ITU-Konferenz zur staatlichen Regulierung des Netzes: Nicht das Ende des Internet, aber Debatten ohne Ende

von Dr. Axel Spies

18.12.2012

Vielleicht war es das Ende des Maya-Kalenders, das manch einen Teilnehmer der ITU-Konferenz befürchten ließ, das "Ende des Internet, wie wir es kennen" sei gekommen, falls sich Länder wie Russland, China oder Saudi-Arabien mit ihren Vorschlägen zur Regulierung und Kontrolle des Internets durchsetzen sollten. Axel Spies über diffuse Verhandlungen und Abstimmungen im Hinterzimmer.

Auf der Konferenz der International Telecommunication Union (ITU) endeten am vergangenen Freitag die Verhandlungen über eine Regulierung des Internets auf der Basis von neuen International Telecommunication Regulations (ITRs). Die deutsche Bundesregierung hat sich am Ende der Konferenz eindeutig positioniert und eine Einbeziehung des Internets in das Regelwerk  der ITRs  abgelehnt. Deutschland wird – ebenso wie die USA – die neuen Regelungen nicht unterzeichnen. Um der Freiheit des weltweiten Internets willen – wie es in der Pressemitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums heißt.

Die ITU ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Sie befasst sich mit administrativen und technischen Fragen globaler Telekommunikation, etwa  der weltweiten Koordination und Zuweisung von Funkfrequenzen. Anfang Dezember trafen sich die Mitgliedsländer in Dubai, um die ITRs – zu Deutsch: Vollzugsordnung für Internationale Telekommunikationsdienste – aus dem Jahr 1988 zu überarbeiten und an das Zeitalter des Internets anzupassen.
Die neuen ITRs werden nun vorläufig nur für die Länder gelten, die sie auch unterzeichnet haben und diese völkerrechtlich verbindlich ratifizieren. Für alle anderen sind die bisherigen Vorschriften weiterhin gültig.

Das Netz bald in staatlicher Hand?

Die Befürworter einer staatlichen Regulierung des Internet hatten sich bereits frühzeitig organisiert. So sprach sich die Shanghai-Gruppe (Russland, China, Usbekistan, Tadschikistan) bereits 2011 für den Entwurf eines zwischenstaatlichen Internet-Verhaltenskodex mit "Normen und Regeln für das Verhalten von Staaten im Cyberspace" aus. Die Bundesregierung, die USA, das EU-Parlament  und zahlreiche andere Staaten halten wenig von einer solchen Kompetenzverlagerung. Die Sicherheit des Internet ist ihnen zwar wichtig, sie zeigten sich jedoch skeptisch gegenüber einem entsprechenden ITU-Vertrag.

Besonders umstritten war vor allem der Vorstoß einiger Mitgliedsländer – darunter Russland, China, Indien, Brasilien –, die Kompetenzen der Internet Corporation for Assigned Names and Number (ICANN) zur Vergabe von IP-Adressen auf die ITU zu übertragen. Ein Vorschlag, der wohl das Ziel verfolgte, die Verwaltungskontrolle über das Internet zu bekommen. Die ICANN sitzt in den USA und unterliegt damit dem US-Recht. Laut der Tageszeitung Handelsblatt ist das den genannten Staaten ein Dorn im Auge.

Bei der eigentlichen Abstimmung  waren keine Nicht-Regierungsorgansationen (NGOs) vertreten, obwohl das Internet bislang primär von nichtstaatlicher Seite gestaltet und verwaltet wird. Kritiker befürchteten, es stehe ein Paradigmenwechsel ins Haus: Droht die Abkehr vom "Multistakeholder-Prinzip" (viele Internetakteure) und vom "Bottom-up-"-Ansatz (von unten nach oben)?

Plenum zu diffus – Verhandlung im Hinterzimmer

Russland und seine Verbündeten insistieren, dass eine Regulierung des Internets notwendig sei, um Internetkriminalität zu bekämpfen und die eigenen Netzwerke zu schützen. Aber die nicht am Verhandlungstisch sitzenden NGOs ließen sich nicht den Mund verbieten. Die amerikanische Interessensvertretung "Center for Democracy and Technology (CDT)" hatte zum Beispiel ein detailliertes  ITU Resource Center eingerichtet. Die Organisation warnte vor einer Zensur des Internets und sprach sich gegen Kompetenzausweitungen der ITU und für die Beteiligung von Experten aus der Wirtschaft und unabhängigen Interessenvertretern an der Diskussion aus. Andere meinen, dass die Kompetenzübertragung auf eine internationale Organisation etwa zur Strafverfolgung durchaus sinnvoll sein könnte.

Da jedes der Mitgliedsländer bei der ITU nur eine Stimme hat und es keinerlei Vetorechte gibt, war der Ausgang der Abstimmung bis zuletzt ungewiss. Schon die Verhandlungen waren nicht transparent abgelaufen. Der Vorsitzende Al Ghanim mied wegen der komplizierten und diffusen Verhandlungslage das Plenum und versuchte, mit rund zwei Dutzend Vertretern hinter geschlossenen Türen anstatt im Plenum mit den wichtigsten Akteuren direkt einen  Konsens zu finden.

Am Ende unterzeichneten 89 Länder die neuen ITRs. Das Wort "Internet" kommt im Vertragstext nicht vor - eigentlich ganz im Sinne Deutschlands. Dennoch fürchtete die Bundesregierung in der Beschlussfassung Unschärfen durch unbestimmte Rechtsbegriffe, etwa dort, wo es um die Bekämpfung von Spam gehen sollte. Zudem haben mehrere Länder eine Resolution zum Thema "Internet" durchgesetzt - und der ITU damit ein Mandat für weitere Arbeiten im Bereich des Internet-Managements gegeben.

Der Autor Dr. Axel Spies ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Bingham McCutchen in Washington DC/Frankfurt a.M.

Zitiervorschlag

Dr. Axel Spies, ITU-Konferenz zur staatlichen Regulierung des Netzes: Nicht das Ende des Internet, aber Debatten ohne Ende . In: Legal Tribune Online, 18.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7813/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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