Gekündigtes NPD-Mitglied: Politische Gesinnung rechtfertigt noch keine Entlassung

Seit dem gescheiterten Verbotsverfahren stellt sich verstärkt das Problem, wie mit der NPD und ihren Mitgliedern umgegangen werden soll. Muss man es zum Beispiel im öffentlichen Dienst hinnehmen, wenn Mitarbeiter dieser Partei angehören und sich für sie engagieren? Das BAG hat das am Donnerstag bejaht - und bleibt damit seiner bisherigen Linie treu. Von Arnd Diringer.

Im dem entschiedenen Fall ging es um die Kündigung eines Verwaltungsangestellten der Oberfinanzdirektion Karlsruhe, der mit der Planung, Steuerung und Überwachung elektronischer Druckvorgänge befasst war. Durch eine Mitteilung des Landesamts für Verfassungsschutz wurde bekannt, dass er "Newsletter" mit Veranstaltungshinweisen der NPD verschickt und selbst einige Parteiveranstaltungen besucht hatte sowie am Aufbau der NPD-Jugendorganisation in Karlsruhe beteiligt war.

Das Land reagierte darauf zunächst mit einer Abmahnung. Nachdem der Beschäftigte am Volkstrauertag nochmals an einer Veranstaltung der Partei teilgenommen hatte, sprach es eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aus und erklärte später auch noch die Anfechtung des Arbeitsvertrags.

Der betroffene Mitarbeiter machte dagegen geltend, dass er sich stets zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekannt habe. Die NPD sei keine verbotene Partei, neonazistisches Gedankengut lehne er strikt ab.

Keine Anhaltspunkte für verfassungsfeindliches Verhalten

Ebenso wie die Vorinstanz hält auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) sowohl die Kündigungen als auch die Anfechtung des Arbeitsvertrags für unwirksam (Urteil v. 12.05.2011, Az. 2 AZR 479/09).

In ihrer Pressemitteilung heben die obersten Arbeitsrichter zwar hervor, dass das aktive Eintreten für eine verfassungsfeindliche Partei die Kündigung eines im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmers rechtfertigen kann. Hat ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter wegen dessen politischer Betätigung abmahnt, gebe er damit jedoch zu erkennen, dass er die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für zumutbar erachtet, wenn künftige verfassungsfeindliche Aktivitäten unterbleiben. Er kann deshalb eine Kündigung nicht auf ein Verhalten stützen, das schon der Abmahnung zugrunde lag.

Ob sich vorliegend aus dem abgemahnten Verhalten überhaupt ableiten lässt, dass der Mann verfassungsfeindliche Ziele unterstützt, ließ das BAG dabei offen. Jedenfalls nach Ausspruch der Abmahnung habe der Kläger kein Verhalten gezeigt, das als aktives Bekämpfen der freiheitlich demokratischen Grundordnung angesehen werden kann. Die Teilnahme an der NPD-Veranstaltung anlässlich des Volkstrauertags genüge für eine solche Einschätzung nicht.

Andere Maßstäbe für politische Treuepflicht im öffentlichen Dienst

Mit dieser Entscheidung bleiben die Erfurter Richter ihrer bisherigen Rechtsprechung treu. Bedeutsam ist sie aber insofern, als damit folgendes klargestellt ist: Für Mitglieder der NPD gelten die gleichen Maßstäbe, die in ähnlichen Verfahren an das Verhalten von Mitgliedern linksextremer Parteien angelegt wurden.

Das BAG ist schon früher davon ausgegangen, dass die Mitgliedschaft und das Engagement für eine verfassungsfeindliche Partei zwar Zweifel an der Eignung eines Arbeitnehmers begründen können. Sie rechtfertigen allein jedoch noch keine Kündigung. Dies gilt selbst dann, wenn ein Mitarbeiter für eine verfassungsfeindliche Partei kandidiert und gewonnene Mandate für sie wahrnimmt.

Die sich aus dem parteipolitischen Engagement ergebenden Zweifel an der Verfassungstreue muss der öffentliche Dienstherr durch konkrete auf den jeweiligen Arbeitnehmer und seinen Aufgabenbereich bezogene Umstände näher belegen. Dabei kann zum einen auf das bisherige dienstliche und außerdienstliche Verhalten abgestellt werden, wenn es über die Verfolgung verfassungskonformer Ziele hinausgeht. Zum anderen ist die persönliche Einstellung des Mitarbeiters entscheidend - insbesondere ob er bereit ist, sich von verfassungsfeindlichen Zielen seiner Partei zu distanzieren.

Zu beachten ist dabei, dass Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nicht die gleichen politischen Treuepflichten treffen wie Beamte. Während von Beamten stets die Bereitschaft verlangt werden kann, sich mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu identifizieren und aktiv für sie einzutreten, hängt das von Angestellten und Arbeitern zu erwartenden Maß an politischer Treuepflicht entscheidend von der konkreten Stellung und den jeweils wahrzunehmenden Aufgaben ab.

Daher sind zum Beispiel die Loyalitätsanforderungen, die an einen Müllmann gestellt werden können, erheblich geringer als bei einem angestellter Lehrer, der in seiner beruflichen Tätigkeit aktiv die Grundwerte der Verfassung zu vertreten und zu vermitteln hat.

Gescheiterte Kündigung leistet der "Opferrolle" Vorschub

Die Entscheidung verdeutlicht jedoch einmal mehr ein grundsätzliches Problem: Unwirksame Kündigungen von Arbeitnehmern sind im Kampf gegen Extremismus ebenso kontraproduktiv wie beispielsweise rechtswidrige Demonstrationsverbote.

Die Institutionen des demokratischen Rechtstaats setzen sich mit solchen Verhaltensweisen selbst ins Unrecht und zwingen die Gerichte dazu, zu Gunsten der Feinde des demokratischen Rechtstaats zu entscheiden, um dessen Prinzipien zu wahren. Zugleich gibt ein solches Vorgehen den betroffenen Parteien und ihren Mitgliedern immer auch die Möglichkeit, sich öffentlichkeitswirksam in einer Opferrolle zu präsentieren.

Der sachlich richtige und verfassungsrechtlich gebotene Weg im Kampf gegen extremistische Parteien besteht darin, einen Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht zu stellen und damit deren Betätigung endgültig zu beenden. Um ein erneutes Scheitern eines solchen Antrags zu vermeiden, müsste im Fall der NPD allerdings sichergestellt werden, dass die Verfassungsschutzbehörden rechtzeitig vor Antragsstellung ihre V-Leute "abschalten".

Mit einem Verbot wären auch die arbeitsrechtlichen Probleme gelöst. Denn das Engagement für eine verbotene Partei genügt ohne weiteres, um die Kündigung eines Mitarbeiters im öffentlichen Dienst zu rechtfertigen.

Der Autor Prof. Dr. Arnd Diringer lehrt an der Hochschule Ludwigsburg und leitet dort die Forschungsstelle für Personal und Arbeitsrecht

 

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Zitiervorschlag

Arnd Diringer, Gekündigtes NPD-Mitglied: Politische Gesinnung rechtfertigt noch keine Entlassung . In: Legal Tribune Online, 13.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3271/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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