Gerichtsdolmetscher: "Deutsche ticken anders als Menschen vom Balkan"

von Claudia Kornmeier

19.10.2013

An den Gerichten arbeiten nicht nur Juristen, Protokollführer und Wachtmeister. Vor allem in Strafverfahren und Familiensachen spielen Gerichtsdolmetscher eine bedeutende Rolle. Um ihre Arbeit gut zu machen, müssen sie nicht nur sprachlich firm sein, sondern auch auf kulturelle Eigenheiten der Parteien Rücksicht nehmen. Dabei erleben sie Dinge, die sich nicht so schnell vergessen lassen.

Gerichtssprache ist nach § 184 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) die deutsche. Egal ob vor einem Straf-, Zivil- oder Verwaltungsgericht. Nur die Sorben dürfen in ihren Heimatkreisen auch vor Gericht sorbisch sprechen.

Außerdem wird immer wieder über Handelskammern diskutiert, vor denen auf Englisch verhandelt werden soll. Einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedete der Bundestag allerdings vor Ende der Legislaturperiode nicht mehr, obwohl sich Sachverständige mehrheitlich dafür ausgesprochen und das Landgericht (LG) Köln bereits eine mündliche Verhandlung auf Englisch geprobt hatte.

Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und Ungarisch

All das sind aber Ausnahmen. In der Regel bleibt es dabei: Gerichtssprache ist deutsch. Und das bringt Menschen wie János Bölcskei ins Spiel. Er ist Gerichtsdolmetscher und -übersetzer für Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und Ungarisch in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Wird unter Beteiligung von Personen verhandelt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, muss das Gericht in der Regel einen Dolmetscher hinzuziehen. So will es § 185 GVG, um das Recht auf rechtliches Gehör zu sichern.

Bölcskei kommt aus dem ehemaligen Jugoslawien und gehörte der ungarischen Minderheit im heutigen Kroatien an. Noch zu DDR-Zeiten kam er über seine Frau nach Halle. Der studierte Historiker und Archäologe sattelte um und wurde Übersetzer. "Die Sprachen, die ich beherrschte, waren damals defizitär besetzt."

Nach der Wende machte er sich selbständig und wurde allgemein als Gerichtsdolmetscher beeidigt. Heute arbeitet er mit mehreren Büros zusammen, die ihm Aufträge vermitteln. Überwiegend arbeitet er als Behörden- und Gerichtsdolmetscher. Manchmal kommen auch Privatpersonen zu ihm, die eine beglaubigte Übersetzung brauchen.

"Kulturelle Prägung spielt eine große Rolle"

Um als Dolmetscher allgemein beeidigt zu werden, muss man bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Welche genau das sind, legen die Länder in Verwaltungsvorschriften fest. Dabei geht es in der Regel um die fachliche Eignung, außerdem darf man in den letzten Jahren weder ein Verbrechen noch Straftaten wie Urkundenfälschung begangen haben und die eigenen Vermögensverhältnisse müssen geordnet sein. Außerdem muss man bereit sein, auch kurzfristig zur Verfügung zu stehen.

Die allgemeine Beeidigung spart es den Gerichten, einem Dolmetscher bei jeder Verhandlung neu einen Eid abzunehmen. Dolmetscher unterliegen auch einer Verschwiegenheitspflicht, § 189 GVG. Wie Anwälte dürfen sie Dinge, die sie bei ihrer Tätigkeit erfahren, nicht weitergeben. Außerdem müssen sie sich neutral verhalten.

Trotzdem geht es beim Dolmetschen nicht nur darum trocken Worte von der einen in die andere Sprache zu übertragen, meint Bölcskei. "Die kulturelle Prägung spielt auch eine große Rolle." Da er selbst aus dem Gebiet stammt, in dem man die Sprachen spricht, die er dolmetscht, kann er die Menschen meist auch kulturell gut einschätzen. "Ich verstehe, wie die Leute ticken, kenne die Mentalitäten. Ein Deutscher verhält sich anders als jemand vom Balkan."

Um nicht mit der Neutralitätspflicht in Konflikt zu geraten, braucht es Fingerspitzengefühl. "Ich versuche, in beide Richtungen zu vermitteln. Die Menschen, für die ich dolmetsche, sollen die deutschen Gesetzen verstehen und begreifen, dass die Deutschen in manchen Situationen anders denken."

Zitiervorschlag

Claudia Kornmeier, Gerichtsdolmetscher: "Deutsche ticken anders als Menschen vom Balkan" . In: Legal Tribune Online, 19.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9842/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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