Einhaltung der Schriftform bislang ein – unter Berücksichtigung von definierten Auflockerungskriterien – einheitliches Papierdokument. Seine Mitte des letzten Jahrhunderts begründete Rechtsprechung hat der BGH insoweit weitgehend bis heute beibehalten.

So urteilte er in seiner Entscheidung vom 7. Mai 2008 (Az. XII ZR 69/06) zum Zweck des Schriftformerfordernisses und der Erkennbarkeit von Vertretungsverhältnissen: "Das Schriftformgebot des § 550 BGB will in erster Linie sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Vertrag ersehen kann." Darüber hinaus dient die Schriftform des § 550 BGB aber auch dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien sicherzustellen und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen.

Zu dem handschriftlich unterschriebenen Vertrag hielt der BGH bereits im Jahre 1997 fest, dass die Schriftform des § 126 BGB keine körperliche Verbindung der einzelnen Blätter der Urkunde erfordere, wenn sich deren Einheit aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder vergleichbaren Merkmalen zweifelsfrei ergibt und der damalige § 566 BGB (nun § 550 BGB) keine darüber hinausgehenden Anforderungen an die äußere Beschaffenheit der Vertragsurkunde stelle (BGH Urt. v. 24.03.1997, Az. XII ZR 234/95).

Einheitlichkeit bei delokalisierter Speicherung

Bei dem elektronisch signierten Dokument liegt anstelle einer Urkunde in Papierform ein auf diversen Servern gespeichertes elektronisches Dokument vor. Daher stellt sich hier, neben dem bereits vorstehend erwähnten Nachweis der Identitätsfunktion, die Frage, ob der BGH die Einheitlichkeit des Vertragsdokumentes bei der elektronischen Signatur gewahrt sieht und ob die delokalisierte Speicherung mit den Erfordernissen der Urkundeneinheit vereinbar ist. Auch die Frage, ob mit dem elektronischen Mietvertrag ein Urkundenprozess geführt werden kann, ist wohl negativ zu beantworten.  

Noch wurde kein Fall zum elektronisch signierten Mietvertrag bis zum BGH getrieben; es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit bis sich das ändert. Allerdings kann es Jahre dauern, bis eine Entscheidung des BGH vorliegt.

Solange dies nicht der Fall ist, ist die Rechtssicherheit der elektronischen Signatur für länger laufende Mietverträge aus Sicht der Rechtsabteilung oder des externen rechtlichen Beraters jedenfalls zweifelhaft. Sofern sie gleichwohl zum Einsatz kommt, sind die wirtschaftlichen Risiken für die Parteien abzuwägen, da eine juristisch eindeutige Positionierung momentan nicht erfolgen wird. Dieses Ergebnis ist in Zeiten der globalen Digitalisierung und dem rasanten Fortschritt der Industrialisierung 4.0 unbefriedigend. Aus Sicht der mit Mietverträgen befassten Rechtsabteilung wäre eine eindeutige Positionierung der Rechtsprechung auch aus dem Gesichtspunkt einer globalen Vereinheitlichung wünschenswert; diese könnte beispielsweise auch durch die Abschaffung oder Reformierung des nicht mehr zeitgemäßen § 550 BGB erfolgen.

Die Autorin Cornelia Thaler ist Partnerin und Leiterin Immobilienrecht bei Clifford Chance in Frankfurt. Der Co-Autor Heinz Benesch ist Director Legal & Contract Management bei e-shelter services GmbH, einem Entwickler und Betreiber von Rechenzentren.

Zitiervorschlag

Elektronische Signatur von Mietverträgen: Elektronisches Dokument als einheitliches Papier . In: Legal Tribune Online, 11.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30853/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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