Googles Marktmacht: Gefährdet mehr als nur den ökonomischen Wettbewerb

von Prof. Dr. Boris P. Paal, M.Jur. (Oxford)

28.05.2014

2/2: Ist Google längst eine wesentliche Infrastruktureinrichtung?

Dem mitunter vor allem aus den Reihen der Politik geäußerten Wunsch nach einer "Suchmaschinenneutralität" ist jedenfalls nicht nachzugeben. Eine absolute Objektivität bei der Reihung von Suchergebnissen ist weder möglich noch wünschenswert. Die Auswahl der für die Ergebnisreihung maßgeblichen Parameter stellt stets eine Wertungsentscheidung dar.

Aus kartellrechtlicher Warte ist vielmehr zu fragen, welche Suchparameter und Einflussnahmen auf die Suchmaschinenergebnisse zulässig sind. Google ist ein vertikal integrierter Suchmaschinenbetreiber. Für das Unternehmen Google Inc., das unter anderem auch Dienste wie GMail, Maps oder Youtube betreibt, besteht ein erheblicher Anreiz, die Suchalgorithmen so zu konfigurieren, dass eigene Inhalte stets auf einem Spitzenplatz gelistet – und somit Konkurrenten diskriminiert – werden.

Kartellrechtlich könnte man die Google-Suchmaschine überdies als wesentliche Infrastruktureinrichtung (essential facility) einstufen. Das betreibende Unternehmen würde seine marktbeherrschende Stellung in diesem Sinne missbräuchlich ausnutzen, sollte es anderen Marktteilnehmern ohne sachlichen Grund keinen angemessenen Zugang zu der Suchmaschine gewähren, vgl. § 19 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).

Immerhin haben weder Inhalteanbieter noch Werbetreibende oder Nutzer gegenwärtig eine faktisch tragfähige Alternative zu dem (Quasi-)Monopolisten: Google ist seinen Wettbewerbern auf dem Suchmaschinensektor in den maßgeblichen Wettbewerbsfaktoren wie etwa Daten- und Informationsvolumen, Nutzer-Reichweite und Werbevolumen weit voraus. Zudem sind potenzielle Wechselkosten hoch und es bestehen vielfältige Gewöhnungs- bzw. Lock-In-Effekte.

Ausbeutungsmissbrauch: Nutzung drittproduzierter Inhalte ohne Kompensation

Das Geschäftsmodell von Google könnte auch einen sogenannten Ausbeutungsmissbrauch darstellen. Es beruht vornehmlich auf Verweisen auf bzw. der Verwendung von fremdproduzierten Inhalten und Leistungen. Bei der Wiedergabe verwertet Google diese fremdproduzierten Inhalte und Leistungen, ohne das angemessen zu vergüten bzw. zu kompensieren.

In diesem Sinne läuft etwa das zum Schutze der Presseverleger im Jahr 2013 neu geschaffene Leistungsschutzrecht wegen der Marktmacht von Google nahezu leer, da das Unternehmen mit einer Opt-in-Erklärung die Verleger faktisch zu einem Verzicht auf Lizenzentgelte zwingt.

Die Internetnutzer wiederum greifen ganz grundsätzlich immer seltener unmittelbar auf die Webseiten von Inhalteanbietern zu, weshalb die Werbetreibenden ihre Buchungen zu den Suchmaschinen hin verschieben.
Google hat hierzu angeboten, Inhalteanbietern die Möglichkeit zu geben, die Anzeige ihrer Inhalte in Googles eigenen spezialisierten Diensten zu untersagen, ohne dafür von Google im Suchergebnisranking benachteiligt zu werden. Eigentlich sollte die Nichtdiskriminierung eine Selbstverständlichkeit sein.

Ausschließlichkeitsbindungen und unzulässiger Marktmachttransfer

Zudem wirft die EU-Kommission Google vor, durch Ausschließlichkeitsbindungen konkurrierende Unternehmen auf dem beherrschten Markt oder benachbarten Märkten zu behindern. Der Internetkonzern soll bei Verträgen mit Anzeigenkunden einen vertraglichen Ausschluss von Konkurrenten vereinbart und den Transfer von Anzeigen zu Konkurrenten faktisch verboten haben. Entsprechende Klauseln will das Unternehmen seinen Verpflichtungszusagen zufolge nun aus den Werbeverträgen tilgen.

Ferner rügt die Kommission einen unzulässigen Marktmachttransfer, wo Google eigene Dienste bei der Ergebnisreihung im Suchranking – etwa durch bessere Platzierung oder optische Hervorhebungen – bevorzugt behandelt, um hiervon auf verwandten Märkten zu profitieren.

Das Gefährdungspotenzial der ökonomischen Marktmacht Googles reicht über den freien Wettbewerb weit hinaus. Nicht zuletzt die allumfassende Datensammlung durch die zahlreichen weiteren Dienste und zugekauften Unternehmen, welche unter anderem Drohnen, Rauchmelder, Thermostate und sogar künstliche Intelligenz zur optimierten Datenauswertung entwickeln wollen, werfen ausgreifende ethische, soziale und (rechts-)politische Fragen auf.

Verwiesen sei schließlich auf den Zusammenhang von ökonomischer Marktmacht und publizistischem Einfluss auf die Meinungsbildung. Insgesamt sind mit Blick auf die – nicht nur – den Medienbereich prägenden Entwicklungen der Konvergenz und der Internationalisierung überkommene Denkmuster aufzubrechen, um auch und gerade das Medienkartellrecht für eine Zukunft zu rüsten, die längst begonnen hat. Anzustreben ist hierbei ein integrierter rechtlicher Ordnungsrahmen, der eine umfassende Kontrolle der Konzentration von medieninduzierter Markt- und Meinungsmacht eröffnet.

Der Autor Prof. Dr. Boris P. Paal, M.Jur. (Oxford) ist Direktor des Instituts für Medien- und Informationsrecht, Abt. I: Privatrecht, an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Boris P. Paal, M.Jur. (Oxford), Googles Marktmacht: Gefährdet mehr als nur den ökonomischen Wettbewerb . In: Legal Tribune Online, 28.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12110/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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