Hate-Speech: "Besser digi­tale Poli­zei­be­hörden als neue Gesetze"

Interview von Dr. Anja Hall

04.01.2017

2/3 Nicht jede Hassrede ist strafrechtlich relevant

LTO: Was ist die zweite Gruppe?

Haberkamm: Die zweite Gruppe umfasst Veröffentlichungen, die sich konkret gegen eine Person richten und diese strafrechtlich relevant in ihren Rechten verletzen. In Betracht kommt § 185 StGB, der für eine Beleidigung gegen eine Person auch im Internet eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vorsieht.

Nach § 186 StGB wird die üble Nachrede mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren sanktioniert.
§ 187 StGB sieht für einen Fall der Verleumdung eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor, wenn sie "öffentlich" erfolgt, wovon bei einer Veröffentlichung im Internet und in den überwiegenden Fällen auch bei einer Veröffentlichung in sozialen Netzwerken auszugehen ist.

Weitere Straftatbestände, die bei ihrer Verwirklichung auch im Internet und in sozialen Netzwerken empfindliche Freiheitsstrafen nach ziehen können, sind die Bedrohung, die Nötigung oder die Nachstellung, z. B. über Twitter, SMS oder E-Mails. Sogar eine Körperverletzung kommt bei besonders heftigen Äußerungen, etwa gegen Minderjährige in Betracht, weil die seelischen Folgen und Verletzungen durch strafbare Äußerungen im Internet durchaus als nicht unbeachtliche Gesundheitsschädigung gewertet werden können.

Verwendung von Fotos kann nach KUG strafbar sein

LTO: Es gibt viele Fälle, in denen Fotos von Privatpersonen als politische oder ideologische Gegner gepostet und mit "Hassrede" verknüpft werden. Was ist damit?

Haberkamm: Wenn Fotos von Privatpersonen gegen deren Willen und ohne zeitgeschichtlichen Zusammenhang im Internet veröffentlicht werden, beispielsweise im Sinne von anprangernden "Steckbriefen" oder auch nur als Ergänzung zu bestimmten Äußerungen über die Person, ist das nach der aktuellen Gesetzeslage strafrechtlich sanktionierbar.

Die einschlägige Norm findet sich im Kunst- und Urhebergesetz (KUG) und ist leider selbst bei vielen Strafverfolgungsbehörden weitgehend unbekannt. Die Veröffentlichung eines Fotos gegen den Willen des Abgebildeten wird zumindest laut Gesetzestext, also gemäß §§ 22,33 KUG, mit einer Freiheitsstrafe bis  zu einem Jahr bestraft, kommt aber in der Praxis leider kaum zur Anwendung.

LTO: Sie erwähnten noch eine dritte Kategorie von Hassrede?

Haberkamm: Das umfasst Äußerungen, die nicht unter die beiden vorherigen Gruppen fallen und damit auch keine strafrechtliche Relevanz haben. Solche Äußerungen können durchaus abstoßend, moralisch verwerflich oder sogar widerlich sein. Sie sind aber gleichzeitig von der Meinungsfreiheit gedeckt und müssen damit auch ertragen werden.

Zitiervorschlag

Anja Hall, Hate-Speech: "Besser digitale Polizeibehörden als neue Gesetze" . In: Legal Tribune Online, 04.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21648/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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