NS-Prozess gegen Hubert Zafke: Im fal­schen Zug?

von Till Mattes

14.04.2017

2/2: Befangenheitsanträge auch von der Staatsanwaltschaft

Die Generalstaatsanwaltschaft Rostock teilt wesentliche Argumente der Nebenkläger in ihrer an das OLG gerichteten Stellungnahme von Ende Februar, die LTO vorliegt. Ihr leitender Oberstaatsanwalt Dr. Jürgen Garbe bezieht darin klar Stellung. Der Kammerbeschluss, der der OLG-Entscheidung nicht folgt, sei "gerade in einem Verfahren von einer derartigen rechtlichen und geschichtlichen Bedeutung nur schwer erträglich".

Für Garbe belegt außerdem die "Hartnäckigkeit, mit der die Kammer berechtigte Belange der Nebenkläger und ihrer Vertreter negiert", dass diese "nicht bereit oder in der Lage ist, den angeklagten Sachverhalt in richterlicher Unbefangenheit zu verhandeln". So hat denn auch Anfang April die anklageführende Staatsanwaltschaft Schwerin Befangenheitsanträge gegen die drei Richter der Kammer gestellt. Neben Kabisch sind das Richterin am LG Urte Brinkmann und Richter am LG Reinhard Elfers.

Auch das OLG Rostock teilt entscheidende Argumente Nestlers, wie aus dem Beschluss vom 28. Februar 2017 (Az. 120 Ws 69/17) hervor geht: Das OLG hebt auf die Beschwerde der beiden Nebenklägeranwälte den Beschluss des LG Neubrandenburg vom Februar auf. Das OLG führt dazu auch noch aus, im Fall von Walter Plywaski habe es keine Sachverhaltsänderung gegenüber dem Beschluss vom Februar 2016 gegeben, die evtl. zu einer Neubeurteilung der Berechtigung geführt haben könnte. Die alte Entscheidung für die Zulassung der Nebenklage habe demnach allein deshalb noch Gültigkeit.

"Der Gegenauffassung der Kammer, die die Beschwerdeentscheidungen des Senats offenbar für unbeachtlich hält, weil es sie aus Rechtsgründen für falsch erachtet, ist nicht zu folgen, weil sie letztlich zur Bedeutungslosigkeit des Rechtsmittelverfahrens führen würde", so das Gericht in seinem Beschluss.

Es sind wohl auch Äußerungen die diese, die Anwalt Walther zu dem Schluss kommen lassen: „Die Schriftsätze des Generalstaatsanwalts und des OLG Rostock lesen sich wie eine Aufforderung, dass jemand ein Rechtsbeugungsverfahren anstrengen möge.“

StA Stralsund prüft Einleitung des Verfahrens

Das hat Walther nun getan. Die Sache liegt bei der Staatsanwaltschaft Stralsund. Ein Sprecher teilte gegenüber LTO mit: „Wir prüfen, ob wir ein formelles Verfahren einleiten. Entgegen anders lautenden Medieninformationen ist dies also noch gar nicht geschehen." Die entsprechende Entscheidung wird nach Aussage des Sprechers erst in einigen Wochen gefällt.

Die Rechtslage sei kompliziert. Es gehe in der Anzeige um den Vorwurf, dass in Kenntnis der Gefahr der Rechtsbeugung vorsätzlich eine bindende Entscheidung getroffen worden sei, was ein eklatanter Verstoß gegen die Rechtsordnung wäre, so der Sprecher. Was die Sache auch noch erschwere, sei, dass die Anzeige sich gegen jeden der drei Richter individuell richte.

Es muss also untersucht werden, inwieweit jeder einzelne Richter Verantwortung trägt. Dazu muss man aber wissen, wie das Gremium z.B. abgestimmt hat. „Richter sind grundsätzlich aber nicht befugt, das Beratungsgeheimnis zu brechen“, so der Sprecher. Es gebe ein Spannungsverhältnis zwischen einem OLG und einem LG. Juristisch sei die Lage nicht ganz klar definiert. Berührt sei zudem der Aspekt der richterlichen Unabhängigkeit.

Das hohe Gut der richterlichen Unabhängigkeit

Die Einschätzung der richterlichen Unabhängigkeit als hohes Gut teilt Walther, der früher selbst Richter war. Aber er betont, dass es umso wichtiger sei, dass diese sachliche Unabhängigkeit auch Grenzen habe. "Dieser Umstand sichert, dass es nach Recht und Gesetz zugeht. Dem dient die Funktion des OLG gegenüber nachgeordneten Gerichten. Es geht nicht nach Lust und Laune eines Richters."

Für Walther geht es um "die Bindungswirkung, die OLG-Beschlüsse für ein Landgericht haben. Dazu gibt es keine zwei Meinungen". Sollte die Staatsanwaltschaft Stralsund dies auch so sehen, könnten sich die Kabisch und Kollegen bald auf der Anklagebank wiederfinden.

Eine erste Hauptverhandlung gegen Hubert Zafke gab es bislang an wenigen Tagen. Über die Frage der Verhandlungsfähigkeit des 96-Jährigen ging sie bisher nicht hinaus. 

Zitiervorschlag

Till Mattes, NS-Prozess gegen Hubert Zafke: Im falschen Zug? . In: Legal Tribune Online, 14.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22661/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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