Gang-Bang-Parties kosten Beamtenstatus: Der Gesetzeshüter im Rotlichtsumpf

von Dr. Michal Deja

26.08.2011

Weil er wegen Beihilfe zur Prostitution verurteilt worden war, hat das VG Stuttgart einen Polizisten aus dem Beamtendienst entfernt. Dass der Mann außerdem in einem Pornofilm mitgewirkt hatte, dürfte dabei nicht entscheidend gewesen sein: Schon die Straftat war geeignet, das Vertrauen des Dienstherrn zu zerstören. Wann Staatsdiener ihren Job riskieren, erklärt Michal Deja.

"Ein Beamter ist immer im Dienst" - diese aus vorkonstitutioneller Zeit stammende Aussage entspricht teilweise immer noch dem allgemeinen Bild des Berufsbeamtentums und lohnt angesichts der aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Stuttgart einmal mehr einer kritischen Betrachtung. In dem Fall ging es um einen Grenzschutzpolizisten, der im Juli 2002 wegen Beihilfe zur verbotenen Prostitution zu einer Geldstrafe verurteilt worden war und im Jahr 2000 als Pornodarsteller in einem Film mitgewirkt hatte.

Dabei hatte der Beamte seine Wohnung mindestens sechsmal seiner Ex-Freundin für so genannte Gang-Bang-Parties zur Verfügung gestellt und teilweise sogar persönlich die Gäste begrüßt. Auch der Pornofilm war ohne Wissen der Dienstbehörde gedreht worden. Auf deren Antrag sprach das VG schließlich in einem Disziplinarverfahren die Entfernung des Mannes aus dem Beamtenverhältnis aus (Urt. v. 27.07.2011, Az. DB 23 K 5319/10).

Nicht jede Pflichtverletzung ist ein Dienstvergehen

Tatsächlich waren Beamte früher auch in ihrer Freizeit durch besondere Pflichten gebunden, anders als gewöhnliche Bürger. Ende der 1960-er Jahre bewog der gesellschaftliche Wandel den Gesetzgeber jedoch dazu, die Pflichten des Beamten in seiner Freizeit zu liberalisieren.

Schon damals war die Stellung des Beamten in der Gesellschaft durch wachsende Toleranz gegenüber dem außerdienstlichen Verhalten geprägt. Seitdem gilt er nicht mehr als Vorbild in allen Lebenslagen, der besonderen Anforderungen an Moral und Anstand unterliegt.

Gleichwohl strahlt der Beamtenstatus nach wie vor in die Freizeit des Betreffenden aus. Auch sein außerdienstliches Verhalten ist eine Basis für das Vertrauen des Dienstherrn. Der Beamte kann deshalb in seiner Freizeit nicht nur gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten verstoßen, sondern auch Dienstvergehen begehen.

Begeht der Beamte im außerdienstlichen Bereich eine Pflichtverletzung, muss er nicht zwangsweise mit Disziplinarmaßnahmen rechnen. Diese Wertung entspricht auch der genannten Liberalisierungstendenz in der Beurteilung des Verhaltens des Beamten in seiner Freizeit. So drohen einem Beamten, der wegen einer Trunkenheitsfahrt eine Ordnungswidrigkeit begeht, nicht in jedem Fall dienstrechtliche Konsequenzen.

Kein Automatismus für Sanktionen bei Straftaten 

Disziplinarmaßnahmen sind aber so gut wie sicher, wenn das Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ein Dienstvergehen darstellt. Dafür muss es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet sein, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

Hier könnte man überlegen, ob schon die Mitwirkung des Polizisten in einem Pornofilm ein Dienstvergehen darstellt. Die Beurteilung dürfte von den Umständen des nicht in allen Details bekannten Einzelfalls abhängen. Das Gericht müsste nicht nur den Umfang der darstellerischen Beteiligung, sondern auch die Art des Films berücksichtigen. Jedenfalls fehlte dem Beamten wohl die notwendige Genehmigung für Nebentätigkeiten dieser Art.

Weitaus gravierender erscheint der weitere Vorwurf um die "Gang-Bang-Parties", für die der Polizist rechtskräftig verurteilt wurde. Dabei muss man allerdings zunächst beachten, dass auch eine strafrechtliche Verurteilung nicht automatisch zu Maßnahmen des Disziplinarrechts führt. Dieses dient nämlich nicht der Vergeltung und der Sühne bestimmter Pflichtenverstöße. Vielmehr führen die verschiedenen Disziplinarmaßnahmen entweder zur Pflichtenmahnung der Beamten oder aber zur Auflösung des Beamtenverhältnisses.

Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Beamte zu einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr verurteilt wurde oder schwerwiegende Straftaten gegen den Staat begangen hat (zum Beispiel Hochverrat). In diesem Fall endet das Beamtenverhältnis mit Rechtskraft des Urteils.

Wer verbotene Prostitution fördert, kann sie nicht gleichzeitig bekämpfen

Das Gewicht des Dienstvergehens wird jedoch maßgeblich von der strafrechtlichen Qualität der Verfehlung mitbestimmt. Eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kann daher sehr wohl auf der Grundlage einer Verurteilung wegen einer Straftat ausgesprochen werden. Dafür muss ein Bezug der Straftat zum ausgeübten Amt bestehen. Dieser wurde etwa in Fällen verneint, in denen Beamte der Finanzkontrolle auf ihren privaten Computern kinderpornografische Materialien aufbewahrten. Die Bekämpfung von Kindesmissbrauch oder Kinderpornografie gehört nämlich nicht zu ihren dienstlichen Tätigkeiten.

Bei einem wegen der Beihilfe zur Prostitution verurteilten Beamten ist dieser Bezug ohne Zweifel gegeben, denn die Verfolgung und Vereitelung von Straftaten gehört zu den wesentlichen Aufgaben der Polizei. Das Gericht stellt auch zutreffend fest, dass die Beamten des Polizeivollzugs aufgrund ihres öffentlichen Ansehens und ihrer gesetzlichen Verpflichtungen dazu berufen sind, den Bürger auf dessen Gesetzeskonformität hinzuweisen und sie deshalb auch selbst die Pflicht zur Gesetzestreue trifft.

Das Verhalten des verurteilten Polizisten lässt auch Rückschlüsse auf die Dienstausübung zu. Denn wer zur Verbreitung der verbotenen Prostitution beiträgt, kann sie nicht gleichzeitig wirksam bekämpfen. Unterm Strich war die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis damit sicher gerechtfertigt.

Der Autor Dr. Michal Deja, LL.M. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Zeitschrift für Beamtenrecht.

 

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Zitiervorschlag

Michal Deja, Gang-Bang-Parties kosten Beamtenstatus: Der Gesetzeshüter im Rotlichtsumpf . In: Legal Tribune Online, 26.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4126/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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