Hate-Speech: "Besser digi­tale Poli­zei­be­hörden als neue Gesetze"

Interview von Dr. Anja Hall

04.01.2017

Hassrede im Internet nimmt stetig zu, und damit werden auch Rufe nach neuen Gesetzen lauter. Niklas Haberkamm plädiert jedoch dafür, sachlich zu bleiben und die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten konsequenter als bislang auszuschöpfen.

LTO: Herr Haberkamm, Sie haben die österreichische Regierung zum Thema "Hassrede im Internet" beraten und plädieren für mehr Sachlichkeit. Wie meinen Sie das?

Dr. Niklas Haberkamm: Man sollte v.a. nicht den Fehler begehen, die sozialen Netzwerke als Ursache der problematischen Äußerungen anzusehen. Facebook oder Twitter transportieren nur das, was bereits zuvor schon da war und früher beispielsweise als Stammtisch-Parole verkündet wurde.

Heute werden solche Äußerungen allerdings als 'Hassrede' öffentlich in Sekundenschnelle gegenüber unzähligen Empfängern kundgetan. Die sozialen Netzwerke fungieren dann lediglich als virtuelle Brandbeschleuniger, weil die jeweilige 'Hassrede' von Jedermann kommentiert, geliked und geteilt werden kann. Gegenreaktionen führen wiederum dazu, dass sich die Diskussionsspirale zuspitzt und hochschaukelt.

Obwohl "Hassrede" nur von einer Minderheit der Gesellschaft über das Internet und soziale Netzwerke in die Öffentlichkeit getragen wird, erscheint sie als ein absolut dominierendes Problem - obwohl der ganz überwiegende Teil der Bevölkerung "Hassrede" kategorisch ablehnt.

"Hassrede" genau definieren

LTO: Und dennoch sieht Justizminister Heiko Maas Handlungsbedarf, er hat eine Taskforce ins Leben gerufen, welche die Bekämpfung von "Hassrede" im Internet zum Ziel hat. Wie beurteilen Sie das?

Haberkamm: Bislang hat die Taskforce verschiedene Initiativen angestoßen, die man unter der www.fair-im-netz.de nachverfolgen kann. Und um auf keinen Fall in den Verdacht  zu kommen, nicht alles versucht zu haben, das Gespenst der "Hassrede" einzufangen, haben Facebook und Youtube, also Google, noch weitere eigene Initiativen gestartet.

Allerdings steigt - parallel zur wachsenden Anzahl von solchen Initiativen - auch das gefühlte Maß der "Hassrede" im Internet ungebremst an. Das lässt durchaus an der Effektivität der Initiativen zweifeln. Effizient scheinen sie zumindest nicht zu sein.

LTO: Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Haberkamm: Diese Initiativen sind oft ebenso diffus wie die Begrifflichkeiten "Hassrede" oder "Hate Speech" selbst. Erst wenn die Frage, was Hassrede genau ist, differenziert beantwortet wird, kann man sinnvoll über geeignete Gegenmaßnahmen sprechen.

Drei Kategorien von Hate Speech

LTO: Wie würden Sie die "Hassrede" denn definieren?

Haberkamm: Es gibt drei verschiedene Kategorien. Die erste Gruppe umfasst Äußerungen, die nach der aktuellen Rechtslage allein durch ihre Äußerung einen Straftatbestand darstellen, ohne dass sie sich gegen eine konkrete Person richten müssen. Darunter fallen insbesondere die Volksverhetzung und die Gewaltdarstellung.

Das heißt, dass es in Deutschland eine strafrechtliche Norm gibt, die als Strafmaß eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, wenn jemand durch seine Äußerungen im Internet - verkürzt ausgedrückt – den öffentlichen Frieden stört oder die Menschenwürde verletzt.

Zitiervorschlag

Anja Hall, Hate-Speech: "Besser digitale Polizeibehörden als neue Gesetze" . In: Legal Tribune Online, 04.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21648/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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