Rechtliche Probleme mit viralen Witzen im Netz: Mimimi mit Mems

von Markus Kompa

17.08.2013

2/2: Persönlichkeitsrechte als scharfes Schwert

Ein scharfes Schwert wird Betroffenen mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie Sonderpersönlichkeitsrechten in die Hand gegeben. Grundsätzlich muss es sich niemand bieten lassen, unfreiwillig in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, etwa durch Nennung seines Namens oder Abbildung seines Gesichts in einem diffamierenden Kontext.

Prominentestes Beispiel für solche Häme ist das "Star Wars Kid", ein pummeliger, etwas nerdiger Junge, der sich 2002 beim Nachstellen einer Szene von "Episode I" filmte und im Internet unfreiwilligen Legendenstatus erlangte. Das Mem wurde in bekannten TV-Produktionen aufgegriffen und gehört nicht nur in den USA zur Populärkultur. Der millionenfach geklickte Junge litt unter dem viralen Spott so sehr, dass er sich in psychiatrische Behandlung begab und schließlich selbst Jurist wurde.

Nach deutschem Recht hätte das Star Wars Kid sein Recht auf Anonymität beanspruchen können. Insbesondere die öffentliche Wiedergabe der Gesichtszüge eines Menschen bedarf grundsätzlich dessen Einwilligung nach §§ 22 ff. des Kunst- und Urheberrechtsgesetzes (KunstUrhG). Ausnahmen bestehen dann, wenn etwa ein zeitgeschichtliches Ereignis vorliegt oder aber die Wiedergabe einem "höheren Interesse der Kunst" dient. Zeitgeschichtliche Ereignisse lassen sich jedoch außerhalb politisch relevanter Sachverhalte, einschneidender Geschehnisse und Prominenz des Abgebildeten häufig nur schwer begründen; ein "höheres Interesse der Kunst" spielt im Rechtsalltag kaum eine Rolle.

Bei der Verhohnepipelung von Privatleuten kann es daher schnell teuer werden. Die Unterlassungsansprüche müssen allerdings regelmäßig mit dem Recht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG abgewogen werden. Wird mit dem Mem plakativ eine politische Aussage transportiert, die eine in der Öffentlichkeit stehende Person betrifft, muss diese sich einiges bieten lassen.

Schutz auch für Internetprominenz – der Technoviking

Wer durch ein Mem berühmt wurde, kann seine Persönlichkeitsrechte auch noch Jahre später geltend machen. Aktuelles Beispiel ist der "Technoviking". Jener Herr hatte bei der im Jahr 2000 stattfindenden "Fuck Parade" mit entblößtem Oberkörper, stoischer Miene und einem denkbar coolen Tanzstil Maßstäbe für Männlichkeit gesetzt. Der barbarisch wirkende Hüne war spontan von einem Künstler gefilmt worden, der ihn allerdings erst Jahre später bekannt machte und schließlich sogar Merchandising-Artikel wie T-Shirts und Tassen verkaufte. Der zum Kult gewordene Tänzer wurde vielfach parodiert und weckte schließlich das Interesse von TV-Müllmann Raab.

Nach ein paar Jahren hatte der Technoviking dann genug und klagte am Landgericht (LG) Berlin auf Unterlassung, Herausgabe der durch Vermarktung seiner Person erwirtschafteten Gewinne sowie eine von den Gerichten entwickelte Geldentschädigung wegen Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht (vulgo: "Schmerzensgeld"). Das Gericht gab dem Unterlassungsbegehren statt und sprach dem Kläger auch die Einnahmen zu, die etwa durch die Nutzung auf YouTube generiert wurden. Eine eigenständige Geldentschädigung wegen des angeblich schweren Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht sah das Gericht jedoch als unschlüssig an, weil der Kläger den Künstler über Jahre gewähren ließ, bevor er etwas unternahm (LG Berlin, Urt. v. 30.05.2013, Az. 27 O 632/12). Der verklagte Filmemacher und seine Fans hingegen bewerten das Urteil als Kulturverbrechen und wollen ihr Glück in der nächsten Instanz versuchen. Das Verfahren soll über internationales Crowdfunding finanziert werden.

Das Bestehen rechtlicher Möglichkeiten bietet allerdings keine Gewähr dafür, dass das Begehren auf praktischer Ebene tatsächlich durchgesetzt werden kann. Speziell im Internet, das konstruktionsbedingt Hindernisse als Fehler interpretiert und umgeht, regiert der Streisand-Effekt. Wer Äußerungen verbergen möchte, muss damit rechnen, dass er hierdurch erst recht Aufmerksamkeit auf sich zieht und seinem Anliegen einen Bärendienst erweist. Eine zivilrechtlich lückenlose "Zensur" des Internets, das im Ausland über Oasen mit weitem Verständnis von Meinungsfreiheit verfügt, gibt es nicht. Gerade bei Mems, die bereits ein verbreitetes Massenphänomen geworden sind, erscheint die begehrte Rechtsdurchsetzung häufig eher als unsportliche Gängelung.

Markus Kompa ist Rechtsanwalt mit Spezialgebiet digitale Meinungsfreiheit. Er berät Blogger, Whistleblower und Journalisten und kandidiert für die Piratenpartei für den Bundestag.

Zitiervorschlag

Markus Kompa, Rechtliche Probleme mit viralen Witzen im Netz: Mimimi mit Mems . In: Legal Tribune Online, 17.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9378/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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