Korruptionsindex: Eine Hilfe, kein Allheilmittel

von Dr. Thomas Grützner

05.11.2010

In den letzten Wochen erschien der Korruptionswahrnehmungsindex der Antikorruptionsorganisation Transparency International für das Jahr 2010. Deutschland rutscht nach dem CPI 2010 weiter in das europäische Mittelmaß ab. Die Erkenntnisse, die sich aus dem CPI gewinnen lassen, sind auch für Unternehmen wichtig, dürfen aber nicht überschätzt werden.

Der Veröffentlichung des Corruption Perceptions Index (CPI) von Transparency International wird jedes Jahr mit Spannung entgegengesehen. Der diesjährige CPI umfasst 178 Länder. Er misst den Grad der im öffentlichen Sektor, das heißt bei Beamten und Politikern des jeweiligen Landes wahrgenommenen Korruption.

Das Ergebnis: Etwa 75 Prozent der untersuchten Länder werden als korrupt wahrgenommen. Die Bewertung von Griechenland, Italien, USA, der Tschechischen Republik, Ungarn und Deutschland verschlechterte sich gegenüber dem Vorjahr.

Deutschland nimmt im Vergleich zu europäischen und vergleichbaren Industrieländern eine eher mittelmäßige Position ein und belegt nun Platz 15 (2009: Platz 14). Bei den nordeuropäischen Spitzenreitern Dänemark (Platz 1), Finnland und Schweden (beide Platz 4) wird Korruption im öffentlichen Sektor deutlich geringer wahrgenommen. Was lässt sich nun aus diesen Erkenntnissen schließen?

CPI bildet Korruption nur partiell ab

Wer in der täglichen Arbeit mit Korruptionsprävention oder der Bearbeitung aufgedeckter Fälle von Korruption auf internationaler Ebene befasst ist, greift auch auf die Informationen des CPI zurück. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse bedürfen aber einer kritischen Reflektion. Zum einen misst der CPI den Grad der "Wahrnehmung", zum anderen bezieht er sich nur auf "den öffentlichen Sektor".

Will sich beispielsweise ein Unternehmen darüber informieren, wie korrupt das Land ist, aus dem ein potentieller Geschäftspartner kommt, hilft der CPI streng genommen nicht weiter. Er enthält nämlich keine Aussage zur Korruption im geschäftlichen Verkehr und würde nur bei Geschäften mit der öffentlichen Hand helfen. Gleichwohl sollte das Unternehmen den CPI heranziehen.

Immerhin vergeht kaum eine Woche, in der nicht das Thema Korruption in immer neuen Facetten diskutiert wird. Konzernen drohen Bußgelder in dreistelliger Millionenhöhe, Einzelpersonen sogar der Gang ins Gefängnis. Ein Trend zu einer Zu- oder Abnahme von Korruption ist auch in Deutschland nicht erkennbar. Die Höhe der Dunkelziffer lässt sich kaum schätzen. Der Druck durch die Ermittlungsbehörden wächst, gleichzeitig steigt die Aufklärungswahrscheinlichkeit. Unternehmen investieren immense Summen in die Korruptionsprävention und gehen dem Verdacht von Fehlverhalten nach – manche mehr, manche weniger energisch.

Compliance Due Diligence als Mittel zum Zweck für Unternehmen

In dem eben skizzierten Umfeld gehen Unternehmen insbesondere bei internationalen Geschäften vermehrt dazu über, ihre Geschäftspartner einer Integritätskontrolle zu unterziehen (Business Partner Screening). Auch bei der internen Revision und bei Unternehmensakquisitionen spielt "Compliance", also die Einhaltung insbesondere der Vorschriften zur Antikorruption und des Kartellrechts eine immer größere Rolle.

Solche "Compliance Audits" oder "Compliance Due Diligences" dienen dem Ziel, die zum Teil veränderte Unternehmenskultur nicht lediglich in Dokumenten zu verbriefen, sondern in die Köpfe der Mitarbeiter zu transportieren. Mit wem habe ich es zu tun? Schlummern Risiken in dem eigenen Unternehmen? Läuft man Gefahr, sich bei einem angestrebten Unternehmenserwerb Risiken "einzukaufen"? Diese Fragen sind es, die viele Unternehmen derzeit bei dem Thema Korruption interessieren.

Antworten lassen sich auch im CPI 2010 nicht finden. Er ermöglicht den Unternehmen aber, auf objektiver Basis eine abgestufte Risikobewertung durchzuführen und diese Gedanken transparent zu dokumentieren. Beispielsweise wird man bei Geschäftspartnern oder Unternehmensakquisitionen in Ländern, die laut CPI 2010 als "sehr korrupt wahrgenommen" eingestuft werden, andere Sorgfaltsmaßstäbe annehmen dürfen als bei den angesprochenen nordeuropäischen Spitzenreitern des Index.

Risikominimierung durch konsequente Anwendung von Antikorruptionsvorschriften

Unternehmen werden zukünftig immer häufiger auf das Mittel eines "Compliance Audits" oder einer "Compliance Due Diligence" zurückgreifen. Auf dem Gebiet der "Compliance" herrscht Hochkonjunktur und das nicht aufgrund des CPI, sondern aufgrund der kontinuierlich gestiegenen Komplexität der Unternehmensstrukturen und der Schwierigkeiten, den durch korruptive Geschäftspraktiken hervorgerufenen Risiken im globalen Wirtschaftsverkehr Herr zu werden. Die "Compliance Due Diligence" (oder ein "Compliance Audit") hilft dem Unternehmen, die Risiken des Unternehmens und seiner Führungskräfte zu minimieren.

Der CPI 2010 ist und bleibt kein Allheilmittel. Er hilft Unternehmen bei der Korruptionsprävention im internationalen Geschäftsverkehr. Eines kann dem CPI 2010 aber keineswegs entnommen werden: Die Antwort auf die Frage, ob Deutschland korrupter geworden ist oder aufgrund des erhöhten Verfolgungsdrucks Korruption nicht einfach sensibler wahrgenommen wird.

Der Autor Dr. Thomas Grützner ist Rechtsanwalt und Partner bei Baker & McKenzie in München.

Zitiervorschlag

Thomas Grützner, Korruptionsindex: Eine Hilfe, kein Allheilmittel . In: Legal Tribune Online, 05.11.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1856/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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