Vertrag über Waffenhandel gescheitert: Noch immer ein einträgliches Geschäft

von Dr. Robert Frau

30.07.2012

Nach dem Scheitern der UN-Konferenz in New York am vergangenen Freitag wird es vorerst keinen internationalen Waffenhandelsvertrag geben. Wirtschaftliche und politische Interessen verhinderten eine wirksame völkerrechtliche Regelung – und das ist auch gut so, meint Robert Frau. Denn der Deckmantel der Legalität bleibt exportierenden Staaten ohne den Vertrag verwehrt.

Weltweit sind über 550 Millionen Schusswaffen im Umlauf. Das heißt, auf diesem Planeten hat jeder zwölfte Mensch eine Schusswaffe. Das führt zu der einen Frage – "wie bewaffnet man die anderen elf?", das fragt sich der von Nicolas Cage verkörperte Yuri Orlov im Film Lord of War. "Gar nicht!" antwortet der gesunde Menschenverstand. Die Staatengemeinschaft scheint anderer Auffassung zu sein.

Vielleicht waren die Erwartungen zu hoch, um erfüllt werden zu können. Nach jahrelangen Vorbereitungen und wochenlangen Verhandlungen ist eine internationale Konferenz an der Aufgabe gescheitert, einen Entwurf für einen Waffenhandelsvertrag (ATT) zu formulieren.

Lange schon verlangten die Befürworter einen umfassenden Vertrag, der eine empfindliche Lücke im Völkerrecht schließen sollte. Unterstützer sahen in dem ATT die Möglichkeit, den Waffenhandel in Friedenszeiten umfassend zu regulieren und dabei den Krieg im Blick zu haben. An der Schnittstelle zwischen Friedens- und Kriegsrecht, zwischen Handelsrecht und Menschenrechten sollte der ATT alle mit dem internationalen Waffenhandel verbundenen Probleme angehen.

Hoch gesteckte Ziele

Der Vertrag sollte vor allem möglichst viele unterschiedliche Waffen erfassen. Von klassischem Kriegsgerät wie Panzern, Flugzeugen und Artillerie über Raketen und Kampfhubschraubern bis zu Drohnen sollte der ATT alle konventionellen Waffen, Waffensysteme und Teile solcher Systeme erfassen. Für ABC-Waffen bestehen bereits spezielle Verträge, so dass eine diesbezügliche Regelung überflüssig gewesen wäre.

Von entscheidender Bedeutung war es auch, den Handel mit Munition und Kleinwaffen sowie leichten Waffen, den so genannten small and light arms (SALW), zu regulieren. Denn der Großteil der bewaffneten Gewalt wird weltweit mit eben diesen Waffen begangen. Auch die Munition sollte erfasst sein, weil bereits so viele konventionelle Waffen im Umlauf sind, dass der ATT andernfalls kaum Einfluss auf das derzeitige Leiden gehabt hätte.

Ebenso wichtig war es, jede Spielart des Handels zu erfassen. Nicht nur der Export und Import dieser Waffen sollte geregelt werden, sondern auch das Zurverfügungstellen, Leasen, Verschenken und Verleihen. Ebenso sollte die Vermittlung von Waffenverkäufen einer völkerrechtlichen Rahmenregelung unterworfen werden. Bisher ist das nur in wenigen Staaten der Welt normiert.

Der Transfer der vom Vertrag erfassten Waffen und Munition sollte nur möglich sein, wenn der Empfänger das Völkerrecht einhält. Insbesondere sollte der Empfängerstaat Gewähr für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts sowie der Menschen-, vor allem der Frauen- und Kinderrechte bieten. Erst wenn der Abnehmer eine in diesen Beziehungen tadellose Vergangenheit vorweisen könne, sollte der ATT den Handel gestatten.

Wer über die Einhaltung dieser Kriterien richten sollte, war umstritten. Gefordert wurde unter anderem, eine unabhängige Stelle einzurichten, deren Entscheidungen die Staaten gebunden hätte. Es sollte ihnen nicht möglich sein, entweder selbst über das Vorliegen der Kriterien zu entscheiden oder sich aus bündnis-, sicherheits- oder wirtschaftspolitischen Gründen über die Kriterien hinwegsetzen zu können.

