Reform des Insolvenzanfechtungsrechts: Jeden­falls keine Ver­sch­lech­te­rung

von Johannes Landry

11.04.2017

Vor der Insolvenz an einzelne Gläubiger geleistete Zahlungen konnten bislang bis zu zehn Jahre in die Vergangenheit zurückgefordert werden. Eine Reform soll für mehr Rechtssicherheit sorgen. Das gelingt ihr nur teilweise, meint Johannes Landry.

Am vergangenen Mittwoch ist das "Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz" in Kraft getreten. Der Name sollte Programm sein. Ziel des Gesetzgebers war es, den Wirtschaftsverkehr und Arbeitnehmer von Rechtsunsicherheiten zu entlasten, die sich aus der vielfach als ungerecht angesehenen Handhabung der Insolvenzanfechtung ergeben haben. Ob das Gesetz dieses Versprechen wird einlösen können, darf bezweifelt werden. Manche seiner Änderungen dürften ohne praktische Relevanz bleiben (etwa die Verkürzung der Anfechtungsfrist der Vorsatzanfechtung für bestimmte Sachverhalte), andere könnten zu neuen Unsicherheiten führen (etwa die unbestimmten Rechtsbegriffe beim Bargeschäft).

Das Gesetz fügt sich ein in einen langjährigen und mehrstufigen Reformprozess der Insolvenzordnung (InsO), dem auf deutscher Ebene 2012 das "Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen" (ESUG) und 2014 das  "Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte" vorangingen, und der von einer Reform des Konzerninsolvenzrechts beschlossen werden soll.

Nun hat der Bundestag im Februar 2017 die lange in der Warteschleife hängende Reform des Rechts der Insolvenzanfechtung beschlossen. Im Rahmen der Insolvenzanfechtung können Insolvenzverwalter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlungen angreifen und so insbesondere Zahlungen des Schuldners von den jeweiligen Empfängern zurückfordern. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung datiert aus Dezember 2015 und manch einer hatte dieses Reformprojekt schon fast vergessen. Doch plötzlich ging alles ganz schnell. Der Gesetzentwurf wurde wieder aus der Schublade geholt und ist nach Änderungen durch den Rechtsausschuss und Beschlussfassung des Bundestages am 5. April 2017 in Kraft getreten. Das gesetzgeberische Ziel soll insbesondere durch eine Entschärfung der Vorsatzanfechtung und die Konkretisierung der Voraussetzungen für das Bargeschäft erreicht werden. Die Risiken einer Vorsatzanfechtung sollten für den Geschäftsverkehr kalkulier- und planbarer werden. Außerdem sind die Regeln über die Verzinsung von Anfechtungsansprüchen zu Gunsten der Anfechtungsgegner modifiziert worden.

Ausufernde Anwendung der Vorsatzanfechtung

Wesentlicher Reformbestandteil ist die Entschärfung der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO. Diese war ursprünglich für besondere Sachverhalte vorgesehen und an enge materielle Voraussetzungen geknüpft, wurde durch die Rechtsprechung jedoch zunehmend zum Auffangtatbestand ausgebaut. Angesichts des langen Anfechtungszeitraums von zehn Jahren bedeutete dies für potenzielle Anfechtungsgegner ein kaum zu überblickendes, im Extremfall existenzvernichtendes Risiko.

Grundsätzlich ist es für eine Vorsatzanfechtung erforderlich, dass der Schuldner mit dem Vorsatz gehandelt hat, seine übrigen Gläubiger zu benachteiligen und der Anfechtungsgegner hiervon Kenntnis gehabt hat. Das ist auf den ersten Blick nicht dramatisch. Aber Vorsatz ist nicht im Sinne einer zielgerichteten Absicht zu verstehen. Ausreichend ist, wenn der Schuldner den Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung für möglich hält und trotzdem handelt, die Benachteiligung also in Kauf nimmt. Außerdem enthält § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO die Vermutung, dass der Anfechtungsgegner den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz kennt, wenn er weiß, dass dem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit droht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierzu im Laufe der Jahre einen umfangreichen Katalog an Indizien entwickelt, die einzeln oder zusammen eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit und die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon nahelegen. Hierdurch wurde die Beweislast nach und nach zu Gunsten der Insolvenzverwalter verschoben.

Einschränkungen durch die Reform

Um dem entgegenzuwirken, hat die Reform einige Änderungen zur Entschärfung eingeführt: Der Anfechtungszeitraum für Handlungen, mit denen eine Forderung auf Sicherung oder Befriedigung erfüllt wird, ist von zehn auf vier Jahre verkürzt worden. Waren diese Handlungen kongruent, ist der Leistungsaustausch also wie vereinbart erfolgt, wird die Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes nicht bereits bei Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit vermutet, sondern erst bei Kenntnis einer tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit. Außerdem ist ausdrücklich festgeschrieben, dass die Vereinbarung einer Ratenzahlung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner die Vermutung begründet, dass Letzterer die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

Auf den ersten Blick scheinen diese Änderungen den beabsichtigten Zweck zu erreichen. Der Eindruck verflüchtigt sich allerdings bei genauerer Betrachtung. So dürfte die Verkürzung der Anfechtungsfrist von zehn auf vier Jahre ohne praktische Relevanz bleiben, denn schon bislang wurden länger als vier Jahre zurück liegende Rechtshandlungen nur sehr selten angefochten. Fälle, in denen ein Insolvenzverwalter dem Anfechtungsgegner Kenntnis einer bloß drohenden Zahlungsunfähigkeit nachweist, sind ebenfalls eher selten. Mit den von der Rechtsprechung entwickelten Indizien weist der Insolvenzverwalter dem Anfechtungsgegner regelmäßig gleich seine Kenntnis von der Zahlungseinstellung des Schuldners nach. Damit verbleibt noch die neue Vermutungsregelung der Ratenzahlungsvereinbarung zu Gunsten der Gläubiger. Diese Vermutung ist allerdings widerleglich. In den seltensten Fällen ist der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung das einzige Indiz, sodass die Hürde für den Insolvenzverwalter nur geringfügig erhöht werden dürfte – zumal bereits die Gesetzesbegründung darauf hinweist, dass der Insolvenzverwalter sich zur Widerlegung der Vermutung u.a. auf die Nichteinhaltung der Zahlungsvereinbarung berufen kann.

Zitiervorschlag

Johannes Landry, Reform des Insolvenzanfechtungsrechts: Jedenfalls keine Verschlechterung . In: Legal Tribune Online, 11.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22628/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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