Auch in der Dritten Liga ist die Saison mittlerweile zu Ende. Alemannia Aachen ist abgestiegen. Noch während der laufenden Spielzeit musste der finanziell arg gebeutelte Traditionsklub zudem einen Insolvenzantrag stellen. Im LTO-Interview erklärt der Insolvenzrechtler Patric Naumann, welche Besonderheiten in solchen Fällen für Vereine gelten.
LTO: Die Zahl von Sportvereinen in finanzieller Schieflage steigt. Warum müssen immer mehr traditionsreiche Vereine Insolvenz anmelden?
Naumann: Ein Grund ist, dass der sportliche und der finanzielle Erfolg eng miteinander verknüpft sind. Gerade durch Auf- oder Abstiege geraten Sportvereine – im Fußball, aber auch in anderen Sportarten – oft in Schwierigkeiten. Sponsoren kürzen bei Misserfolg ihre Gelder. Hinzu kommt, dass die Einnahmen aus Ticketverkauf oder Mitgliederbeiträgen nicht mehr die geplanten Zahlen erreichen.
LTO: Gibt es Unterschiede zu Wirtschaftsunternehmen aus anderen Branchen? Warum ist es speziell für Sportvereine schwieriger, eine wirtschaftlich solide Basis zu schaffen und zu halten?
Naumann: Sportvereine können nur zum Teil mit festen Einnahmen wie etwa den Mitgliedsbeiträgen planen. Meist reichen diese Beiträge jedoch nicht aus, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Sponsoring und Ticketverkäufe haben daher eine große Bedeutung – sind aber schwer planbar. Wie bereits gesagt, gehen diese Einnahmen in der Regel zurück, wenn die sportlichen Erfolge ausbleiben.
Ein großer Unterschied zu Wirtschaftsunternehmen besteht zudem darin, dass es im Sportbereich meistens deutlich emotionaler zugeht. Bei Vereinen werden ab und an unternehmerische Entscheidungen getroffen, die wirtschaftlich und vielleicht sogar rechtlich nicht haltbar sind. Ein Beispiel, das immer wieder auftritt, ist etwa eine Baumaßnahme, mit der sich der Verein finanziell übernimmt.
"Der DFB sollte die Konsequenzen der Insolvenz überdenken – für die Vereine und die Ligen"
LTO: Vor einem besonderen Problem stand bis zuletzt der Drittligist Alemannia Aachen. Es stand die Möglichkeit im Raum, dass das Insolvenzverfahren des Traditionsvereins noch während der laufenden Saison eröffnet würde. Die Auswirkung: Wird über das Vermögen eines Vereins das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt, bevor der letzte Spieltag der Saison absolviert ist, sieht die Spielordnung des Deutschen Fußballbundes vor, dass alle bisherigen und noch auszutragenden Spiele nicht gewertet werden. Damit verfallen auch alle Punkte, die andere Clubs gegen den insolventen Verein geholt haben. Warum gibt es diese Regelung?
Naumann: Wichtig ist zunächst einmal, dass diese Norm nicht an den Insolvenzantrag, sondern an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens anknüpft. Die Antragstellung an sich führt also noch nicht zu dieser sportlichen Konsequenz. Zwischen dem Antrag und der Eröffnung des Verfahrens vergeht in der Regel noch einige Zeit.
Für die Regelung spricht, dass man eine Wettbewerbsverzerrung vermeiden möchte. Ein Verein, der unsolide gewirtschaftet hat und zum Beispiel dennoch teure Spieler gekauft hat, soll keine Vorteile gegenüber anderen Klubs haben.
LTO: Das Argument Wettbewerbsverzerrung könnte aber auch genauso gegen die Regelung sprechen. Ist es nicht unfair, Vereinen Punkte abzuerkennen, die diese gegen den insolventen Club erzielt haben?
Naumann: Grundsätzlich möchte man den Spielbetrieb in der laufenden Saison trotz der Insolvenzsituation aufrecht erhalten. Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass durch diese Regelung andere Vereine mit abgestraft werden und dies durchaus kritisch gesehen werden kann. Das Pro und Contra wird deshalb ja auch heftig diskutiert – neben dem Fall Alemannia Aachen aktuell vor allem aufgrund der Annullierung von Spielen zweier insolventer Vereine in der Regionalliga Nord.
LTO: Sollte der DFB Ihres Erachtens seine Spielordnung in diesem Punkt überdenken?
