Interview mit Dr. Andreas Nadler: "Das Herz des Deutschen Juristentages ist die Diskussion"

von Pia Lorenz

23.09.2010

In Berlin feiert der Deutsche Juristentag sein 150-jähriges Jubiläum. Vor den Diskussionen und Beschlüssen stand eine aufwändige Vorbereitung, währenddessen sorgen viele fleißige Hände für einen reibungslosen Ablauf. Im LTO-Interview blickt der Generalsekretär des Deutschen Juristentages Dr. Andreas Nadler hinter die Kulissen und in die Zukunft der Veranstaltung. 

LTO: Herr Dr. Nadler, der Deutsche Juristentag feiert in diesem Jahr in Berlin sein 150-jähriges Bestehen: Wie empfinden Sie das Jubiläum, ist dieser Juristentag für Sie etwas ganz Besonderes?

Nadler: Ja, der Deutsche Juristentag ist in diesem Jahr für uns, auch für mich persönlich, ein besonderes Erlebnis. Ich selbst bin in dem Verein seit 25 Jahren tätig, seit dem zweiten Semester meines Studiums. Ich habe den "Deutscher Juristentag e.V." praktisch ein Sechstel seiner Lebensdauer begleiten dürfen. Als Verein haben wir dieses Jubiläum mit einem großen Festabend begangen. Solch eine Veranstaltung hatten wir in den letzten 25 Jahren nicht. Und wenn dort von der Bundesjustizministerin bis zum Studenten alle die Tanzfläche gestürmt haben, ist das ein Ausdruck des Aufbruchs und für uns sehr ermutigend. Es ist ein Jubiläum von dem wir uns erhoffen, dass jeder Teilnehmer sagt: Der Verein ist nicht 150 Jahre alt und damit träge geworden, sondern er ist noch immer lebendig, agil und diskussionsfreudig.

LTO: Herr Dr. Nadler, Sie sind seit 1994 Generalsekretär des Deutschen Juristentages. Was macht eigentlich ein Generalsekretär im Vorfeld und im Hintergrund eines Deutschen Juristentages?

Nadler: Ein Generalsekretär macht eigentlich fast alles irgendwie mit. Es gibt kaum eine Angelegenheit auf der Tagung, mit der ich im Vorfeld eines Juristentages nicht schon einmal befasst gewesen bin. So sehe ich beispielsweise alle Anmeldungen für den Juristentag im Vorfeld und unterstütze die  inhaltliche, programmatische und organisatorische Vorbereitung des Juristentages nach Kräften. Dabei werde ich hervorragend durch die Mitarbeiter und Helfer in den Geschäftsstellen und den Geschäftsführer vor Ort unterstützt, die bei der Vorbereitung eines jeden Juristentages den Großteil der organisatorischen Aufgaben übernehmen.

Neben der Leitung der Geschäftsstelle des Vereins und der Mitgliederverwaltung ist aber die Mitwirkung bei der Themenfindung  und -abstimmung für den nächsten Juristentag die vordringlichste Aufgabe. Dabei ist es wichtig zu schauen, dass wir immer wieder eine ausgewogene Auswahl von sechs aktuellen und  spannenden Themen finden, die geeignet erscheinen, alle im Verein vertretenen Berufsgruppen und Fachrichtungen anzusprechen.

Themenauswahl trifft den Nerv der Zeit

LTO: In diesem Jahr haben Sie beispielsweise mit den Themenkomplexen "Neue Religionskonflikte und staatliche Neutralität" und "Finanzmarktregulierung" den Nerv der Zeit getroffen. Wie kommt der Deutsche Juristentag zu einer solch aktuellen Auswahl der Themen?

Nadler: Die Tätigkeit für den jeweiligen Juristentag beginnt in Wirklichkeit schon im Herbst nach der vorangegangenen Tagung. Dann kommen die 24 Vorstandsmitglieder,  die Ständige Deputation, zusammen und beraten über die Themen des nächsten Juristentages. Die Deputation ist durch Fachleute besetzt, in der Vertreter aus allen juristischen Fachbereichen sitzen. Dort wird die Themenauswahl intensiv diskutiert und in aller Regel gelingt es uns, Themen zu beschließen, die auch noch zwei Jahre später  - beim nächsten Juristentag -  aktuell sind.

LTO: Herr Nadler, die inhaltliche Arbeit wird in den Fachabteilungen des Deutschen Juristentages gemacht. Was unterscheidet die Verhandlungen in den Fachabteilungen von anderen juristischen Veranstaltungen?

