Rechtsetzung bei der Besiedelung eines Planeten: Einmal Mars und nicht zurück

von Dr. Oliver Daum

12.02.2016

Die niederländische Stiftung Mars One will Menschen auf den Mars schicken. Der Haken: Es gibt keinen Rückflug. Was das mit moderner Staatenbildung zu tun hat und warum die Menschenrechte auch auf dem Mars gelten, erläutert Oliver Daum.

Es soll der nächste Schritt in der Geschichte der Menschheit sein. Die private Organisation Mars One plant ab dem Jahr 2026 Menschen auf den Mars zu schicken, um diesen zu besiedeln. Bereits in vier Jahren sollen spezielle Habitate dorthin transportiert werden, die menschliches Leben möglich machen. Finanziert wird das mit 5,5 Milliarden Euro veranschlagte Projekt durch Spenden und den Verkauf von TV-Rechten. Bald gibt es also Big Brother auch aus dem All.

Dass aus technischen Gründen eine Rückkehr auf die Erde nicht möglich sein wird, ist den Teilnehmern bewusst. Und hier beginnen neben ethischen und technischen Fragen die juristischen Probleme. So zum Beispiel, ob ein Marsbewohner eine Strafe zu erwarten hat, wenn er mittels der installierten Videokameras einer Straftat überführt werden kann. Wird es Gerichte und Polizei geben? Und überhaupt, welches Recht gilt eigentlich auf dem Mars?

Der Weltraumvertrag – endliche Weiten

Als natürlicher Himmelskörper unterfällt der Mars zunächst dem Weltraumvertrag von 1967 - offizieller Titel "Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper" (WeltRV). Allerdings ist der inzwischen von 99 Nationen ratifizierte, völkerrechtliche WeltRV nicht unmittelbar auf den privaten Akteur Mars One anwendbar.

Des Weiteren gingen die Gesetzgeber des Weltraumrechts bislang von einer Rückkehr auf die Erde aus. Denn anders können die Staaten ihre Hoheitsgewalt gegenüber den Astronauten kaum effektiv ausüben. Unabhängig von diesen Hürden in der Anwendung lohnt sich ein Blick in die Art. I und II WeltRV hinsichtlich der Frage, ob ein privater Anbieter den Mars überhaupt besiedeln darf.

Denn gemäß Art. II darf ein Staat den Mars oder Teile hiervon nicht für sich allein beanspruchen und andere Staaten dabei ausschließen. Vielmehr sollen nach Art. I die Ressourcen durch Erforschung und Nutzbarmachung der gesamten Menschheit dienen. Diese Anforderungen sind für Mars One und die Niederlande als dem vermeintlichen Registerstaat erfüllbar: Sie müssten nur bspw. die gewonnenen Erkenntnisse der Wissenschaft zur Verfügung stellen. Im Ergebnis dürfte der WeltRV einer Besiedelung des Mars also nicht entgegenstehen.

Schwieriger zu beantworten sind hingegen Zuständigkeits- und Haftungsfragen. Anders formuliert: Welcher irdischen Rechtsordnung unterfällt das Projekt? Dies könnte bedeutsam werden, wenn die Raumfahrzeuge von Mars One Schäden auf der Erde oder an Satelliten verursachen oder wenn es zu Straftaten auf dem Mars kommt. Bei der International Space Station (ISS) werden derlei Aspekte durch das Personalitäts- und ein quasi-Territorialitätsprinzip geregelt: Verübt ein Deutscher eine Straftat gegen einen US-Amerikaner in einem in Japan registrierten Modul der ISS, unterfällt diese neben der deutschen und US-amerikanischen auch der japanischen Rechtsordnung.

Doch der ISS-Vertrag eignet sich nur bedingt als rechtliches Modell für Mars One. Denn selbst wenn sich die betroffenen Staaten auf eine Rechtsordnung einigen könnten, würde diese nicht durchgesetzt werden. Kein Staat würde sich bereit erklären, seine Bediensteten unwiderruflich auf den Mars zu versetzen, damit dessen Besiedelung nach Recht und Ordnung verläuft. Staatliche Hoheitsgewalt wird auf der Erde ausgeübt.

Keine Space Cowboys

Damit sich dennoch keiner der Teilnehmer als Space Cowboy aufspielt, läuft alles auf eine eigene Rechtsordnung für den Mars hinaus. Und hierbei könnte die in den Niederlanden ansässige Erdstation von Mars One ganz entscheidenden Einfluss nehmen. Immerhin werden von dort die TV-Kameras und die Kommunikation mit der Erde gesteuert. Reichen die technischen Mittel aus, um Zuwiderhandlungen gegen die neue Rechtsordnung zu sanktionieren?

Eine Sanktion könnte darin bestehen, die Sauerstoffzufuhr des Übeltäters auf bestimmte Habitate zu begrenzen, um so seine Bewegungsfreiheit temporär einzuschränken. Vorstellbar ist auch, die Kommunikation mit den auf der Erde verbliebenen Familienangehörigen auf ein menschenrechtliches Minimum zu reduzieren.

Wenn von der Erdstation eine solchermaßen staatsähnliche Hoheitsgewalt über die Station auf dem Mars ausgeübt werden kann, dann profieren die Menschen dort auch mittelbar von unseren Menschenrechten. Bekanntlich würde die Erdstation nach wie vor der Kontrolle und den Schutzpflichten des niederländischen Staates als Registerstaat unterstehen. Die Einführung der Todesstrafe auf dem Mars rückte damit in weite Ferne.

Staatenbildung in Reinform

Doch wie sähe die neue Rechtsordnung aus, wenn von der Erde aus keine tatsächliche Einflussnahme möglich sein wird? In diesem Fall wären die Teilnehmer beim Aufbau staatsähnlicher Strukturen auf sich allein gestellt. Die Marsmenschen gäben sich sozusagen aus sich heraus eine Rechtsordnung – ein staatstheoretischer Reinakt. Ausgeschlossen wäre die Todesstrafe dadurch freilich nicht. Auch wenn die Verantwortlichen bei Mars One bei der Auswahl der über 200.000 Bewerber auf eine sozialverträgliche Homogenität besonderen Wert legen müssen.

Zugegeben, Mars One ist ambitioniert und manchem Kritiker erscheint fraglich, ob das Projekt je realisiert wird. Indessen macht der zunehmende Fortschritt Hoffnung, dass in zehn oder 20 Jahren tatsächlich Menschen auf dem Mars leben. Unter welcher Rechtsordnung auch immer.

Der Autor Dr. Oliver Daum ist Rechtsreferendar in Kiel. Neben seiner Promotion im Bereich des Völkerrechts befasste er sich auch mit dem Weltraumrecht.

Zitiervorschlag

Rechtsetzung bei der Besiedelung eines Planeten: Einmal Mars und nicht zurück . In: Legal Tribune Online, 12.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18440/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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