Naumann: Die Regelung gilt nur für die Dritte Liga sowie die Regionalligen. Für die erste und zweite Bundesliga gibt es über die Deutsche Fußballliga eine eigene Regelung in der Lizenzierungsordnung. Dort gibt es für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur den Zwangsabstieg des Vereins am Ende der Saison. Eine Nichtbewertung der Spiele ist nicht vorgesehen. Man könnte die Insolvenz eines Vereins also auch anders handhaben Aus meiner Sicht sollte der DFB die Konsequenzen der Insolvenz überdenken – für die Vereine und die Ligen.
2/2: "Für Vereine gilt die Insolvenzantragspflicht aus InsO nicht"
LTO: Zu welchem Zeitpunkt muss ein Sportverein unabhängig von diesem Sonderproblem einen Insolvenzantrag stellen?
Naumann: Die in § 15a Insolvenzordnung (InsO) vorgesehene Insolvenzantragspflicht gilt nicht für Vereine. Für diese gibt es in § 42 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches eine Sonderregelung. Nach dieser hat der Vorstand eines Vereins im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Diese Norm ist anders als die Insolvenzantragspflicht aus der InsO nicht strafbewährt. Die zivilrechtliche Haftung für den Vorstand kann nichts desto trotz teuer sein.
LTO: Wie sieht diese Haftung konkret aus?
Naumann: Wird der Antrag zu spät gestellt, haften die Vorstandsmitglieder unter Umständen mit ihrem Privatvermögen. Wenn die Gläubiger durch eine frühere Antragstellung etwa besser gestellt worden wären und sie durch den verspäteten Antrag weniger Geld bekommen, muss Ihnen der Vorstand den Differenzbetrag unter Umständen ersetzen. Die Insolvenzverschleppungshaftung des Vorstandes im Innenverhältnis, das heißt gegenüber dem Verein, ist durch die Rechtsprechung inzwischen entschärft worden. Die analoge Anwendung des § 64 GmbHG auch auf Vereine wurde verneint. Für die Innenhaftung gibt es für den Verein die Regelung in § 31a BGB.
Auch strafrechtliche Konsequenzen sind für die Vorstandsmitglieder denkbar. Etwa dann, wenn Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt werden, § 266a Strafgesetzbuch.
LTO: Inzwischen sind viele Profivereine – gerade im Fußballbereich – als GmbH organisiert. Was gilt dann?
Naumann: In diesen Fällen müssen die Geschäftsführer nach § 15a InsO spätestens nach drei Wochen Insolvenzantrag stellen, wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten ist. Es gilt dann auch die verschärfte Haftung nach § 64 GmbHG. Das heißt, die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden und nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu vereinbaren sind.
"Spielergehälter können über das Insolvenzgeld gezahlt werden"
LTO: Was passiert mit einem Sportverein, der sich in einem Insolvenzverfahren befindet?
Naumann: Sobald der Insolvenzantrag gestellt wird, besteht die größte Herausforderung darin, die Liquidität für den laufenden Spielbetrieb sicherzustellen. Zur Stabilisierung der finanziellen Situation des Vereins trägt unter anderem für einen gewissen Zeitraum das so genannte Insolvenzgeld bei. Hiermit können die Spieler und Vereinsangestellten zumindest bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der Regel für drei Monate bezahlt werden.
Ansonsten gibt es keine Unterschiede zu einem normalen Insolvenzverfahren. Die Kriterien für das Insolvenzplanverfahren oder die Eigenverwaltung etwa gelten im Zusammenhang mit Sportvereinen entsprechend.
LTO: Warum spielt das Insolvenzplanverfahren gerade bei Sportvereinen eine besondere Rolle?
Naumann: In einem regulären Insolvenzverfahren erlischt der Rechtsträger, das heißt, die ursprüngliche juristische Person gibt es nach einer übertragenden Sanierung – einem Asset Deal – nicht mehr. Beim Insolvenzplanverfahren bleibt der Rechtsträger dagegen erhalten. Für Sportvereine ist dies besonders wichtig, weil am Rechtsträger auch die Lizenz des Verbandes für die Teilnahme am Spielbetrieb hängt. In einem Insolvenzplanverfahren können Vereine ihre Lizenz für die laufende Spielzeit behalten und darüber hinaus sogar eine neue Lizenz für die kommende Saison beantragen. Fakt ist: Ein Zwangsabstieg lässt sich jedoch auch mit einem Insolvenzplanverfahren oftmals nicht vermeiden.
LTO: Vielen Dank für das Gespräch.
Patric W. Naumann ist Fachanwalt für Insolvenzrecht bei Schultze & Braun in Mannheim.
Das Interview führte Tobias Kohl.
Patric Naumann, Insolvenz von Fußballvereinen: "Im Sportbereich geht es deutlich emotionaler zu" . In: Legal Tribune Online, 24.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8788/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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