Hygiene-Ampel für Lebensmittelbetriebe: Wie weit Tran­s­pa­renz gehen darf

Dr. Christina Rempe

25.05.2011

Die Signale stehen auf Durchfahrt: Letzte Woche stimmten die Verbraucherschutzminister der Länder für die Einführung einer einheitlichen, bundesweit verbindlichen Kontroll-Plakette. Sie soll direkt an Restauranttür anzeigen, wie es um die Sauberkeit im Betrieb bestellt ist. Was einfach klingt, hat seine Tücken – aus praktischer und rechtlicher Sicht. Von Christina Rempe.

Ab 2012 soll die "Ampel" an jeder Restauranttür hängen, später auch in Metzgereien, Bäckereien und in allen übrigen Lebensmittelbetrieben: Ein Pfeil markiert auf einem skalierten Farbstrahl, wie es der Unternehmer mit der Hygiene hält: Wenig Punkte auf einer grünen Leiste signalisieren eine gutes Level. Rückt der Pfeil in der Skala auf höhere Punktzahlen vom gelben bis gar in den roten Bereich, zeigt dies zunehmend häufige beziehungsweise gravierendere Verstöße gegen die rechtlichen Vorgaben an.

Neben den aktuellen Ergebnissen der amtlichen Begehung sollen auch die drei vorangegangen Kontrollen per Pfeil markiert werden. Das lässt Tendenzen erkennen, so die Idee dahinter.

Die Restaurant-Ampel möchte in Deutschland das werden, was der Hygiene-Smiley in Dänemark längst ist: Ein leicht verständliches und allseits akzeptiertes Transparenzsystem zum Vorteil aller Beteiligter. Es verspricht dem Verbraucher die Basis einer sachgerechten Entscheidung für oder gegen einen Betrieb – ein Ansatz, der ganz im Sinne der europäischen Verbraucherschutzpolitik steht. Schließlich ist Transparenz eine wesentliche Voraussetzung auf dem steinigen Weg zum informierten und mündigen Verbraucher.

Auf der anderen Seite winken für die Unternehmen Wettbewerbsvorteile, so die Befürworter des Systems. Denn wer sauber arbeitet, hat nichts zu befürchten. Gleichzeitig sollen für diejenigen Unternehmer, die in Sachen Hygiene noch nicht auf dem besten Stand sind, Anreize für Verbesserungen im eigenen Betrieb geschaffen werden.

Schwierige Balance zwischen Informations- und Geschäftsinteressen

Das überzeugt in Wirtschaftskreisen jedoch wenig: Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) kritisiert, dass angesichts der finanziellen und personellen Ausstattung der amtlichen Überwachung in Deutschland das Transparenzsystem kaum die gewünschte Aussagekraft erlangen könne.

Im Gegenteil: Eine Verbrauchertäuschung sei vorprogrammiert, wenn veraltete Hygienebefunde kursierten, die mangels Kontrollpersonal nicht dem tatsächlichen Stand widerspiegeln. Dies berühre auch die Schutzinteressen der Wirtschaft. Drastischer formuliert es der Deutsche Hotelerie- und Gaststättenverband (DEHOGA): Das System sei geeignet, Existenzen zu gefährden.

Die Bundesregierung muss jetzt – nach dem Wunsch der Länder noch vor der Sommerpause – einen Gesetzesentwurf in die parlamentarische Beratung einbringen. Denn das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) eignet sich nicht als alleinige Grundlage für die bundesweit verbindliche Veröffentlichung der Kontrollergebnisse.

Der Entwurf muss unter anderem die Anhörung und Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Unternehmen in angemessener Weise aufgreifen. Ein weiterer sensibler Punkt in diesem Zusammenhang: der Umgang mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Grundsätzlich sind sie Teil der von der Verfassung geschützten Berufs- beziehungsweise Eigentumsfreiheit (Artikel 12 und 14 Grundgesetz). Nach dem VIG unterliegen allerdings Verstöße gegen das Lebensmittelrecht gerade nicht einem solchen Schutz.

Ungeachtet der Frage einer eigenständigen Regelung muss auch nach wie vor geklärt werden, wann ein Verstoß im Sinne des VIG tatsächlich vorliegt und damit seine Veröffentlichung legitim ist. Das Problem: In der Lebensmittelkontrolle wird oft mit Ermahnungen, Belehrungen und Verwarnungen gearbeitet, gegen die gar keine Rechtsmittel vorgesehen sind. Rechtmäßig festgestellte Verstöße oder ein bestandskräftiger Verwaltungsakt haben dagegen fast Seltenheitswert. Hier gilt es in dem zu verabschiedenden Rechtsrahmen die richtige Balance zu finden: für das Informationsbegehren des Verbrauchers und gleichermaßen für die Zukunft des redlichen Unternehmers.

Dr. Christina Rempe ist staatlich geprüfte Lebensmitteltechnikerin und hat in Jura promoviert. Als Fachjournalistin schreibt sie zu den Themen Lebensmittelrecht, Lebensmittelkunde und Verbraucherschutz.

 

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Zitiervorschlag

Dr. Christina Rempe, Hygiene-Ampel für Lebensmittelbetriebe: Wie weit Transparenz gehen darf . In: Legal Tribune Online, 25.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3348/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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