Insolvenz von Fußballvereinen: "Im Sportbereich geht es deutlich emotionaler zu"

Interview mit Patric Naumann

24.05.2013

2/2: "Für Vereine gilt die Insolvenzantragspflicht aus InsO nicht"

LTO: Zu welchem Zeitpunkt muss ein Sportverein unabhängig von diesem Sonderproblem einen Insolvenzantrag stellen?

Naumann: Die in § 15a Insolvenzordnung (InsO) vorgesehene Insolvenzantragspflicht gilt nicht für Vereine. Für diese gibt es in § 42 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches eine Sonderregelung. Nach dieser hat der Vorstand eines Vereins im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Diese Norm ist anders als die Insolvenzantragspflicht aus der InsO nicht strafbewährt. Die zivilrechtliche Haftung für den Vorstand kann nichts desto trotz teuer sein.

LTO: Wie sieht diese Haftung konkret aus?

Naumann: Wird der Antrag zu spät gestellt, haften die Vorstandsmitglieder unter Umständen mit ihrem Privatvermögen. Wenn die Gläubiger durch eine frühere Antragstellung etwa besser gestellt worden wären und sie durch den verspäteten Antrag weniger Geld bekommen, muss Ihnen der Vorstand den Differenzbetrag unter Umständen ersetzen. Die Insolvenzverschleppungshaftung des Vorstandes im Innenverhältnis, das heißt gegenüber dem Verein, ist durch die Rechtsprechung inzwischen entschärft worden. Die analoge Anwendung des § 64 GmbHG auch auf Vereine wurde verneint. Für die Innenhaftung gibt es für den Verein die Regelung in § 31a BGB.

Auch strafrechtliche Konsequenzen sind für die Vorstandsmitglieder denkbar. Etwa dann, wenn Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt werden, § 266a Strafgesetzbuch.

LTO: Inzwischen sind viele Profivereine – gerade im Fußballbereich – als GmbH organisiert. Was gilt dann?

Naumann: In diesen Fällen müssen die Geschäftsführer nach § 15a InsO spätestens nach drei Wochen Insolvenzantrag stellen, wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten ist. Es gilt dann auch die verschärfte Haftung nach § 64 GmbHG. Das heißt, die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden und nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu vereinbaren sind.

"Spielergehälter können über das Insolvenzgeld gezahlt werden"

LTO: Was passiert mit einem Sportverein, der sich in einem Insolvenzverfahren befindet?

Naumann: Sobald der Insolvenzantrag gestellt wird, besteht die größte Herausforderung darin, die Liquidität für den laufenden Spielbetrieb sicherzustellen. Zur Stabilisierung der finanziellen Situation des Vereins trägt unter anderem für einen gewissen Zeitraum das so genannte Insolvenzgeld bei. Hiermit können die Spieler und Vereinsangestellten zumindest bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der Regel für drei Monate bezahlt werden.
Ansonsten gibt es keine Unterschiede zu einem normalen Insolvenzverfahren. Die Kriterien für das Insolvenzplanverfahren oder die Eigenverwaltung etwa gelten im Zusammenhang mit Sportvereinen entsprechend.

LTO: Warum spielt das Insolvenzplanverfahren gerade bei Sportvereinen eine besondere Rolle?

Naumann: In einem regulären Insolvenzverfahren erlischt der Rechtsträger, das heißt, die ursprüngliche juristische Person gibt es nach einer übertragenden Sanierung – einem Asset Deal – nicht mehr. Beim Insolvenzplanverfahren bleibt der Rechtsträger dagegen erhalten. Für Sportvereine ist dies besonders wichtig, weil am Rechtsträger auch die Lizenz des Verbandes für die Teilnahme am Spielbetrieb hängt. In einem Insolvenzplanverfahren können Vereine ihre Lizenz für die laufende Spielzeit behalten und darüber hinaus sogar eine neue Lizenz für die kommende Saison beantragen. Fakt ist: Ein Zwangsabstieg lässt sich jedoch auch mit einem Insolvenzplanverfahren oftmals nicht vermeiden.

LTO: Vielen Dank für das Gespräch.

Patric W. Naumann ist Fachanwalt für Insolvenzrecht bei Schultze & Braun in Mannheim.

Das Interview führte Tobias Kohl.

Zitiervorschlag

Patric Naumann, Insolvenz von Fußballvereinen: "Im Sportbereich geht es deutlich emotionaler zu" . In: Legal Tribune Online, 24.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8788/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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