Der kleinste gemeinsame Nenner befriedigte nicht einmal die Pessimisten

Musste die Konferenz an diesen hoch gesteckten Zielen nicht zwangsläufig scheitern? Hätten sich die Staaten nicht besser auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigen sollen? Hätten sie beispielsweise darauf verzichten sollen, den Vertrag auch auf Munition auszuweiten? Hätten sie Ausnahmen schaffen sollen, die den Handel mit einem ständig völkerrechtsbrüchigen Staat zugelassen hätten?

Genau so weit war man am Freitagabend, und trotzdem ist der Vertrag gescheitert. Zwar war die Konferenz in New York mit höchsten Standards gestartet. Doch in der letzten Verhandlungswoche lag ein Entwurf vor, der selbst die Erwartungen der pessimistischsten Teilnehmer nicht erfüllte.

Er weichte die Voraussetzungen für einen Handel immer weiter auf. Der betroffene Staat sollte am Ende selbst darüber befinden dürfen, ob er die Menschenrechte wahrt. Ein Transfer von Waffen sollte außerdem aus politischen Gründen möglich sein, unabhängig von der Rechtstreue des Käufer-Staates. Erst dort, wo die Waffen einzig und allein für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord verwendet würden, sah der Entwurf Hinderungsgründe vor – und nicht einmal dann ein automatisches Verkaufsverbot.

Zwischen US-Wahl und Milliardengeschäft

Diese Regelungen waren Zugeständnisse an einige wenige Staaten, die dem ATT von Anfang an skeptisch gegenüberstanden. In ihren Augen waren diese Regelungen schon zu viel des Guten.

Noch dazu wird in einem der skeptischen Staaten im November ein neuer Präsident gewählt. Das dort verfassungsmäßig verbriefte Recht der Bürger, Waffen zu tragen, soll Beobachtern zufolge eine Rolle bei der Ablehnung des ATT eine Rolle gespielt haben. Unterzeichnete Barack Obama einen starken ATT, könnte Mitt Romney dies gegen ihn verwenden, so die Vermutung.

Den Ausschlag für den Abbruch der Verhandlungen dürften aber wirtschaftliche Gründe gegeben haben. Allein der legale Waffenhandel soll jährlich über 60 Milliarden Dollar umsetzen. Am vergangenen Wochenende ist bekannt geworden, dass Deutschland Panzer an Katar verkaufen will: Das Geschäft soll ein Volumen von fast zwei Milliarden Euro haben. Dennoch war Deutschland immer für einen starken ATT und setzt dieses Engagement fort.

Besser gar keiner als ein schlechter Vertrag

Am Ende ist kein Vertrag besser als ein schlechter Vertrag. Andernfalls könnten Waffen an ein Regime geliefert werden, das mit ihrer Hilfe Menschenrechte verletzen oder Proteste und Demonstrationen seiner Bürger niederschlagen könnte, während sich der exportierende Staat dank des Vertrags unter dem Deckmantel der Legalität verstecken könnte.

Dieser Deckmantel bleibt den Staaten nun zum Glück verwehrt. Ob wirklich ein neuer Anlauf für einen besseren ATT Ende 2012 oder Anfang 2013 genommen werden kann, ist fraglich.

Es ist an der Zeit. Bis dahin können Menschen wie Yuri Orlov weiterhin gute Geschäfte machen.

Dr. Robert Frau ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für öffentliches Recht, insb. Völkerrecht, Europarecht und ausländisches Verfassungsrecht der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Als Referendar war er 2009 deutscher Delegierter im Abrüstungsausschuss der UN-Generalversammlung.

Zitiervorschlag

Robert Frau, Vertrag über Waffenhandel gescheitert: Noch immer ein einträgliches Geschäft . In: Legal Tribune Online, 30.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6732/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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