Korruption im Sport: Sportler-Gangster

von Prof. Dr. Ulrich Sommer

13.02.2017

Künftig soll sich, zum Unmut vieler Experten, nach deutschem Recht strafbar machen, wer im Berufssport manipuliert. Ulrich Sommer sieht in dem Kampf für die "Integrität des Sports" Fragen aufgeworfen, die das Strafrecht nicht beantworten kann.

15. Juli 2017. Wimbledon. Endspiel der Damen. Einmal mehr stehen sich im Sisters-Act Serena und Venus Williams gegenüber. Das Match ist eng, beide gewinnen einen Satz. Dann der unerklärliche Abfall von Serena, die leichtesten Bälle gehen ins Aus, Doppelfehler en masse. Venus gewinnt.

Der Vater gibt später in einem exklusiven Interview Erklärungen. Die Schwestern hätten sich vorab geeinigt. Serena hat schon so viele Titel, Venus wollte nachziehen. Dafür hat sie ihrer Schwester die Siegerprämie versprochen. Der Vater wusste Bescheid und hatte mit schönem Gewinn bei einem Wettanbieter auf die Außenseiterin Venus gesetzt.

Der Zuschauer fühlt sich bei diesem Szenario verschaukelt. 2 Stunden Lebenszeit vor dem Fernseher vergeudet für eine Inszenierung, vielleicht sogar 200 £ für ein Ticket vor Ort verschwendet. Das darf nicht sein!

Im Kampf für die "Integrität des Sports"

Justizminister Maas ist ganz auf der Seite der Empörten. Mit Schnelligkeit, Verve und Freude hat sein Haus ein Gegenmittel für zukünftige ähnliche Skandale entwickelt: neue Strafvorschriften in den geplanten §§ 265c und 265d StGB. Vor deutschen Gerichten – so der Regierungsenwurf BT Drs. 18/88311 – würden die drei Beteiligten demnächst bestraft werden.

Venus und Serena haben "den Verlauf eines berufssportlichen Wettbewerbs in wettbewerbswidriger Weise zugunsten des Wettbewerbsgegners beeinflusst" und hätten nach § 265d StGB-E mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zu rechnen. Die Wettleidenschaft des Vaters macht es noch schlimmer.  Wenn gehandelt wurde, dass "infolgedessen ein rechtswidriger Vermögensvorteil durch eine auf diesen Wettbewerb bezogene öffentliche Sportwette erlangt werde", ist auch der zukünftige Tatbestand des Sportwettbetruges (§ 265c StGB-E) möglicherweise erfüllt.

Mit dem Vorhaben schlägt der Gesetzgeber einmal mehr eine scharfe rechtliche Kerbe in den Bereich des Sports. Ob dies notwendig ist und ob der Entwurf handwerklich gut gemacht ist, wird von Experten seit seiner Vorstellung bezweifelt. Über allem steht jedoch die Frage, wen oder was das Gesetz mit der Strafandrohung schützen will.

Der Gesetzesentwurf kämpft für die "Integrität des Sports". Wo diese rechtliche Kategorie anzusiedeln ist, verrät er nicht. Ist ein Sportler zum Siegen verdammt? Wird er zum Gangster, wenn er sich schont? Was ist mit dem Radfahrer auf der Tour der France, der auf der Zielgeraden den Sprint für seinen Sportskollegen - der ihn an der Siegprämie beteiligt – anzieht, 300 m vor dem Ziel ausschert und offensichtlich selbst gar nicht gewinnen will? Heiko Maas wirft Fragen auf, die er nicht beantworten kann, jedenfalls nicht im überkommenen juristischen Kontext. Die Schutzideen sind von der Wissenschaft schon als wenig fassbare  "Rechtsgutslyrik" entlarvt worden.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Ulrich Sommer, Korruption im Sport: Sportler-Gangster . In: Legal Tribune Online, 13.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22078/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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