Insolvenz von Fußballvereinen: "Im Sportbereich geht es deutlich emotionaler zu"

Interview mit Patric Naumann

24.05.2013

Auch in der Dritten Liga ist die Saison mittlerweile zu Ende. Alemannia Aachen ist abgestiegen. Noch während der laufenden Spielzeit musste der finanziell arg gebeutelte Traditionsklub zudem einen Insolvenzantrag stellen. Im LTO-Interview erklärt der Insolvenzrechtler Patric Naumann, welche Besonderheiten in solchen Fällen für Vereine gelten.

LTO: Die Zahl von Sportvereinen in finanzieller Schieflage steigt. Warum müssen immer mehr traditionsreiche Vereine Insolvenz anmelden?

Naumann: Ein Grund ist, dass der sportliche und der finanzielle Erfolg eng miteinander verknüpft sind. Gerade durch Auf- oder Abstiege geraten Sportvereine – im Fußball, aber auch in anderen Sportarten – oft in Schwierigkeiten. Sponsoren kürzen bei Misserfolg ihre Gelder. Hinzu kommt, dass die Einnahmen aus Ticketverkauf oder Mitgliederbeiträgen nicht mehr die geplanten Zahlen erreichen.

LTO: Gibt es Unterschiede zu Wirtschaftsunternehmen aus anderen Branchen? Warum ist es speziell für Sportvereine schwieriger, eine wirtschaftlich solide Basis zu schaffen und zu halten?

Patric W. NaumannNaumann: Sportvereine können nur zum Teil mit festen Einnahmen wie etwa den Mitgliedsbeiträgen planen. Meist reichen diese Beiträge jedoch nicht aus, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Sponsoring und Ticketverkäufe haben daher eine große Bedeutung – sind aber schwer planbar. Wie bereits gesagt, gehen diese Einnahmen in der Regel zurück, wenn die sportlichen Erfolge ausbleiben.

Ein großer Unterschied zu Wirtschaftsunternehmen besteht zudem darin, dass es im Sportbereich meistens deutlich emotionaler zugeht. Bei Vereinen werden ab und an unternehmerische Entscheidungen getroffen, die wirtschaftlich und vielleicht sogar rechtlich nicht haltbar sind. Ein Beispiel, das immer wieder auftritt, ist etwa eine Baumaßnahme, mit der sich der Verein finanziell übernimmt.

"Der DFB sollte die Konsequenzen der Insolvenz überdenken – für die Vereine und die Ligen"

LTO: Vor einem besonderen Problem stand bis zuletzt der Drittligist Alemannia Aachen. Es stand die Möglichkeit im Raum, dass das Insolvenzverfahren des Traditionsvereins noch während der laufenden Saison eröffnet würde. Die Auswirkung: Wird über das Vermögen eines Vereins das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt, bevor der letzte Spieltag der Saison absolviert ist, sieht die Spielordnung des Deutschen Fußballbundes vor, dass alle bisherigen und noch auszutragenden Spiele nicht gewertet werden. Damit verfallen auch alle Punkte, die andere Clubs gegen den insolventen Verein geholt haben. Warum gibt es diese Regelung?

Naumann: Wichtig ist zunächst einmal, dass diese Norm nicht an den Insolvenzantrag, sondern an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens anknüpft. Die Antragstellung an sich führt also noch nicht zu dieser sportlichen Konsequenz. Zwischen dem Antrag und der Eröffnung des Verfahrens vergeht in der Regel noch einige Zeit.

Für die Regelung spricht, dass man eine Wettbewerbsverzerrung vermeiden möchte. Ein Verein, der unsolide gewirtschaftet hat und zum Beispiel dennoch teure Spieler gekauft hat, soll keine Vorteile gegenüber anderen Klubs haben.

LTO: Das Argument Wettbewerbsverzerrung könnte aber auch genauso gegen die Regelung sprechen. Ist es nicht unfair, Vereinen Punkte abzuerkennen, die diese gegen den insolventen Club erzielt haben?

Naumann: Grundsätzlich möchte man den Spielbetrieb in der laufenden Saison trotz der Insolvenzsituation aufrecht erhalten. Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass durch diese Regelung andere Vereine mit abgestraft werden und dies durchaus kritisch gesehen werden kann. Das Pro und Contra wird deshalb ja auch heftig diskutiert – neben dem Fall Alemannia Aachen aktuell vor allem aufgrund der Annullierung von Spielen zweier insolventer Vereine in der Regionalliga Nord.

LTO: Sollte der DFB Ihres Erachtens seine Spielordnung in diesem Punkt überdenken?

Naumann: Die Regelung gilt nur für die Dritte Liga sowie die Regionalligen. Für die erste und zweite Bundesliga gibt es über die Deutsche Fußballliga eine eigene Regelung in der Lizenzierungsordnung. Dort gibt es für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur den Zwangsabstieg des Vereins am Ende der Saison. Eine Nichtbewertung der Spiele ist nicht vorgesehen. Man könnte die Insolvenz eines Vereins also auch anders handhaben Aus meiner Sicht sollte der DFB die Konsequenzen der Insolvenz überdenken – für die Vereine und die Ligen.

Zitiervorschlag

Patric Naumann, Insolvenz von Fußballvereinen: "Im Sportbereich geht es deutlich emotionaler zu" . In: Legal Tribune Online, 24.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8788/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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