Nadler: Das Herzstück dieser Fachabteilungen ist die Diskussion. Fachvorträge gibt es auch anderswo. Aber bei uns steht im Vordergrund, dass der einzelne Teilnehmer nicht nur zuhört, sondern sich einbringt. Wir haben in jeder Fachabteilung in der Regel ein Gutachten, das ein renommierter Hochschullehrer, der sich genau mit diesen Fragen bereits intensiv beschäftigt hat, erstattet. Er ist ebenso ehrenamtlich tätig wie unsere Referenten der Fachabteilungen. Wir haben in der Regel drei Referate, die die Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten und so einen guten Einstieg in die Diskussion liefern.

Diese wissenschaftliche Vorbereitung führt dazu, dass die Diskussion so strukturiert und zielgerichtet verlaufen kann. Es wird nicht nur debattiert, vielmehr mündet die Diskussion in einer Abstimmung. Die Teilnehmer stimmen darüber ab, was nach Anhören aller Pro- und Contra-Argumente das Ergebnis sein soll, das der Deutsche Juristentag dem Gesetzgeber als Empfehlung aussprechen kann.  

200 Personen arbeiten im Hintergrund

LTO: Herr Dr. Nadler, ein solche große Veranstaltung lebt auch von den Menschen. Wie viele Personen sind eigentlich vor Ort in diesen Tagen aktiv?

Nadler: Ich bin dankbar für diese Frage, weil sie mir Gelegenheit gibt, die Mitwirkung der vielen Mitarbeiter hier einmal ausdrücklich hervorzuheben. Wir haben einen Mitarbeiterkreis von etwa 200 Personen mit ganz unterschiedlichen Aufgabenbereichen. Dieser Kreis reicht von leitenden Mitarbeitern, die bereits viele Juristentage begleitet haben, bis hin zu Studenten und Referendaren, die am jeweiligen Tagungsort für die Mitarbeit gewonnen werden und zum ersten Mal dabei sind.

Hervorheben möchte ich den Bereich des Schreibdienstes, der oftmals ein wenig im Schatten liegt, aber eine wichtige Aufgabe übernimmt. Rund 30 Sekretärinnen sorgen dafür, dass alle Worte, die auf dem Juristentag gesprochen werden, auf Papier protokolliert werden können.  Dieser Dank gilt aber auch beispielsweise den Studentinnen und Studenten, die im Einlassbereich und an den vielen Schaltern allen Tagungsteilnehmer ein freundliches Lächeln schenken. Gerade gestern hat mir ein Teilnehmer gesagt, dass die herzliche und freundliche Atmosphäre, zu der auch die vielen Mitarbeiter beitragen, die für eine geringe Aufwandsentschädigung nahezu ehrenamtlich mit Herzblut für die Sache arbeiten, diesen Juristentag zu einem gelungenen Kongress macht.

LTO: Herr Dr. Nadler, Sie sprachen davon, dass der Juristentag mit seinen 150 Jahren immer noch agil und lebendig ist. Was sind Ihre Ziele für die kommenden Jahre?

Nadler: Das ist eine interessante Frage. Sie ist es vor allen Dingen deswegen, weil ich ehrlich sagen muss, dass ich mir wünsche, dass es mit dem Juristentag im Großen und Ganzen – ich meine damit nicht das einzelne Detail - genauso gut und erfolgreich weitergeht, wie es die letzten 150 Jahre gelaufen ist.  Wir wollen weiter auf einer ernsthaften Grundlage - durch Gutachten, Referate vorbereitet –der juristischen Meinungsvielfalt eine Plattform bieten, auf der Juristen aller Berufsgruppen, Hochschullehrer, Praktiker und Studenten ihre Erfahrungen und Meinungen einbringen können. Auf dieser Grundlage werden wir vom Gesetzgeber als Ideengeber immer Beachtung finden. Das ist unsere Kernkompetenz.

Das schließt natürlich nicht aus, dass wir Veränderungen im Detail erleben werden. Wer den Juristentag kennt, der weiß, dass es noch gar nicht lange her ist, dass wir uns ein neues äußeres Erscheinungsbild gegeben haben. Wir wollen und werden uns natürlich auch weiterentwickeln, in vielerlei anderer Hinsicht moderner werden. Aber das Herzstück des Juristentages – die fundierte Diskussion - wird sich nicht verändern. Das ist unser Erfolgsrezept.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Interview mit Dr. Andreas Nadler: "Das Herz des Deutschen Juristentages ist die Diskussion" . In: Legal Tribune Online, 23.09.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1553/ (abgerufen am: 17.04.2024 )

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