"Je suis Charlie" als Wortmarke angemeldet: Kommerzialisierte Katastrophe?

von Pia Lorenz

13.01.2015

In den Beneluxstaaten versucht ein Belgier, "Je suis Charlie" als Wortmarke anzumelden. Der Slogan, mit dem Menschen nach dem Anschlag auf das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo weltweit ihre Solidarität ausdrückten, soll nun verschiedenste Waren von Verpackungsmaterial über Kleidungsstücke bis Telekommunikation zieren können. Kann das Markenrecht einen unheilvollen Trend stoppen?

Neben dem preisgekrönten IP-Blog The IPKat meldete auch World Trademark Review unter dem Titel "Je suis eine Marke?", dass ein belgischer Bürger versucht, in den Benelux-Staaten "Je suis Charlie" als Wortmarke für die Klassen 3, 16, 25, 28, 32, 35 and 38 nach dem Übereinkommen von Nizza anzumelden. Das französische Institut National de la Propriété Industrielle (INPI) hat bereits am Montagabemd mitgeteilt, dass dort bereits über 50 Anmeldungen eingegangen seien - und abgelehnt würden. "Je suis Charlie" ist keine Marke, erklärte das französische Markenamt. Der Wortfolge fehle es an Unterscheidungskraft, auch wegen seiner enormen Nutzung durch die Allgemeinheit.

Sowohl für The IPKat als auch für die World Trademark Review drängt sich die Parallele auf zu den Versuchen, "MH.17" und "MH.370" als Marken anzumelden. Jeweils unmittelbar im Anschluss an die beiden Flugzeugabstürze seien die Nummern der Jets von Malaysian Airlines angemeldet worden.

Auch wenn Tim Lince auf World Trademark Review in der kaum 24 Stunden nach dem Attentat erfolgten Anmeldung von "Je suis Charlie" noch einen anderen Ansatz sieht, weil der Slogan im Kern eine äußerst positive Botschaft vermittele, liegt die Frage nahe, welche die Experten-Magazine stellen: Sollten Anmeldungen dieser Art nicht schon aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abgelehnt werden?

Keine Marke wegen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung?

Nicht nur belgische und internationale Markenrechtler haben laut World Trademark Review Zweifel, ob nicht ein Verstoß gegen die public policy die Markeneintragung hindert. World Trademark Review zitiert einen Experten, der eine Absage schon deshalb für gerechtfertigt hält, weil es "unmoralisch" wäre, einen Slogan zu monopolisieren, der für das Recht auf freie Meinungsäußerung als eines der wichtigsten Rechte der Europäischen Menschenrechtskonvention stehe. 

Dagegen kann man einwenden, dass der Slogan an sich nichts Herabsetzendes enthält, sondern vielmehr verknüpft ist mit der positiven weltweiten Freiheitsbewegung, die den tödlichen Anschlägen auf die Redaktion von Charlie Hebdo folgte.

Aber die positive Assoziation weltweiter friedlicher Solidarität mit Verfechtern der Meinungs- und Pressefreiheit wurde schließlich ausschließlich erforderlich, weil ebendiese Vertreter ihr Leben einem Anschlag zum Opfer fielen, der neben ihnen auch Polizeibeamte das Leben kostete, die bloß ihren Job machten und Geschäftsleute, die aus Sicht der Attentäter den falschen Glauben hatten. Nur dieser Kontext von Mord, Hass und einem Anschlag auf die Freiheit hat den Slogan überhaupt erst geboren - und wäre damit auch für seine Kommerzialisierung per Markenanmeldung nicht nur adäquat, sondern sogar allein kausal.

Urheber: "'Je suis Charlie' gehört Euch allen"

Auch der deutsche Markenrechtler Oliver Löffel geht davon aus, dass der Marke der Schutz auch in den Benelux-Staaten verweigert werden könnte. "Man könnte sowohl über ein absolutes Schutzhindernis nach Art. 3 der Europäischen Markenrechtsrichtline diskutieren, weil die Marke gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt, als auch über ein relatives Schutzhindernis".

Der Düsseldorfer Anwalt meint damit eventuelle Rechte Dritter, die nach Art. 4 Abs. 4 der europäischen Markenrechtsrichtlinie der Eintragung als Marke entgegenstehen könnten. Unabhängig von den Besonderheiten des Falles kämen dabei ältere verwechslungsfähige Marken "Charlie" in Frage, die in den Beneluxstaaten bereits geschützt sind. Aber Löffel hat auch noch eine andere Idee: "Auch der Name 'Charlie', der weltweit für Charlie Hebdo steht, könnte geltend gemacht werden", erläutert der Anwalt. 

Urheberrechte des Erfinders jedenfalls dürften nicht weiter helfen. Löffel bezweifelt schon, dass die recht kurze Wortfolge "Je suis Charlie" - jedenfalls nach deutschem Recht - überhaupt Urheberrechtsschutz genießen könnte. Der Erfinder des Slogans hat sich auch bereits auf Twitter zu Wort gemeldet. Joachim Roncin scheint keine Urheberrechte an dem Spruch geltend machen zu wollen, sondern weist darauf hin, dass dieser "allen gehöre". Den einfachen Weg, die Markenanmeldung schon wegen seines vorrangigen Rechts am längst Symbol gewordenen "Je suis Charlie" zu verweigern, wird das Markenamt in den Beneluxstaaten daher wohl nicht gehen können.  

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, "Je suis Charlie" als Wortmarke angemeldet: Kommerzialisierte Katastrophe? . In: Legal Tribune Online, 13.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14353/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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